Das Hodgkin-Lymphom, auch Morbus Hodgkin oder Lymphogranulomatose genannt, ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. Es gehört zusammen mit den Non-Hodgkin-Lymphomen zu den malignen Lymphomen. Der Begriff "maligne Lymphome" bezeichnet bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems, die als Hauptmerkmal Lymphknotenschwellungen (Lymphome) hervorrufen können. Da sich im gesamten Körper Lymphgewebe befindet, kann Morbus Hodgkin überall im Körper entstehen.
Was ist das Hodgkin-Lymphom?
Das Hodgkin-Lymphom ist eine relativ seltene Krebserkrankung. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts machen Hodgkin-Lymphome bei Männern und Frauen jeweils 0,5 Prozent aller Krebsneuerkrankungen aus. Im Jahr 2016 erkrankten in Deutschland rund 2.490 Personen daran. Das mittlere Erkrankungsalter bei Morbus Hodgkin liegt bei etwa 46 Jahren unter Männern und bei 43 Jahren unter Frauen. Auch Kinder können an einem Hodgkin-Lymphom erkranken. Hier liegt der Erkrankungsgipfel bei 15 Jahren.
Morbus Hodgkin entsteht, wenn bestimmte Zellen des lymphatischen Gewebes, insbesondere die B-Lymphozyten, infolge von Veränderungen im Erbgut entarten ("Hodgkin-Zellen"). Beim Hodgkin-Lymphom lassen sich in befallenen Lymphknoten und Organen unter dem Mikroskop so genannte Reed-Sternberg-Riesenzellen nachweisen, die bei Non-Hodgkin-Lymphomen nicht vorkommen.
Ursachen und Risikofaktoren
Welche auslösenden Ursachen der Hodgkinschen Erkrankung zugrunde liegen, ist bis heute nicht bekannt. Viele klinischen und zytopathologischen Merkmale sprechen für eine infektiöse Genese, etwa im Sinne einer Virusinfektion. Einziger Kandidat für eine mögliche Virusgenese ist bisher das Epstein-Barr-Virus (EBV), dessen Genom in den Tumorzellen von etwa 50 bis 70 Prozent der Morbus-Hodgkin-Patienten gefunden wird. Dem Hodgkin-Lymphom geht häufig eine EBV-assoziierte infektiöse Mononukleose voraus. Morbus-Hodgkin-Patienten haben überdurchschnittlich hohe EBV-VCA-Antigen-Titer. Eine endgültige Klärung dieses postulierten ätiologischen Zusammenhangs steht jedoch noch aus.
Weitere Risikofaktoren:
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- Immunschwäche: Patienten mit einer HIV-Infektion haben ein vielfach erhöhtes Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung. Auch nach einer Organ-/Knochenmarktransplantation zeigt sich ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung.
- Autoimmunerkrankungen: Es wird eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen berichtet.
- Rauchen: Es wird berichtet, dass das Rauchen mit einem erhöhten Risiko für Hodgkin-Lymphom verbunden ist.
- Genetische Faktoren: Genetische Faktoren spielen bei der Entstehung der Erkrankung ebenfalls eine Rolle.
Symptome
Die Erkrankung macht sich in der Regel zunächst durch schmerzlose Lymphknotenschwellungen bemerkbar. Diese sind meist derb und von gummiartiger Konsistenz. Am häufigsten betroffen sind die zervikalen (ca. 70 % der Fälle) und mediastinalen Lymphknoten (ca. 20 %).
Außerdem treten häufig unspezifische Symptome auf. Hierzu zählen Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust (B-Symptomatik) sowie Abgeschlagenheit oder unklarer Juckreiz. Gelegentlich kann es auch zum sog. Pel-Ebstein-Fieber kommen, relativ typischen wellenförmigen, subfebrilen Temperaturen. Ein anderes seltenes, aber charakteristisches Symptom ist der sog. Alkoholschmerz, ein starker Lymphknotenschmerz nach Alkoholgenuss.
Je nach Befallslokalisation oder Organbeteiligung sind weitere Symptome möglich. Durch eine mediastinale Lymphknotenschwellung kann es zu Reizhusten, retrosternalem Druckschmerz, Dyspnoe oder im Extremfall zur oberen Einflussstauung kommen. Bei entsprechender Befallslokalisation kann auch eine Hepato- oder Splenomegalie vorhanden sein, Lymphompakete in der Leberpforte oder retroperitoneal können zu Cholestase oder Harnstau führen. Ein Befall des Knochenmarks kann zu Veränderungen des Blutbilds führen.
Diagnose
Die eindeutige Diagnose eines Hodgkin-Lymphoms kann nur durch die Biopsie eines befallenen Lymphknotens und die anschließende histopathologische Untersuchung dieses Gewebes erfolgen. Die Biopsie soll möglichst einen ganzen Lymphknoten bzw. ausreichendes Gewebematerial umfassen und darf nicht allein eine Feinnadelaspiration (Zytologie) beinhalten.
Nach den Kriterien der DHSG wird vor der Therapieeinleitung eine histologische Sicherung durch eine Biopsie gefordert. Jede histologische Diagnose durch den Primärpathologen wird vor Einleiten der Therapiemaßnahmen durch hämatopathologische Gutachter bestätigt.
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Die Abklärung der Ausbreitung der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose erfolgt durch gründliche klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren wie Sonographie, CT, eventuell Leber- und Knochenmarkbiopsie und hämatologische und biochemisch-immunologische Laborparameter.
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Cotswold-modifizierten Ann-Arbor-Klassifikation:
- Stadium I: Befall einer einzelnen Lymphknotenregion oder eines einzelnen extralymphatischen Organs oder Gewebes.
- Stadium II: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells oder lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs oder Gewebes und einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells.
- Stadium III: Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells, der auch den Befall der Milz, eines lokalisierten extralymphatischen Organs oder beider Organe einschließen kann.
- Stadium IV: Diffuser oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe oder Gewebe mit oder ohne Befall von Lymphknoten.
Zusätzlich wird unterschieden, ob B-Symptome (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) vorliegen (B) oder nicht (A).
Therapie
Die Therapie des Hodgkin-Lymphoms ist stadienabhängig und erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie.
Therapiestrategien der Deutschen Hodgkin Studiengruppe (DHSG)
Die DHSG hat in mehreren Studiengenerationen Therapiestrategien entwickelt und optimiert. Dabei wurde die Strahlentherapie zunehmend durch Chemotherapie ersetzt, um Spätfolgen zu reduzieren.
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Die vier Studiengenerationen:
- Erste Studiengeneration: Strahlentherapie als Hauptdomäne kurativer Therapiestrategien.
- Zweite Studiengeneration: Versuch, die Heilungsraten durch schnell wechselnde Zytostatikaschemata zu erhöhen.
- Dritte Studiengeneration: Verzicht auf explorative Laparotomie und Splenektomie, kombinierte Chemo- und Strahlentherapie.
- Vierte Studiengeneration: Therapieintensivierung, Einführung des BEACOPP-Schemas.
Aktuelle Therapiestandards
Die aktuellen stadienadaptierten Therapieempfehlungen der GHSG bei der Erstdiagnose eines Hodgkin-Lymphoms von Patienten zwischen 18 und 60 Jahren umfassen:
- Frühe Stadien (IA/B und IIA/B ohne Risikofaktoren): 2 x ABVD + 20 Gy IF-RT
- Intermediäre Stadien (IA/B und IIA mit Risikofaktoren a-d, IIB mit Risikofaktoren a, b): 2 x BEACOPP eskaliert + 2 x ABVD + 30 Gy IF-RT
- Fortgeschrittene Stadien (IIB mit Risikofaktoren c, d, IIIA/B und IVA/B): 6 x BEACOPP eskaliert + 30 Gy RT auf PET-positive Reste ≥ 2,5 cm
Therapie älterer Patienten
Patienten über 60 Jahre sollten aufgrund der erhöhten Toxizität nicht mit BEACOPP eskaliert behandelt werden. Empfohlen ist eine stadienadaptierte Therapie mit A(B)VD durchzuführen.
Rezidivtherapie
Im 1. Rezidiv stellt eine Reinduktionstherapie mit DHAP (1. Wahl) oder IGEV gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit BEAM und anschließender autologer Stammzelltransplantation die Therapie der Wahl für die meisten Patienten dar. Für Patienten mit Rezidiv eines NLPHL ist auch der Einsatz von Anti-CD20-Antikörper (Rituximab, als „off-label use“) in Betracht zu ziehen.
Nebenwirkungen der Therapie
Während der Behandlung werden neben den Lymphomzellen auch gesunde Körperzellen geschädigt, was zu akuten Problemen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen, Haarverlust, Entzündungen der Mundschleimhaut, Infektanfälligkeit oder Erschöpfung führen kann. Diese akuten Nebenwirkungen klingen nach Ende der Therapie mit Erholung des Körpers in der Regel vollständig ab. Einzelne Wirkstoffe, insbesondere das Vincristin, können Schmerzen oder Gefühlsstörungen an Händen und Füßen auslösen.
Als langfristige Folgen der Behandlung können vereinzelt auch Schädigungen des Herzens, der Lunge oder der Schilddrüse auftreten. Ebenso besteht ein erhöhtes Risiko, später an einem anderen Tumor (= Zweit-Tumor) zu erkranken.
Spätfolgen
Als Spätfolgen der Chemo- und Strahlentherapie werden u.a. Infertilität, Hypothyreose und koronare Herzerkrankung beobachtet. Darüber hinaus ist das Risiko für Sekundärmalignome (AML/MDS, NHL, solide Tumoren) erhöht.
Fruchtbarkeit und Hormone
Ob es zu einer bleibenden Zeugungsunfähigkeit bei Männern kommt, ist unter anderem von der notwendigen Dosierung einiger der eingesetzten Medikamente abhängig. Gerade bei jungen Männern muss diese Spätfolge im Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient dargelegt werden, und wenn ein Kinderwunsch besteht, sollte vor Therapiebeginn die Möglichkeit einer Spermakryokonservierung (Einfrieren von Sperma) in Betracht gezogen werden.
Bei Frauen muss mit einer vorzeitig einsetzenden Menopause gerechnet werden. In Abhängigkeit vom Alter der Patientin und der Gesamtdosis der verabreichten Zytostatika kann es jedoch zu einer Erholung der Eierstöcke und der Empfängnisfähigkeit kommen. Allerdings sollte ein Mangel an weiblichen Hormonen Östrogene aufgrund der Gefahr einer frühzeitigen Osteoporose (Verringerung der Knochendichte) zeitweise oder auf Dauer ausgeglichen werden, sofern entsprechende Beschwerden vorliegen.
Herz- und Lungenfunktion
Auch Herz und Lunge können durch bestimmte Substanzen einer Chemotherapie gestört werden. Störungen der Herzfunktion sind zumeist dosisabhängig und betreffen die Pumpfunktion des Herzens und den Herzrhythmus. Auch die Lungenfunktion kann in Form einer Entzündung oder durch eine Veränderung des Lungengewebes beeinträchtigt werden.
Schilddrüse
Bei einigen Patienten sind Schilddrüsenfunktionsstörungen nach Bestrahlung der Halslymphknoten festgestellt worden. Zumeist manifestieren sich diese Störungen als Unterfunktion.
Zweittumore (Sekundärneoplasien)
Die schwerwiegendste Spätfolge sowohl der Chemotherapie als auch der Strahlentherapie ist das erhöhte Risiko für die Entwicklung von sogenannten Zweittumoren.
Nachsorge
Aufgrund der geschilderten möglichen Nebenwirkungen werden sowohl zu Beginn wie auch nach Abschluss der Therapie Untersuchungen von Herz und Lunge durchgeführt. Eine diesbezügliche fachärztliche Beratung durch Gynäkologen und/oder Endokrinologen nach Abschluss der Therapie ist anzuraten.
Noduläre Sklerose Hodgkin-Lymphom
Das noduläre Sklerose Hodgkin-Lymphom ist der häufigste Subtyp des klassischen Hodgkin-Lymphoms (cHL) und betrifft bis zu 80% der Menschen, bei denen cHL diagnostiziert wurde. Es ist am häufigsten bei jungen Erwachsenen, insbesondere Frauen. Neben Reed-Sternberg-Zellen gibt es Bindegewebsbänder (Fibrose genannt) im Lymphknoten. Das Vorhandensein dieser Banden kann helfen, diese Art von Hodgkin-Lymphom zu diagnostizieren.
Noduläres Lymphozyten-prädominantes Hodgkin-Lymphom (NLPHL)
Eine weitere Form des Hodgkin-Lymphoms ist das noduläre Lymphozyten-prädominante Hodgkin-Lymphom, das in nur 5-8% aller Hodgkin-Lymphome auftritt und insgesamt sehr gute Heilungsaussichten hat. Überwiegend wird es in frühen Stadien diagnostiziert.
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