Ein Schlaganfall ist ein plötzliches, lebensbedrohliches Ereignis, das durch eine Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn oder eine Blutung im Gehirn verursacht wird. Jährlich erleiden in Deutschland etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall, was ihn zu einer der häufigsten Ursachen für Tod und bleibende Behinderungen macht. Die Maßnahmen nach einem Schlaganfall sind vielfältig und zielen darauf ab, die Schäden zu begrenzen, die Funktionen wiederherzustellen und das Risiko weiterer Schlaganfälle zu minimieren. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte der Schlaganfallbehandlung und -rehabilitation.
Akutversorgung: "Time is brain"
Die Akutversorgung eines Schlaganfalls ist entscheidend, da jede Minute zählt. Das Motto "Time is brain" unterstreicht die Notwendigkeit einer schnellen Diagnose und Behandlung, um das Absterben von Gehirnzellen zu verhindern und die Chancen auf eine vollständige Genesung zu erhöhen.
Erkennung und Erstmaßnahmen
Es ist wichtig, die Anzeichen eines Schlaganfalls frühzeitig zu erkennen und sofort zu handeln. Der FAST-Test (Face, Arms, Speech, Time) ist ein einfaches Hilfsmittel, um einen Schlaganfallverdacht zu überprüfen:
- Face (Gesicht): Ist das Gesicht verzogen oder hängt ein Mundwinkel herunter?
- Arms (Arme): Können beide Arme gleichzeitig angehoben und waagerecht gehalten werden?
- Speech (Sprache): Ist die Sprache verwaschen oder lallend?
- Time (Zeit): Zögern Sie nicht und wählen Sie sofort den Notruf 112, wenn eines dieser Anzeichen auftritt.
Bereits beim Anruf der 112 sollten die Symptome und der Verdacht auf einen Schlaganfall geschildert werden, damit die Leitstelle ein Krankenhaus mit einer spezialisierten Stroke Unit anfahren kann.
Diagnostik in der Notaufnahme
In der Notaufnahme erfolgt eine schnelle und umfassende Diagnostik, um die Art des Schlaganfalls (ischämisch oder hämorrhagisch) zu bestimmen und die geeignete Behandlung einzuleiten.
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- Klinische Untersuchung: Die Pflegekräfte und Ärzte in der Notaufnahme nehmen das Rettungsteam mit dem Patienten oder der Patientin in Empfang und führen eine Ersteinschätzung und Dringlichkeitsbeurteilung durch. Eine Anamnese wird erhoben, um die Krankengeschichte und mögliche Risikofaktoren zu erfassen.
- Bildgebende Verfahren: Mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) werden Schichtaufnahmen des Gehirns erstellt, um zwischen einem Hirninfarkt und einer Hirnblutung zu unterscheiden. Eine CT- oder MR-Angiographie kann zusätzlich die hirnversorgenden Gefäße darstellen.
- Laboruntersuchungen: Eine Blutuntersuchung wird durchgeführt, um weitere Informationen über den Zustand des Patienten zu erhalten und Risikofaktoren wie erhöhte Blutzucker- oder Cholesterinwerte zu identifizieren.
- EKG: Ein Elektrokardiogramm (EKG) wird angefertigt, um Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern zu erkennen, die einen Schlaganfall auslösen können.
Akuttherapie auf der Stroke Unit
Die Behandlung auf einer spezialisierten Stroke Unit ist entscheidend für die Verbesserung der Prognose von Schlaganfallpatienten. Hier arbeiten Neurologen, Pflegekräfte und Therapeuten interdisziplinär zusammen, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.
- Thrombolyse (Lyse): Bei einem ischämischen Schlaganfall wird versucht, das Blutgerinnsel, das das Gefäß verstopft, medikamentös aufzulösen. Diese Thrombolyse sollte idealerweise innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgen.
- Thrombektomie: Wenn die Lyse nicht ausreicht oder ein großes Blutgefäß verschlossen ist, kann eine Thrombektomie durchgeführt werden. Dabei wird das Blutgerinnsel mechanisch mit einem Katheter entfernt.
- Behandlung von Hirnblutungen: Bei einer Hirnblutung liegt der Fokus darauf, die Ausbreitung der Blutung zu stoppen und den Druck im Gehirn zu senken. In einigen Fällen ist eine Operation erforderlich, um das Blut zu entfernen.
- Überwachung und Stabilisierung: Auf der Stroke Unit werden die Vitalparameter des Patienten engmaschig überwacht, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Blutdruck und Blutzucker werden optimal eingestellt.
Rehabilitation: Wiederherstellung von Funktionen und Lebensqualität
Nach der Akutversorgung beginnt die Rehabilitation, die darauf abzielt, verlorengegangene Funktionen wiederherzustellen, Kompensationsstrategien zu erlernen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Rehabilitation ist ein langfristiger Prozess, der verschiedene Phasen und Therapieformen umfasst.
Phasen der Rehabilitation
Die neurologische Rehabilitation wird in verschiedene Phasen unterteilt, die sich nach dem Schweregrad der Beeinträchtigungen und den individuellen Bedürfnissen des Patienten richten:
- Frührehabilitation (Phase B): Diese Phase beginnt bereits auf der Stroke Unit oder Intensivstation und konzentriert sich auf die Stabilisierung des Patienten und die Verhinderung von Komplikationen. Es werden erste therapeutische Maßnahmen eingeleitet, um die Mobilität und Selbstständigkeit zu fördern.
- Rehabilitation (Phase C): In dieser Phase erfolgt eine intensive Rehabilitation in einer spezialisierten Klinik. Ziel ist es, verlorengegangene Funktionen wie Gehen, Sprechen und Schlucken wiederzuerlangen und den Patienten auf die Rückkehr in den Alltag vorzubereiten.
- Anschlussrehabilitation (Phase D): Nach der stationären Rehabilitation können ambulante oder teilstationäre Maßnahmen in Anspruch genommen werden, um die erreichten Fortschritte zu festigen und die Integration in den Alltag zu unterstützen.
- Langzeitrehabilitation (Phase E/F): Diese Phase richtet sich an Patienten mit bleibenden Beeinträchtigungen, die eine langfristige Unterstützung benötigen. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern.
Therapieformen in der Rehabilitation
Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall umfasst verschiedene Therapieformen, die individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden:
- Physiotherapie (Krankengymnastik): Die Physiotherapie zielt darauf ab, die motorischen Fähigkeiten wie Kraft, Koordination und Gleichgewicht wiederherzustellen. Durch gezielte Übungen werden Lähmungen reduziert, die Beweglichkeit verbessert und die Selbstständigkeit im Alltag gefördert.
- Ergotherapie: Die Ergotherapie unterstützt Patienten dabei, ऑलtagshandlungen wie Essen, Anziehen und Körperpflege wieder selbstständig auszuführen. Es werden Kompensationsstrategien erlernt und Hilfsmittel angepasst, um die Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen.
- Logopädie: Die Logopädie behandelt Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen, die nach einem Schlaganfall auftreten können. Durch gezielte Übungen werden die Kommunikationsfähigkeit verbessert und das Risiko von Komplikationen wie Lungenentzündungen reduziert.
- Neuropsychologie: Die Neuropsychologie befasst sich mit den kognitiven Folgen eines Schlaganfalls, wie z.B. Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Durch gezielte Trainingsprogramme werden die kognitiven Fähigkeiten verbessert und Kompensationsstrategien erlernt.
- Psychotherapie: Viele Schlaganfallpatienten entwickeln Depressionen oder Angststörungen aufgrund der einschneidenden Veränderungen in ihrem Leben. Eine Psychotherapie kann helfen, die emotionalen Belastungen zu verarbeiten und neue Perspektiven zu entwickeln.
- Musiktherapie: Die Musiktherapie kann bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten eingesetzt werden, um die motorischen, kognitiven und emotionalen Fähigkeiten zu verbessern. Sie kann beispielsweise bei der Wiederherstellung der Sprache, der Verbesserung der Handfunktion und der Reduktion von Angst und Depressionen helfen.
Spezielle Therapieansätze
Neben den klassischen Therapieformen gibt es auch spezielle Therapieansätze, die bei der Schlaganfallrehabilitation eingesetzt werden können:
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- Arm-Robot-Therapie: Diese Therapie nutzt Roboter, um die Arm- und Handfunktion bei Lähmungen wiederherzustellen. Die Roboter unterstützen die Bewegungen und ermöglichen ein intensives Training.
- Aufgabenorientiertes Training (AOT): Das AOT konzentriert sich auf die Verbesserung einzelner Bewegungsabläufe im Alltag. Die Übungen sind an konkreten Alltagssituationen orientiert, um den Transfer des Gelernten in den Alltag zu erleichtern.
- Bobath-Konzept: Das Bobath-Konzept ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Behandlung von Menschen mit Störungen des Muskeltonus und der Bewegungskontrolle. Es gibt keine standardisierten Übungen, sondern individuelle und alltagsbezogene therapeutische Aktivitäten.
- Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT): Bei der CIMT wird der nicht-betroffene Arm immobilisiert, um den verstärkten Einsatz des betroffenen Armes zu fördern. Diese Therapie ist jedoch nur geeignet, wenn keine vollständige Lähmung vorliegt und die Handfunktion teilweise erhalten ist.
- Elektrostimulation: Die Elektrostimulation kann helfen, Bewegungsabläufe mit Unterstützung von elektrischen Impulsen wieder zu erlernen. Es gibt verschiedene Formen der Elektrostimulation, wie z.B. die neuromuskuläre Elektrostimulation (NMES) und die EMG-getriggerte Elektrostimulation (EMG-ES).
- Spiegeltherapie: Bei der Spiegeltherapie bewegt der Patient seine gesunde Hand vor einem Spiegel, wodurch die Illusion entsteht, dass er seine gelähmte Hand bewegt. Dies kann die Aktivierung der betroffenen Hirnregionen fördern und die मोटरische Funktion verbessern.
Hilfsmittel und Alltagskompetenz
Ein wichtiger Aspekt der Rehabilitation ist die Anpassung von Hilfsmitteln und das Training der Alltagskompetenz. Ziel ist es, den Patienten so weit wie möglich in die Lage zu versetzen, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen.
- Hilfsmittel: Es gibt eine Vielzahl von Hilfsmitteln, die den Alltag von Schlaganfallpatienten erleichtern können, wie z.B. Gehhilfen, Rollstühle, Greifhilfen, Badewannenlifte und spezielle Essbestecke.
- Wohnraumanpassung: In manchen Fällen ist es notwendig, den Wohnraum an die Bedürfnisse des Patienten anzupassen, z.B. durch den Einbau von Rampen, Haltegriffen oder einem behindertengerechten Badezimmer.
- Alltagstraining: Im Rahmen der Ergotherapie werden Alltagshandlungen wie Kochen, Einkaufen und Waschen trainiert, um die Selbstständigkeit zu fördern.
Sekundärprävention: Vermeidung weiterer Schlaganfälle
Nach einem Schlaganfall ist das Risiko für einen erneuten Schlaganfall erhöht. Daher ist es wichtig, Risikofaktoren zu minimieren und eine konsequente Sekundärprävention durchzuführen.
Medikamentöse Therapie
- Thrombozytenaggregationshemmer: Nach einem ischämischen Schlaganfall werden häufig Thrombozytenaggregationshemmer wie Aspirin eingesetzt, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern.
- Antikoagulation: Bei Vorhofflimmern oder anderen Risikofaktoren für die Bildung von Blutgerinnseln kann eine Antikoagulation mit Medikamenten wie Warfarin oder neueren oralen Antikoagulanzien (NOAKs) erforderlich sein.
- Blutdrucksenkende Medikamente: Ein hoher Blutdruck ist ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle. Daher ist es wichtig, den Blutdruck mit Medikamenten auf einen Zielwert einzustellen.
- Cholesterinsenkende Medikamente: Hohe Cholesterinwerte können die Arteriosklerose fördern. Cholesterinsenkende Medikamente wie Statine können das Risiko für weitere Schlaganfälle senken.
Lebensstiländerungen
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Fisch kann helfen, Risikofaktoren wie Übergewicht, hohe Cholesterinwerte und Diabetes zu kontrollieren.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann den Blutdruck senken, das Gewicht reduzieren und die allgemeine Gesundheit verbessern.
- Nichtrauchen: Rauchen ist ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle. Ein Rauchstopp kann das Risiko deutlich senken.
- Mäßiger Alkoholkonsum: Ein übermäßiger Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Risiko für Schlaganfälle erhöhen. Ein mäßiger Konsum ist jedoch in Ordnung.
Behandlung von Risikofaktoren
- Bluthochdruck: Eine konsequente Behandlung von Bluthochdruck ist entscheidend, um das Risiko für Schlaganfälle und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken.
- Diabetes mellitus: Eine gute Blutzuckerkontrolle ist wichtig, um die Schädigung der Blutgefäße durch Diabetes zu verhindern.
- Vorhofflimmern: Vorhofflimmern sollte behandelt werden, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Dies kann durch Medikamente oder eine Katheterablation erfolgen.
- Übergewicht: Übergewicht erhöht das Risiko für Schlaganfälle. Eine Gewichtsreduktion kann helfen, Risikofaktoren zu kontrollieren.
Psychosoziale Aspekte und Unterstützung
Ein Schlaganfall kann nicht nur körperliche, sondern auch psychische und soziale Folgen haben. Viele Betroffene leiden unter Depressionen, Angststörungen, sozialer Isolation und finanziellen Problemen. Daher ist es wichtig, auch diese Aspekte bei der Behandlung und Rehabilitation zu berücksichtigen.
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