Männliche Gehirnentwicklung: Abschluss und Geschlechtsspezifische Aspekte

In den Neurowissenschaften wird die geschlechtersensible Forschung immer wichtiger, da zahlreiche neurologische und psychiatrische Erkrankungen bei Frauen und Männern unterschiedlich häufig auftreten, sich im Verlauf unterscheiden oder anders auf Therapien ansprechen. Die vorliegende Arbeit beleuchtet die männliche Gehirnentwicklung, insbesondere im Hinblick auf den Abschluss dieser Entwicklung und die Rolle von Geschlechtsunterschieden.

Einleitung

Die Entwicklung des männlichen Gehirns ist ein komplexer Prozess, der sich von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter erstreckt. Lange Zeit wurde angenommen, dass die Gehirnentwicklung mit dem Ende des starken Kopfwachstums in der frühen Kindheit weitgehend abgeschlossen ist. Neuere Forschungsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass sich die Struktur und Funktion des Gehirns auch nach dem sechsten Lebensjahr noch massiv verändern, insbesondere während der Pubertät.

Geschlechtersensible Forschung in den Neurowissenschaften

Prof. Dr. Barbara Di Benedetto, Gruppenleiterin am Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg, forscht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in Gliazellen und deren Bedeutung für die Entwicklung und Funktion des Gehirns sowie für psychiatrische Erkrankungen. Ihre Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit eines geschlechtersensiblen Forschungsansatzes in der Biomedizin, da viele Erkrankungen des zentralen Nervensystems eine asymmetrische Prävalenz aufweisen oder sich im Erkrankungsbeginn und Verlauf unterscheiden.

Die Rolle von Gliazellen

Gliazellen, insbesondere Astrozyten, stehen in enger, bidirektionaler Kommunikation mit Neuronen und spielen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung, Funktion und Anpassungsfähigkeit neuronaler Netzwerke. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es signifikante Unterschiede in der Gliazellfunktion zwischen weiblichen und männlichen Individuen gibt, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Neuroplastizität, die Gehirnfunktion und die Entstehung neuropsychiatrischer sowie neurodegenerativer Erkrankungen haben.

Forschungsperspektiven

Die Forschung von Prof. Dr. Di Benedetto zielt darauf ab, ein besseres Verständnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede in Gliazellen zu gewinnen und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie genetische, epigenetische und hormonelle Faktoren den Aufbau und die Funktion von Gehirnstrukturen beeinflussen. Diese Grundlagenforschung soll Impulse für die klinische Forschung liefern, insbesondere für eine geschlechtersensible Diagnostik und Therapie, und langfristig die Möglichkeit individualisierter, geschlechterspezifischer Therapieansätze eröffnen.

Lesen Sie auch: Das Männergehirn: Eine Analyse

Summer School zur Geschlechterforschung in den Neurowissenschaften

Um die Geschlechterforschung in den Neurowissenschaften zu stärken, findet im Herbst 2025 eine Summer School statt, die sich an Studierende der Biologie, Medizin und angrenzender Fachbereiche richtet. Ziel ist die Vermittlung moderner Methoden zur Untersuchung von Gliazellen durch theoretische und praktische Übungen (Workshops). Nationale und internationale Expertinnen werden Einblicke in ihre Forschung geben, die geschlechtsspezifische Aspekte bereits aktiv berücksichtigt.

Die Entwicklung des Gehirns bis zum Alter von 25 Jahren

Entwicklungsforscher haben herausgefunden, dass wir nicht mit 18, sondern erst mit 25 Jahren so richtig erwachsen sind. Die Adoleszenz, die Phase zwischen der Pubertät bis zum Erwachsensein, endet nicht nur später, sie beginnt auch früher. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass sich das Gehirn bis in die späten 20er entwickelt. Die Entwicklung des präfrontalen Kortex, der wichtig für soziale Entscheidungsprozesse und die Ich-Entwicklung ist, ist erst im Alter von 24, 25 Jahren abgeschlossen.

Veränderungen im Gehirn während der Pubertät

In der Pubertät finden massive Umbauten im Gehirn statt. Graue Substanz geht verloren, weil überflüssige Synapsen ausgemerzt werden, weiße Substanz nimmt zu, weil immer mehr Axone von effizienzsteigernden Myelinscheiden umhüllt werden. Am Ende dieses Prozesses steht ein deutlich leistungsfähigeres Gehirn mit effizienten neuronalen Netzwerken.

Die Rolle des limbischen Systems und des präfrontalen Cortex

Während rasante Entwicklungen im limbischen System bereits das Belohnungssystem und emotionale Prozesse in Aufruhr versetzen, hinken der präfontale Cortex und sein Beitrag zur Besonnenheit hinterher. Diese Spätzündung im präfrontalen Cortex bedeutet, dass sich früher entwickelnde, emotional betonte Gehirnregionen in der Pubertät vergleichsweise ungezügelt austoben können.

Einfluss von Geschlechtshormonen

Männliche und weibliche Geschlechtshormone leisten einen direkten Beitrag zu diesen Prozessen, vor allem im limbischen System, das eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen und der Steuerung von Impulsen spielt und viele Hormonrezeptoren vorweisen kann. Testosteron fördert das Wachstum der Amygdala (des Mandelkerns), Östrogen eher das des Hippocampus.

Lesen Sie auch: Erkenntnisse über das männliche Gehirn

Neuronale Plastizität und äußere Einflüsse

Die erhöhte neuronale Plastizität während der Pubertät macht besonders sensibel für äußere Einflüsse - seien es spannende Erfahrungen, eine tolle Ausbildung, Videospiel- und Fernsehexzesse, Drogenmissbrauch oder Gewalt. Dies erklärt, warum Jugenderlebnisse oft lebenslang die Persönlichkeit prägen und warum viele psychische Erkrankungen erstmals im Jugendalter auftreten.

Hirnforschung und die Rolle von Erziehung

Die Ergebnisse der modernen Hirnforschung sind auch für Erzieher/innen von großer Bedeutung, da sie ihnen helfen, Lern- und Bildungsprozesse besser zu verstehen und effektiver zu gestalten.

Aufbau und Funktion des Gehirns

Das Gehirn besteht aus verschiedenen Arealen, die für unterschiedliche Funktionen zuständig sind. Dazu gehören das Großhirn, das Kleinhirn, das Zwischenhirn und der Hirnstamm. Die Kommunikation zwischen den Neuronen erfolgt durch elektrische Signale und den Austausch von Neurotransmittern.

Lernen und Gedächtnis

Eindrücke und Informationen werden leichter behalten, wenn sie mit Emotionen verknüpft sind, wenn sie neuartig, ungewöhnlich und besonders interessant wirken, wenn sie leicht in die vorhandenen Gedächtnisinhalte integriert werden können und wenn ein Lebens- bzw. Alltagsbezug gegeben ist. Schlafen und Träumen helfen, Gedächtnisinhalte zu festigen.

Die Entwicklung des Gehirns im Mutterleib und in der frühen Kindheit

Bereits im Mutterleib nimmt das Gehirn Informationen auf und verarbeitet diese. Nach der Geburt nimmt die Zahl der Synapsen in den ersten drei Lebensjahren rasant zu. Das Gehirn eines Dreijährigen ist mehr als doppelt so aktiv wie das eines Erwachsenen.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Kritik an der Einteilung in "männliche" und "weibliche" Gehirne

Simon Baron-Cohen stellt die These auf, männliche und weibliche Gehirne seien festverdrahtet für unterschiedliche Aufgaben. Er definiert die Fähigkeiten zur Empathie (EQ) und zum Systematisieren (SQ) als wichtige Funktionen des Gehirns und teilt Menschen je nach Verhältnis von EQ und SQ in E-Typ (weibliches Gehirn) und S-Typ (männliches Gehirn) ein.

Probleme der Klassifizierung

Diese Klassifizierung ist jedoch problematisch, da sie auf einer Skalierung der beiden Bereiche miteinander beruht und nicht auf einem Vergleich eines Individuums mit dem Mittelwert. Zudem sind die Klassifizierungen nur schwach mit dem Geschlecht korreliert und daher als neue Geschlechtsdefinition nicht zu gebrauchen.

Kulturelle Einflüsse und Stereotype Threat

Auch die Übernahme von gesellschaftlichen Vorstellungen, der so genannte Stereotype Threat, beeinflusst die Leistungen von Männern und Frauen. Wenn eine Aufgabe als Versuch zur räumlichen Orientierung präsentiert werde, lösen Männer sie schneller - wenn auch nicht unbedingt besser.

tags: #männliche #Gehirnentwicklung #Abschluss