Martin Suter erlangte mit seiner "neurologischen Trilogie", bestehend aus den Romanen "Small World", "Die dunkle Seite des Mondes" und "Ein perfekter Freund", große Bekanntheit. Diese Werke befassen sich auf unterschiedliche Weise mit neurologischen Themen wie Alzheimer, Drogenkonsum und Gedächtnisverlust. Im Folgenden werden Inhalt, Analyse und Interpretation dieser Romane näher beleuchtet, wobei der Fokus insbesondere auf "Small World" liegt.
Small World: Inhalt und Zusammenfassung
Der Roman "Small World", erschienen 1997, ist der erste Teil der Trilogie. Im Mittelpunkt steht Konrad Lang, ein etwa 63-jähriger Mann, der seit seiner Kindheit mit Thomas Koch befreundet ist. Thomas entstammt einer wohlhabenden Schweizer Unternehmerfamilie, die Konrad aufgenommen hat, nachdem seine Mutter Anna mit einem Mann ins Ausland geflohen war und ihn in der Schweiz zurückgelassen hatte.
Konrads Leben und die beginnende Demenz
Konrad arbeitet als Hausmeister in der Ferienvilla der Familie Koch auf Korfu. Ein Missgeschick, vermutlich aufgrund seines Alkoholkonsums, führt zu einem Brand, woraufhin er zurück in die Schweiz gebracht und von Thomas' Stiefmutter, Elvira Senn, versorgt wird.
In einem Lokal lernt Konrad Rosemarie Haug kennen, eine wohlhabende Frau, die Anteile ihres Textilunternehmens verkauft hat. Die beiden verlieben sich und planen zu heiraten. Konrad gibt für sie den Alkohol auf. Rosemaries Wohlstand ermöglicht es ihm, sich aus der Abhängigkeit von der Familie Koch zu befreien.
Trotz seines Entschlusses, keinen Alkohol mehr zu trinken, vergisst Konrad Dinge und verirrt sich im Wald. Ein Neurologe, Dr. Wirth, diagnostiziert bei ihm Altersdemenz. Rosemarie weist ihn daraufhin in ein Pflegeheim ein und die Hochzeit findet nicht statt.
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Alte Erinnerungen und dunkle Geheimnisse
Je mehr Konrad an aktuellen Dingen vergisst, desto lebendiger werden seine Erinnerungen an die Vergangenheit. Als er in einem Anfall von Verwirrung vom Dach des Pflegeheims springen will, beschließt Thomas' Schwiegertochter Simone, ihn im Gästehaus der Kochs unterzubringen. Rosemarie beginnt eine Beziehung mit Dr. Wirth, da Konrad sie längst vergessen hat.
Im Gästehaus wird Konrad von Dr. Wirth regelmäßig besucht und von Pflegepersonal betreut. Simone verbringt viel Zeit mit ihm und versucht, seine Erinnerungen durch alte Fotos zu aktivieren. Dabei verwechselt Konrad sich immer öfter mit Thomas.
Simone entdeckt durch alte Fotos und Konrads Erzählungen ein dunkles Geheimnis: Elvira wurde als Jugendliche vergewaltigt und brachte ein Kind zur Welt. Ihre Schwester Anna gab vor, die Mutter des Kindes zu sein, um Elvira zu schützen. Dieses Kind war Thomas. Später vertauschte Elvira die Kinder, Konrad und Thomas, wodurch Konrad, der leibliche Sohn von Wilhelm Koch, um sein Erbe gebracht wurde. Zusammen mit ihrer Schwester brachte Elvira Wilhelm durch eine Insulininjektion um und erbte so sein Unternehmen.
Heilung und Gerechtigkeit
Simone meldet Konrad für ein medizinisches Testverfahren mit einem neuen Wirkstoff namens POM55 an. Elvira erfährt von den Fortschritten und versucht, Konrad mit einer Insulininjektion zu töten, um ihr Geheimnis zu bewahren. Die Tat wird jedoch auf Video aufgezeichnet und Elvira wird überführt. Bevor sie verurteilt werden kann, nimmt sie eine Überdosis Insulin und stirbt bei einem Autounfall.
Jahre später beendet Konrad seine Therapie erfolgreich. Der Wirkstoff POM55 erweist sich als so wirksam, dass er in der Alzheimerforschung Berühmtheit erlangt. Thomas erkrankt ebenfalls an Alzheimer, jedoch schlägt POM55 bei ihm nicht an.
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Charaktere in "Small World"
- Konrad Lang: Alkoholiker, abhängig von der Familie Koch, leidet an Altersdemenz, wird durch POM55 geheilt.
- Elvira Senn: Erbin der Koch-Werke, leibliche Mutter von Thomas, hat ihren Mann Wilhelm umgebracht, vertauschte Konrad und Thomas im Kindesalter.
- Thomas Koch: Leiblicher Sohn von Elvira, oberflächlich und materialistisch, erkrankt an Alzheimer.
- Simone Koch: Einfühlsam, kümmert sich um Konrad.
- Rosemarie Haug: Wohlhabend, verliebt sich in Konrad, verhilft ihm zu finanzieller Unabhängigkeit.
Analyse von Sprache und Aufbau in "Small World"
Martin Suter verwendet in "Small World" lange und verschachtelte Sätze mit zahlreichen Aufzählungen, um die Charaktere und deren Umgebung detailliert zu beschreiben. Die Dialoge betonen die Schwierigkeiten in Konrads Gedankengängen aufgrund seiner Demenz.
Der Roman ist größtenteils chronologisch aufgebaut, mit Rückblenden in Konrads Vergangenheit. Der auktoriale Erzähler ermöglicht einen Einblick in die Gedanken und Gefühle der Figuren und vermittelt so ein besseres Verständnis für Konrads Krankheit.
Interpretation von "Small World"
Ein Interpretationsansatz sieht Thomas' Erkrankung an Alzheimer als Strafe dafür, dass er Konrad jahrelang ausgenutzt hat. Elviras Tod durch Insulin wird als Spiegelung ihrer eigenen Tat an ihrem Mann Wilhelm interpretiert. Konrad hingegen wird am Ende für sein Leiden belohnt, indem er berühmt wird und seinen Traum, Pianist zu werden, ausleben kann.
Das Klavier ist ein Leitmotiv in "Small World", das immer wieder auftaucht und Konrads Leben bestimmt.
Die dunkle Seite des Mondes: Inhalt und Zusammenfassung
Der Roman "Die dunkle Seite des Mondes", erschienen im Jahr 2000, ist der zweite Teil der Trilogie. Er thematisiert die Persönlichkeitsveränderung des Wirtschaftsanwalts Urs Blank nach dem Konsum halluzinogener Pilze.
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Urs Blanks Verwandlung
Urs Blank führt ein erfolgreiches, aber unbefriedigendes Leben als Wirtschaftsanwalt. Durch seine Affäre mit Lucille kommt er mit halluzinogenen Drogen in Kontakt, die seine Persönlichkeit stark verändern. Er wird impulsiv, aggressiv und verliert die Kontrolle über sein Verhalten.
Nach einem inszenierten Suizid flieht er in den Wald, wo er nach einem Heilmittel sucht. Er begeht weitere Morde und wird zum "Waldmenschen". Schließlich findet er den Pilz, der seine Verwandlung ausgelöst hat, und konsumiert ihn in der Hoffnung, die Wirkung umzukehren.
Verfolgung und Ende
Im Wald wird er von Pius Ott erwartet, dem Inhaber der Textilkette, die Blank in den Ruin getrieben hat. Es kommt zu einem Kampf, bei dem Blank Ott töten könnte, sich aber zurückhält. Als Ott eine Waffe zieht, wehrt sich Blank nicht und wird erschossen.
Charaktere in "Die dunkle Seite des Mondes"
- Urs Blank: Wirtschaftsanwalt, erlebt eine dramatische Persönlichkeitsveränderung nach dem Konsum halluzinogener Pilze.
- Lucille Roth: Urs' Geliebte, führt ihn in die Welt der Drogen ein.
- Alfred Wenger: Urs' Freund und Psychiater.
- Pius Ott: Multimillionär, will sich an Urs Blank rächen.
- Christoph Gerber: Blanks Assistent, profitiert von dessen Ausstieg aus der Kanzlei.
- Evelyne Vogt: Urs' Lebensgefährtin, trennt sich von ihm aufgrund seiner Affäre mit Lucille.
Analyse von Sprache und Aufbau in "Die dunkle Seite des Mondes"
Der Roman ist chronologisch aufgebaut und wird aus der Perspektive verschiedener Figuren erzählt. Die Handlungsstränge umfassen Uri Blanks Pilztrips, die Rache des Pius Ott, die Fälle der Wirtschaftskanzlei und die polizeilichen Ermittlungen.
Die Handlung spielt vermutlich in der Schweiz und umfasst einen Zeitraum von etwa sieben Monaten.
Ein perfekter Freund: Inhalt und Zusammenfassung
Der dritte Teil der Trilogie, "Ein perfekter Freund", handelt von dem Journalisten Fabio Rossi, der nach einer Verletzung sein Gedächtnis verliert und sich auf die Suche nach seiner verlorenen Vergangenheit begibt.
Er entdeckt, dass er in der Zeit vor seinem Gedächtnisverlust eine neue Liebe gefunden, seinen Job gekündigt und sich charakterlich verändert hat. Er stößt auf ein Recherchethema, das ihn in Gefahr gebracht hat: den Nachweis von BSE-verseuchten Rindern in Schweizer Schokolade.
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