Taubheitsgefühl, auch Hypästhesie genannt, ist eine herabgesetzte Druck- bzw. Berührungsempfindung und gehört zu den Sensibilitätsstörungen. Es kann verschiedene Ursachen haben, von harmlosen vorübergehenden Zuständen bis hin zu Anzeichen einer ernsteren Grunderkrankung. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Taubheitsgefühlen, die verschiedenen Formen der Hypästhesie, Diagnosemethoden und Behandlungsansätze, einschließlich medikamentöser Optionen.
Ursachen des Taubheitsgefühls
Das Taubheitsgefühl kann viele Ursachen haben, die es aufzudecken gilt, bevor eine Behandlung vorgenommen wird. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
Ischämie: Mangelnde Durchblutung des entsprechenden Bereichs. Eine schlechte Durchblutung kann hinter den Empfindungsstörungen stecken. Alles, was den Kreislauf in Schwung bringt und den Blutfluss anregt, kann helfen. Sorgen Sie für ausreichend Bewegung, etwa durch flotte Spaziergänge oder Radfahren. Kräftigungs-, aber auch Dehnübungen steigern die Durchblutung noch zusätzlich. Stehen Sie auch bei sitzenden Tätigkeiten immer wieder zwischendurch auf und gehen Sie herum, damit das Blut nicht in den Beinen "versackt". Auch gesunde Blutgefäße sind die Voraussetzung für eine gute Durchblutung. Einige Risikofaktoren, wie etwa eine genetische Veranlagung, lassen sich nicht beeinflussen. Viele Abnutzungsprozesse entstehen aber durch einen falschen Lebensstil - z. B. durch Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsarmut.
Abgeklemmte oder verletzte Nerven: Beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall oder durch Druck im Bereich des Leistenbands oder Leistenkanals, wodurch der Oberschenkelhautnerv eingeklemmt wird (Leistentunnelsyndrom).
Nervenerkrankungen: Wie Polyneuropathie, die in Abhängigkeit vom Alter mit einer Prävalenz von circa 5-8 % bei Erwachsenen die häufigsten Erkrankungen des peripheren Nervensystems darstellen.
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Schädigungen der Haut: Beispielsweise durch Verbrennungen.
Schlaganfall: Plötzliches Taubheitsgefühl und Lähmungen auf einer Körperseite können auf einen Schlaganfall hinweisen.
Infektionskrankheiten: Wie Gürtelrose, Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Borreliose.
Migräne: Kribbeln und Taubheitsgefühle können eine Migräne-Attacke ankündigen.
Psychologische Faktoren: Wie Angst- und Panikattacken. Entstehen Taubheitsgefühle im Rahmen von Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins. Mit Techniken wie Yoga oder dem Body Scan trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit auch über einen längeren Zeitraum auf Ihren Körper zu richten und sich intensiver zu spüren.
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Tumoren: Gehirntumor oder Rückenmarktumor.
Vergiftungen: Zum Beispiel mit Schwermetallen, die mitunter chronische Schäden an den Nerven zur Folge haben, die zu Missempfindungen führen.
Diabetes: Ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Nerven und führt zu den Beschwerden.
Vitamin-B12-Mangel: Etwa durch eine einseitige Ernährung.
Karpaltunnelsyndrom: Bei Taubheitsgefühl in den Händen, insbesondere an Mittel- und Ringfinger, im Verlauf an Daumen und Zeigefinger.
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Symptome und Formen der Hypästhesie
Eine Hypästhesie kann an verschiedenen Körperstellen auftreten, darunter Arme, Hände, Oberschenkel, Füße oder im Gesicht. Seltener macht sich das Taubheitsgefühl im Kopf- oder Rumpfbereich bemerkbar. Es kann sowohl einseitig als auch beidseitig spürbar sein. Mögliche Begleiterscheinungen sind Schmerzen, Sehstörungen, Sprachstörungen oder Gleichgewichtsprobleme. Häufig setzt ein Kribbeln an der betroffenen Stelle ein, wenn das Taubheitsgefühl nicht nachlässt.
Die Hypästhesie kann in verschiedenen Formen auftreten:
Taktile Hypästhesie: Geminderte Berührungs- und Druckempfindung.
Thermische Hypästhesie: Gemindertes Hitze- und Kälteempfinden.
Hypalgesie: Reduziertes Schmerzempfinden.
Pallhypästhesie: Verminderte Wahrnehmung von Vibrationen.
Anästhesie: Kompletter Sensibilitätsausfall.
Es ist wichtig zu beachten, dass ein Taubheitsgefühl, das nicht von anderen Symptomen begleitet wird und nach kurzer Zeit von selbst wieder verschwindet, meistens harmlos ist. Tritt es jedoch häufig und länger auf, kann es ein Hinweis auf eine Grunderkrankung sein.
Diagnose der Hypästhesie
Die Diagnose basiert auf einer umfangreichen Anamnese. Der Arzt befragt den Patienten, wann das Taubheitsgefühl zuletzt auftrat, ob das Taubheitsgefühl in oder nach einer bestimmten Situation bemerkt wurde, beispielsweise nach einem Unfall oder bei einer bestimmten Haltung, ob das Taubheitsgefühl einseitig oder beidseitig ist, ob es anhaltend ist, vergeht oder wiederkehrt und ob andere Erkrankungen bekannt sind, durch die das Taubheitsgefühl ausgelöst werden könnte, beispielsweise Diabetes.
Zusätzlich führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch, bei der er das Gleichgewichtsgefühl, die Eigenreflexe, das Sehen, das Gehör und das Bewusstsein des Patienten prüft. Um den Ursachen auf den Grund zu gehen und um herauszufinden, welche Nerven wie stark geschädigt sind, gibt es zahlreiche Untersuchungsmethoden, wie beispielsweise die Elektroneurographie, bei der ein Elektrodenset im Gebiet des Nervenverlaufs auf die Haut geklebt wird, um die elektrischen Impulse der Nerven zu messen. Die Elektromyographie macht deutlich, ob und wie stark die Muskeln auf die Nervensignale ansprechen. Bei dieser Untersuchung werden dünne Nadelelektroden durch die Haut in den entsprechenden Muskel eingeführt. Untersuchungen von Urin, Gehirnwasser, Blut oder Gewebeproben sowie genetische Tests und bildgebende Verfahren können ebenfalls zur Diagnose beitragen.
Medikamentöse Behandlung von Taubheitsgefühlen
Die Behandlung der Hypästhesie erfolgt abhängig von der Ursache. Es gibt verschiedene medikamentöse Ansätze, die je nach zugrunde liegender Erkrankung eingesetzt werden können:
Eingeklemmte Nerven: Können mit muskelentspannenden Medikamenten und mit Schmerzmitteln behandelt werden.
Polyneuropathie: Bei einer Polyneuropathie kann eine Infusion verabreicht werden. Zusätzlich werden oft Schmerzmittel verordnet. Zur Schmerzbekämpfung haben sich Antidepressiva und Medikamente gegen Krampfanfälle (Epilepsie), sogenannte Antikonvulsiva, bewährt.
Karpaltunnelsyndrom: Hier wird zuerst eine konservative Behandlung durch Orthopäden, Physiotherapie und Chiropraktiker angestrebt.
Vitamin-B12-Mangel: Wird durch die Gabe von Vitamin B12, zumeist durch Injektionen, behandelt.
Schmerzen lindern: Eine begleitende Schmerztherapie verschafft Betroffenen Linderung. Zum Einsatz kommen Antidepressiva und bestimmte Medikamente, die ursprünglich für Epilepsien entwickelt wurden (Antikonvulsiva). Durch die Einnahme von Antidepressiva produziert der Körper vermehrt Botenstoffe - diese dämpfen die Weiterleitung von Schmerzsignalen. Antikonvulsiva sind meist die erste Wahl, sie bremsen die Erregbarkeit der Nerven, was schmerzlindernd wirkt. Bei ausgeprägten Schmerzen sind womöglich Opioide angezeigt. Da diese zu einer Abhängigkeit führen können, verschreiben Mediziner und Medizinerinnen sie nur für kurze Zeit.
Medikamente, die Polyneuropathie auslösen können
Einige Medikamente können als Nebenwirkung eine Polyneuropathie auslösen. Bei Patienten, die bereits unter Polyneuropathien leiden oder ein erhöhtes Risiko dafür haben (z. B. durch Diabetes mellitus oder Alkoholsucht), sollte die Therapie mit diesen Medikamenten (außer Metformin) vermieden werden. Bei zwingender Indikation ist auf Symptome zu achten, um frühzeitig reagieren zu können und unnötige Leiden zu vermeiden.
Zu diesen Medikamenten gehören:
Statine: Obwohl eine Studie ein erhöhtes Polyneuropathierisiko bei Statinen zeigte, deutete eine andere Studie darauf hin, dass Patienten mit Polyneuropathie seltener Statine eingenommen hatten.
Amiodaron: Periphere sensorische Neuropathien werden in den Fachinformationen als gelegentliche Nebenwirkungen aufgeführt.
Vincaalkaloide: Vincristin zeigt eine hohe Inzidenz für periphere Neuropathien.
Taxane: Docetaxel und Paclitaxel können periphere Nervenschäden verursachen, insbesondere in Kombination mit Platinverbindungen.
Platinverbindungen: Oxaliplatin verursacht häufig akute und chronische Neuropathien.
Bortezomib und Thalidomid: Werden zur Behandlung des multiplen Melanoms eingesetzt und können CIPN verursachen.
Antibiotika: Isoniazid kann in den Vitamin-B6-Stoffwechsel eingreifen und periphere Polyneuropathie verursachen. Auch Ethambutol, Linezolid, Nitrofurantoin und Metronidazol können periphere Neuropathien auslösen.
Weitere Behandlungsansätze
Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere Ansätze, die zur Behandlung von Taubheitsgefühlen eingesetzt werden können:
Sitzposition überprüfen: Wenn Sie häufig unter eingeschlafenen Füßen leiden, sitzen Sie möglicherweise "falsch". Wechseln Sie immer wieder die Sitzposition und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab.
Körperbewusstsein trainieren: Entstehen Taubheitsgefühle im Rahmen von Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins.
Capsaicin-Pflaster: Capsaicin ist für die Schärfe der Chilischoten verantwortlich und hat sich in Form von Capsaicin-Pflastern auf der Haut in Studien als erfolgversprechendes Mittel gegen Polyneuropathie erwiesen.
Elektrotherapie: Bei der Elektrotherapie werden die Nerven durch Impulse aus einem speziellen Gerät so stimuliert, dass Erkrankte statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren.
Gleichgewichtstraining: Gegen die fortschreitende Gangunsicherheit wirkt Gleichgewichtstraining in der Physiotherapie.
Akupunktur: Wie die gezielten Reize der Akupunktur die Nerven beleben, ist noch ungeklärt.
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