Im Verlauf einer Demenzerkrankung entwickeln zwischen 76 und 96 % der betroffenen Patienten Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität, Unruhe, Enthemmung, Affektlabilität oder Apathie. Diese Symptome, die neben den kognitiven Einschränkungen bestehen, werden als „Verhaltensstörungen bei Demenz“, „nichtkognitive Symptome“ oder „herausforderndes Verhalten“ bezeichnet. Verhaltensstörungen sind Begleiterscheinungen der Demenz, haben aber oft nachvollziehbare und behandelbare Ursachen. Ziel dieses Artikels ist es, einen aktuellen Überblick über die medikamentösen Behandlungsstrategien bei Aggressivität im Rahmen von Demenz zu geben und den interdisziplinären Dialog zu fördern.
Einführung
Die medikamentöse Therapie von Verhaltensstörungen bei Demenz, insbesondere Aggressivität, ist ein komplexes Thema. Es ist wichtig zu verstehen, dass Aggressivität bei Demenz oft ein Ausdruck von Frustration, Angst, Schmerzen oder anderen unerfüllten Bedürfnissen ist. Die Behandlung sollte daher immer ganzheitlich erfolgen und sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Ansätze berücksichtigen.
Häufigkeit und Erscheinungsformen von Verhaltensstörungen bei Demenz
Während Aggressivität und Enthemmung oft zu einer raschen Vorstellung beim Arzt führen, da sie mit offenkundigem Fehlverhalten verbunden sind, treten sie nur in bis zu 50 % der Fälle auf. Viel häufiger entwickeln Demenzerkrankte Apathie und gedrückte Stimmung (50-90 %). Diese Störungen werden jedoch oft übersehen, da ihnen die Dramatik im klinischen Kontext fehlt. Es ist wichtig zu erkennen, dass jede Verhaltensänderung bei Demenz eine Ursache haben kann, die es zu ergründen gilt.
Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz kann sich sehr unterschiedlich äußern und verschiedene Symptome umfassen. Menschen, die früher ruhig und liebevoll waren, können plötzlich rund um die Uhr gereizt sein. Wutausbrüche bei Demenz können so extrem werden, dass die Betroffenen ihre Mitmenschen beschimpfen oder mit Gegenständen bewerfen. Ein besonders sensibles Thema ist die sexuelle Enthemmung, die bei einigen Demenzerkrankungen auftreten kann. Dies kann sich in Form von sexuell übergriffigen Handlungen äußern.
Ursachenforschung: Ätiologie und Pathogenese
Die Pathogenese der Verhaltensstörung ist multifaktoriell. Bezüglich biologischer Ursachen wird die metabolische Hypothese favorisiert, bei der von einer Dysregulation der Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse („Stress-Achse“) und einer resultierenden Imbalance im Transmittersystem mit Auftreten von Wahn (Dopamin) und depressiver Symptomatik (Serotonin) ausgegangen wird. Die Atrophie im Bereich der Nucleus raphe dorsalis (Serotoninmangel) kann ebenfalls zu affektiven Symptomen führen. Die frühzeitige Atrophie des paralimbischen Systems, wie bei Alzheimer-Demenz, kann durch den Eingriff in das dopaminerge Stoffwechselsystem zu Aggressivität durch Wahnsymptome (Vergiftung, Bestehlung) führen, während die Aggressivität bei fronto-temporaler Demenz eher durch Enthemmungsphänomene entsteht. Affektlabilität (Stimmungsschwankungen) bei vaskulären Demenzen kann ebenfalls Aggressivität verursachen. Eine solche ätiologische Unterscheidung der Aggressivität kann hilfreich sein, um differenziert zu therapieren.
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Psychologische oder Umfeld-assoziierte Faktoren, wie ein defizitorientierter Umgang (unbewusste kontinuierliche Konfrontation mit den Defiziten) mit dem Erkrankten, und somatische Begleiterkrankungen sind ebenfalls anzuführen. Auch die durch die kognitiven Defizite, wie Desorientierung, Wortfindungsstörungen (Aphasie) oder Störung der Gesichtserkennung (Prosopagnosie), entstandene veränderte Wahrnehmung der Umwelt trägt zu Verhaltensstörungen bei.
Verhaltensstörungen können aber auch infolge somatischer oder psychiatrischer Komorbidität auftreten, die erkannt und spezifisch behandelt werden könnten. Eine rein symptombezogene, symptomatische Therapie (zum Beispiel bei Aggressivität) kann dagegen zu langfristigem Einsatz von Neuroleptika mit Polypharmazie, Nebenwirkungen und erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem führen.
Somatische Ursachen von Verhaltensstörungen bei Demenz
In der klinischen Arbeit zeigt sich, dass ein Teil der Verhaltensstörungen somatische Ursachen hat:
- Aggressivität, Unruhe und Enthemmung: Wichtige Ursache für diese Symptome sind Schmerzen im Rahmen von Stürzen, unerkannten Frakturen, Osteoporose oder Schmerzen durch fehlsitzende Zahnprothesen (Atrophie des Kiefers). Durch kognitive Defizite sind mittelschwer bis schwer Demenzerkrankte nur unzureichend in der Lage, Schmerzen zu äußern („underreporting of pain“) oder schmerzlindernde Haltungen einzunehmen. Infolge dessen tritt ein unspezifisches Gequältsein auf, das zu Aggressivität führen kann.
- Eine Neuroleptika-Überdosierung wie auch internistische Erkrankungen (Hyperthyreose, Harnwegsinfekte) können Aggressivität auslösen. Bei Missachtung des Grundsatzes „start-low-go-slow“ kann die zu rasche und zu hohe Neuroleptika-Dosierung Verhaltensstörungen auslösen. Therapie wäre das Ausschleichen des Neuroleptikums. Linkshemisphärielle Ischämien können zu einer organisch-affektiven Störung mit Affektlabilität und Unruhe oder zu einer organisch-wahnhaften Störung mit Bestehlungs- oder Vergiftungswahn und Aggressivität führen.
- Scheinbare Nahrungsverweigerung und Apathie: Die Nichtaufnahme von Nahrung kann durch eine somatische oder psychiatrische Komorbidität entstanden sein. Häufige Ursache ist die Besiedelung der atrophen Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori. Die resultierende chronische Gastritis, die kognitiven Defizite und der Appetitverlust führen dazu, dass aus Angst vor Schmerzen keine Nahrung aufgenommen wird. Aufgrund der kognitiven Defizite kann dies nicht geäußert werden; es entsteht der Eindruck der Nahrungsverweigerung. Weitere Ursachen sind die Überdosierung mit Digitalis, Psychopharmaka oder eine Polypharmazie. Linkshemisphäriell gelegene Ischämien können zur „post stroke depression“ mit Antriebslosigkeit und Appetitminderung führen. Hier wäre eine antidepressive Behandlung angezeigt.
- Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen: Davon betroffene Patienten sind nachts wach und agitiert, tagsüber schläfrig und apathisch. Ursächlich können defizitorientiertes Vorgehen durch Bezugspersonen und somatische Begleiterkrankungen sein. Psychopharmakaüberdosierung und der unkritische Einsatz von Neuroleptika oder Benzodiazepinen führen bei dauerhafter Anwendung zum Persistieren der Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen. Eine dekompensierte Herzinsuffizienz mit Nykturie und häufigem Erwachen ist oft zu beobachten. In diesem Fall sollte die Herzinsuffizienz behandelt und es sollten keine Neuroleptika eingesetzt werden. Neuroleptika könnten zur Verstärkung der Herzinsuffizienz führen und damit die Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen verschlimmern. Auch an nächtliche Hypoglykämien muss gedacht werden.
- Wahn und Halluzinationen: Bestehlungs- und Vergiftungswahn sowie optische Halluzinationen treten in 30-50 % der Fälle auf. Somatische Ursache können eine Hyperthyreose, Störungen des Blutzuckerstoffwechsels, eine Digitalis-Überdosierung, anticholinerge Nebenwirkungen und eine Psychopharmaka-Überdosierung sein. Auch Seh- oder Hörminderungen begünstigen wahnhafte Symptome. Kraepelin beschrieb 1915 den „Verfolgungswahn der Schwerhörigen“. Es ist wichtig, sensorische Defizite auszugleichen.
Psychologische und Umfeld-assoziierte Ursachen
Der unbewusst defizitorientierte Umgang mit Demenzpatienten durch ungeschultes Pflegepersonal oder Angehörige mündet in eine kontinuierliche Konfrontation mit krankheitsbedingten Einschränkungen. Da im Rahmen der Atrophie des Hippocampus die Lernfähigkeit verringert wird, führt das tägliche „Einüben“ von Zusammenhängen (Datum, Namen), die für den Alltag verzichtbar sind, je nach prämorbider Persönlichkeit zu Aggressivität oder Depressivität und zur Minderung des Selbstwertgefühls. Vor dem Hintergrund der schwierigen psychosozialen Situation von Demenzkranken (Verlust, Umzug ins Heim) und fehlender kognitiver Verarbeitung, ist im klinischen Alltag die Verstärkung von Verhaltensstörungen zu beobachten.
Posttraumatische Belastungsstörungen zum Beispiel als Ergebnis von Traumatisierungen durch den zweiten Weltkrieg können nun, bei eingeschränkter Kognition, zu Angstzuständen, Schlafstörungen, Alpträumen und Aggressivität führen. Bereits prämorbid bestehende affektive und psychotische Störungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen sind geeignet, nun Verhaltensstörungen hervorzurufen oder zu verstärken und müssen im therapeutischen Gesamtkonzept berücksichtigt werden.
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Herausforderndes Verhalten verstehen
Im fachlichen Kontext wird ungern von aggressivem, sondern eher von herausforderndem Verhalten gesprochen. Es wird davon ausgegangen, dass jedes Verhalten des Menschen mit Demenz für ihn sinnvoll ist und er etwas damit erreichen will. Die Hypothese ist, dass sich in sogenanntem aggressivem Verhalten, meist über Jahre angestaute Emotionen kanalisieren. Wut, Enttäuschung und Trauer, die früher nie gezeigt werden konnten und unterdrückt wurden, oft um gesellschaftlich nicht anzuecken, kommen jetzt zum Vorschein. Oft lassen sich mögliche Zusammenhänge im familiären und partnerschaftlichen Umfeld erkennen, wenn man das Gespräch über biografische Aspekte der betroffenen Person mit Angehörigen sucht.
Naomi Feil, die Begründerin der Validation, schreibt, dass der Mensch danach strebt, in Frieden zu sterben. Die letzten Jahre seines Lebens beschäftigt er sich mit der Aufarbeitung seines Lebens. Dazu gehört auch, dass ungelebte Emotionen und Gefühle an die Oberfläche kommen und jetzt durchlebt werden müssen. Dahinter steht oft nicht verarbeitetes Leid. Hier findet sich oftmals die Antwort nach dem Sinn des auf den Außenstehenden oft völlig unverständlichen Verhaltens. Dies beantwortet zwar nicht die Frage, wie ich damit umgehe, aber es gibt Angehörigen und betreuenden Personen unter Umständen eine neue Perspektive und lässt sie mehr Abstand von der Situation gewinnen. Vor allem die Erkenntnis, dass sich die Aggression nicht ursächlich gegen sie wendet, sondern der Mensch mit Demenz versucht, seine ungelösten Themen zu bearbeiten, kann Entspannung bringen. Entspannt sich das Gegenüber, kann sich auch der Mensch mit Demenz etwas entspannen. Dazu muss man sagen, dass dies nicht einfach ist und der betreuenden Person viel Einfühlungsvermögen und Geduld abverlangt.
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Zunächst sollte die Verhaltensstörung als solche identifiziert und zugeordnet werden. Der Demenztyp ist zu beachten. Alzheimerkranke zeigen durch die limbische und paralimbische Atrophie Wahnsymptome oder Halluzinationen und durch frühzeitige Involvierung der hinteren Raphekerne Depressivität. An fronto-temporaler Demenz Erkrankte erleiden frühzeitig Enthemmungsphänomene und emotionale Indifferenz. Vaskuläre Demenzerkrankungen können durch Affektlabilität imponieren, Lewy-Körperchen-Demenzen durch ausgeprägte, wenig affektbeladene, szenische Halluzinationen.
Die Abgrenzung vom Delir als Verwirrtheitszustand mit organischer Ursache, Bewusstseinsänderung, gestörter Aufmerksamkeit, vegetativen Symptomen und anderen kognitiven Defiziten ist notwendig. Ein Kriterium der Abgrenzung von Verhaltensstörungen ist die Unfähigkeit, Aufmerksamkeit auf etwas zu richten, sie zu verlagern oder aufrechtzuerhalten.
Wichtig ist, die beschriebenen somatischen Komorbiditäten zu erkennen und zu behandeln. Auslösende Faktoren und Situationen sind mittels Fremdanamnese konkret zu identifizieren. Ein Patient mit fortgeschrittener Demenz, der seine verstorbene Ehefrau sucht und permanent hört, dass sie „doch tot“ sei, wird zwangsläufig Verhaltensstörungen entwickeln. Ein psychischer Befund ist hilfreich. Zu achten ist auf Wahnerleben, Stimmungsschwankungen, Appetitverlust und Schlafstörungen. Spezifische Skalen können zur Beurteilung von Ursachen (zum Beispiel Schmerzen, Depression) und Schweregrad der Verhaltensstörungen eingesetzt werden.
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Therapie: Ein multimodaler Ansatz
Die Therapie von Verhaltensstörungen bei Demenz sollte immer ein multimodaler Ansatz sein, der sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Strategien umfasst. Die neuen S3-Leitlinien zur Demenz stärken besonders die nichtmedikamentösen Therapieverfahren der Verhaltensstörung bei Demenz. Psychopharmaka sollten dann eingesetzt werden, wenn die nichtmedikamentösen Interventionen nicht effektiv waren. Zuvor muss eine gründliche somatische Abklärung erfolgen. Es sollte nicht vordergründig gefragt werden „Welches Medikament soll der Patient bekommen?“, sondern „Was hat er eigentlich?“.
Allgemeine therapeutische Grundlagen
Verhaltensstörungen sind integraler Bestandteil des Demenzsyndroms und einer therapeutischen Intervention zugänglich. Hilfreich sind pflegerische Verfahren zur Prävention eines Delirs bei Demenz.
Die Therapie von Verhaltensstörungen sollte im therapeutischen Gesamtkonzept aufeinander abgestimmter nichtmedikamentöser und medikamentöser Behandlungsansätze durchgeführt werden. Im ersten Schritt erfolgt die Psychoedukation aller beteiligten Personen in validierendem, ressourcenorientiertem Umgang. Dann müssen auslösende Faktoren und Situationen erkannt und vermieden werden.
Nicht-medikamentöse Therapieverfahren
Zu psychosozialen Interventionen liegen evidenzbasierte Daten vor. Effektstärken für Erinnerungstherapie, Ergotherapie, körperliche Aktivitäten und aktive Musiktherapie wurden publiziert.
Zunächst müssen alle Personen, die an der Betreuung des Patienten beteiligt sind, eine Psychoedukation und Schulung erhalten, um einen defizitorientierten Umgang zu vermeiden. Mögliche Auslöser der Verhaltensstörungen durch das Verhalten der Bezugspersonen müssen reduziert werden. In der Kommunikation mit dem Kranken sind kurze, prägnante Sätze, eine flexible Wortwahl und eine sonore, angenehme Stimmlage hilfreich. Der Einbezug betreuender Angehöriger ist entscheidend.
Weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen umfassen:
- Anpassung der Umgebung: Reduzieren Sie Reize wie Lärm und Helligkeit. Schaffen Sie eine vertraute und sichere Umgebung. Eine demenzgerechte Raumgestaltung kann helfen, Verlockungen wie Türen weniger einladend wirken zu lassen. Zum Beispiel kann eine Tür mit einem großformatigen Bild eines Bücherregals verdeckt werden.
- Strukturierter Tagesablauf: Feste Zeiten für Mahlzeiten, Aktivitäten und Ruhephasen geben Sicherheit und Orientierung. Strukturierte Tagesstrukturen und ausreichend Auslastung verhindern Langeweile und Aggressivität.
- Beschäftigung: Bieten Sie dem Betroffenen altersgerechte und seinen Fähigkeiten entsprechende Aktivitäten an. Studien deuten darauf stark hin, dass Aktivitäten im Freien und körperzentrierte Therapien wie Massagen weitaus effektiver sind als Medikamente, um körperliche und verbale Aggressionen zu mindern. Ein Ergotherapeut kann Aktivitäten entwickeln, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken.
- Kommunikation: Sprechen Sie langsam, deutlich und ruhig. Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie es, den Betroffenen zu korrigieren oder zu kritisieren. Führen Sie Gespräche in einem ruhigen Tonfall und in kurzen Sätzen.
- Validation: Nehmen Sie die Gefühle des Betroffenen ernst und versuchen Sie, seine Perspektive zu verstehen.
- Tiergestützte Therapie: In manchen Fällen kann der Umgang mit Tieren eine beruhigende Wirkung haben.
- Musiktherapie: Manche Demenzkranke reagieren positiv auf Musik.
Medikamentöse Therapie
Antidementiva (Galantamin, Donepezil, Rivastigmin, Memantin) und Psychopharmaka sind bei Verhaltensstörungen wirksam. Zuerst wird eine somatische Grunderkrankung medikamentös behandelt, wie zum Beispiel ein Harnwegsinfekt mit einem Antibiotikum. Die Psychopharmakotherapie der möglicherweise aus dem Harnwegsinfekt resultierenden Aggressivität ist symptomatisch und zeitlich begrenzt. Anticholinerg wirksame, sedierende und muskelrelaxierende Medikamente sollten gemieden werden, ebenso Medikamente mit hohem Interaktionspotenzial (PRISCUS-Liste).
Antidementiva
- Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente verbessern die Signalübertragung im Gehirn, indem sie den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin hemmen. Sie kommen bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz zum Einsatz. Beispiele sind Donepezil (z. B. Aricept®), Rivastigmin (z. B. Exelon®) und Galantamin (z. B. Reminyl®).
- Glutamat-Antagonisten: Memantin wird bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz verordnet. Es schützt Nervenzellen vor einer Überstimulation durch Glutamat, einen wichtigen Botenstoff im Gehirn.
Psychopharmaka
Die Indikation bei der Anwendung von Antipsychotika zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz soll streng gestellt werden. Die geringe Wirksamkeit ist gegen das Risiko einer erhöhten Mortalität und der Zunahme von zerebrovaskulären Ereignissen abzuwägen.
- Neuroleptika: Eine Neurolepsie erfolgt mittels hochpotent atypischer Neuroleptika, wenn akute Gefährdungssituationen oder schwere psychotische Symptome vorliegen. Eine langsame Aufdosierung („start low go slow“) über 1-2 Wochen und ein kurzfristiger Einsatz aufgrund zerebro- und kardiovaskulärer Risiken sowie erhöhter Mortalität sind zu beachten. Mittel der Wahl ist Risperidon (0,25 bis maximal 2 mg/Tag). Olanzapin, Quetiapin und Aripiprazol wirken auf Aggressivität, nicht jedoch auf Wahnsymptome. Olanzapin hat anticholinerge Nebenwirkungen. Klassische Neuroleptika wie Haloperidol (erhöhtes Risiko für extrapyramidal motorische Nebenwirkungen) oder niederpotente Neuroleptika wie Melperon (Sedierung, Sturzrisiko) sollten kritisch verwendet werden. Als Neuroleptika bei Demenz mit Lewy-Körperchen sind Clozapin und Quetiapin ohne Verschlechterung der Parkinsonsymptomatik geeignet.
- Benzodiazepine: Benzodiazepine sollten allenfalls kurzfristig eingesetzt werden. Es bestehen Abhängigkeitspotenzial, erhöhte Sturzgefahr sowie Depressiogenität. Wenn notwendig, sollten Oxazepam oder Lorazepam, die ihre Halbwertszeit im Alter nicht erhöhen, verwendet werden.
- Carbamazepin: Carbamazepin wirkt auf agitiertes und aggressives Verhalten, hat aber auch ein hohes Interaktionspotenzial. Valproinsäure zeigt keine Effekte bei agitiertem oder aggressivem Verhalten.
- Antidepressiva: Am besten sind Serotinwiederaufnahmehemmer zur Behandlung einer affektiven Symptomatik untersucht. Eine Hyponatriämie mit Verschlechterung kognitiver Defizite oder Delir kann gelegentlich auftreten. Fluoxetin und Paroxetin (hohes Interaktionspotenzial) oder Trizyklika (anticholinerge Nebenwirkungen) sollten gemieden werden. Citalopram zeigte Wirksamkeit. Keine randomisierten kontrollierten Studien existieren zu Mirtazapin, Escitalopram, Venlafaxin, Reboxetin und Duloxetin. Der Einsatz erfolgt als individueller Heilversuch. Trazodon und MAO-Hemmer zeigen in Einzelstudien eine Wirksamkeit. Trazodon hat einen positiven Effekt auf Angstzustände. Risiken sind Sedierung, hypertone Entgleisung und Priapismus. Die Behandlung der Apathie ist nicht ausreichend untersucht. Der Einsatz von Antidementiva als individueller Heilversuch kann jedoch hilfreich sein.
Es ist wichtig zu beachten, dass Medikamente immer unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden sollten, da sie Nebenwirkungen haben können. Auch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten bedarf der genauen ärztlichen Überprüfung. Beobachten Sie bitte, ob verordnete Psychopharmaka die gewünschte Wirkung bei den Patienten zeigen. Gegebenenfalls muss die medikamentöse Behandlung verändert werden. Manche Psychopharmaka wirken auch paradox, das heißt sie führen nicht zur Beruhigung, sondern verstärken das aufgeregte Verhalten der Patienten.
Umgang mit aggressivem Verhalten in akuten Situationen
Aggressive Situationen bei Menschen mit Demenz können für alle Beteiligten potenziell gefährlich werden. Wenn die Situation eskaliert, sollte eine Zwangseinweisung in Erwägung gezogen werden. Oberste Regel ist, bei entstehender Eskalation, die Handlung zu beenden bzw. die Situation zu verlassen. Und nach einigen Minuten noch einmal zu versuchen, die die anstehende Aktion umzusetzen. Natürlich gibt es Situationen, wo das nicht möglich sein wird, weil etwas unerlässlich getan oder unterlassen werden muss. Dann versuchen Sie bitte nach den folgenden Tipps zu handeln. Und bedenken Sie bitte, dass wenn Sie aufgeregt und nervös sind, Ihr Erkrankter das spüren wird, auch wenn Sie sich noch so viel Mühe geben, es zu verbergen. Menschen mit Demenz haben sehr feine „Antennen“ und spüren unsere emotionale Verfasstheit. Beruhigen Sie bitte sich selbst und versuchen Sie, von Anfang an souverän zu agieren. In einem solchen Extremfall müssen Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um das Wohl aller Beteiligten zu gewährleisten.
- Deeskalation: Bewahren Sie Ruhe und sprechen Sie langsam und deutlich. Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu konfrontieren oder zu widersprechen.
- Ablenkung: Versuchen Sie, den Betroffenen mit einer angenehmen Aktivität abzulenken.
- Rückzug: Wenn die Situation eskaliert, verlassen Sie den Raum und bitten Sie eine andere Person um Hilfe.
- Professionelle Hilfe: In Notfällen rufen Sie den Notarzt oder die Polizei.
Neue Entwicklungen und Forschung
Die medikamentöse Behandlung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer entwickelt sich stetig weiter. Antikörper-Wirkstoffe wie Lecanemab und Donanemab zielen darauf ab, die für Alzheimer typischen Proteinablagerungen im Gehirn zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verzögern. Während Lecanemab in der EU bereits zugelassen wurde, befindet sich Donanemab noch im Zulassungsverfahren. Zusätzlich wird an neuen Ansätzen geforscht, darunter Blarcamesin, das die natürlichen Reinigungsmechanismen der Nervenzellen aktivieren soll. Auch dieser Wirkstoff befindet sich aktuell in der Prüfung zur Zulassung in der EU.
Ein neues Medikament, Leqembi (Lecanemab) wurde im April 2025 in der EU zur Behandlung von Menschen im Frühstadium von Alzheimer zugelassen - ist in Deutschland aber noch nicht verfügbar. Kisunla (Donanemab), ein weiteres neues Medikament, wurde im Juli 2025 zur Zulassung empfohlen.
Unterstützung für Angehörige
Für pflegende Angehörige von Demenzerkrankten ist das so erlebte „aggressive“ Verhalten eine der größten Herausforderungen im täglichen Umgang mit Demenz. Es ist wichtig, dass Angehörige sich nicht überfordern und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt zahlreiche Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Unterstützung und Entlastung anbieten.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG) bietet eine kostenlose Beratungshotline unter der Rufnummer 030 - 259 37 95 14 an, auch in türkischer Sprache. Es gibt psychisch entlastende Demenz-Hilfen für Angehörige. Es gibt Beratungsstellen für seltene Demenzerkrankungen (zum Beispiel Frontotemporale Demenz oder Demenz in jungem Lebensalter).
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