Hirnmetastasen sind Absiedelungen von Krebszellen im Gehirn, den Hirnhäuten oder dem Rückenmark. Sie stellen eine schwerwiegende Komplikation bei Krebserkrankungen dar und sind oft mit einer eingeschränkten Lebenserwartung verbunden. Besonders häufig treten Hirnmetastasen bei Lungenkrebs, Brustkrebs und dem malignen Melanom (schwarzer Hautkrebs) auf. Dieser Artikel beleuchtet die Symptome, Ursachen, Diagnose und modernen Therapieansätze bei Melanom-Hirnmetastasen.
Was sind Hirnmetastasen?
Metastasen sind Absiedelungen von Krebszellen, die an anderen Stellen als dem Ursprungsort auftreten. Hirnmetastasen sind demnach Absiedelungen in Gehirn, Hirnhäuten oder Rückenmark. Sie entstehen durch den Transport von Krebszellen über das Blut. Die Melanomtherapie dient oft als Fingerzeig, haben sich doch neue Immuntherapeutika zuerst an diesem Hautkrebs bewährt. Dass jetzt Hirnmetastasen mittels der neuen Substanzen erfolgreich angegangen werden, gilt daher als positives Signal.
Ursachen und Häufigkeit
Die Ursache für Hirnmetastasen ist immer ein Primärtumor, also ein Krebs in einem anderen Organ. Einzelne Krebszellen werden über das Blut weiter transportiert und siedeln sich im Gehirn an. Dort vermehren sie sich und wachsen zu einer Metastase. Durch das Einwachsen ins Nervengewebe sowie durch die Verdrängung kommt es zu Schädigungen der Gehirnzellen. Durch die Erhöhung des Drucks im Gehirn durchs Tumorwachstum kommt es zu Allgemeinsymptomen wie Kopfschmerzen.
Beim malignen Melanom sind es die Hirnmetastasen, die eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität darstellen. Bei bis zu 40 % der Patienten sind klinisch manifeste Metastasen des zentralen Nervensystems zu beobachten. Bei 2 von 3 Patienten, die an einem metastasierten malignen Melanom litten, finden sich ZNS-Metastasen in der Biopsie.
Symptome von Melanom-Hirnmetastasen
Die Symptome von Hirnmetastasen sind vielfältig und hängen von der Größe, Anzahl und Lage der Metastasen ab. Meist kommt es langsam über Wochen bis Monate zu Symptomen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
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- Kopfschmerzen: Treten bei etwa 50 % der Patienten auf und können lang anhaltend und stark sein.
- Halbseitenlähmung oder halbseitige Gefühlsstörung: Betrifft ebenfalls etwa 50 % der Patienten.
- Neuropsychiatrische Symptome: Gedächtnisstörungen, Wesensveränderungen, Verwirrtheit usw. (ca. 30 %).
- Epileptische Anfälle (Krampfanfälle): Treten bei 10-25 % der Patienten auf.
- Sprachstörungen, Erbrechen, Benommenheit oder Lähmungen der Augen oder Gesichtsmuskulatur: Seltener auftretende Symptome.
Bei Metastasen im Rückenmark kann es zu Rückenschmerzen und Lähmungen ("Querschnitt") kommen. Bei Metastasen der Gehirnhaut kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Kopf- oder Nackenschmerzen oder Lähmungen. Hirnmetastasen müssen zunächst keine Symptome verursachen. Meist treten Beschwerden bei bereits fortgeschrittenem Wachstum oder dem Befall empfindlicher Hirnregionen auf. Ob Symptome auftreten und welche dies sein können, hängt vornehmlich von Lage und Größe der Metastase ab.
Diagnose von Hirnmetastasen
Bei Verdacht auf Hirnmetastasen werden in der Regel folgende Untersuchungen durchgeführt:
- MRT (Magnetresonanztomografie) des Gehirns mit Kontrastmittelgabe: Genaue Darstellung des Gehirns und der Metastasen; empfindlichste Bildgebungsmethode.
- CT (Computertomografie des Gehirns): Weniger empfindlich als MRT, wird aber eingesetzt, falls kein MRT möglich ist.
- Biopsie (Probeentnahme) mit histologischer Untersuchung: Bei unklarem Ursprungskrebs; erneute Sicherung über Untersuchung der Zellen unter dem Mikroskop.
- Liquoruntersuchung ("Hirnwasser"): Untersuchung auf Krebszellen.
Therapie von Melanom-Hirnmetastasen
Die Therapie von Hirnmetastasen ist sehr individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Ursprungskrebs, die Anzahl der Metastasen, der Allgemeinzustand des Patienten und seine individuellen Wünsche. Die wichtigsten Therapieziele sind die Linderung der Symptome, die Verzögerung des weiteren Wachstums und die Verlängerung des Lebens. In seltenen Fällen kann auch eine Entfernung der Metastasen und des Krebses angestrebt werden.
Folgende Therapiemethoden stehen zur Verfügung:
- Operation: Bei Einzelmetastasen ist die Operation oft besser geeignet als die Strahlentherapie des gesamten Gehirns.
- Radiochirurgie oder Cyberknife: Zerstörung von Metastasen durch gezielte, meist einmalige Bestrahlung.
- Strahlentherapie: Kann als Ganzhirnbestrahlung oder als fokussierte Bestrahlung der Metastasen erfolgen.
- Medikamentöse Tumortherapie: Chemotherapie, zielgerichtete Therapien und Immuntherapie.
Immuntherapie bei Melanom-Hirnmetastasen
Lange Zeit galt das ZNS als ein Ort, wo die in jüngster Zeit so erfolgreichen neuen Checkpoint-Inhibitoren nichts mehr ausrichten können. „Aber auch im Gehirn wirken Immuntherapien“, hielt Prof. Dr. med. Sanjiv S. Agarwala auf dem 27. Deutschen Hautkrebskongress fest. Agarwala verwies als Beleg auf die 2017 auf der ASCO vorgestellten Daten, wonach sich zwei Kombinationstherapien als wirksam erwiesen.
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So konnte einmal laut der COMBI-MB Studie gezeigt werden, dass bei 58 % der Patienten die Hirnmetastasen auf die Therapie des BRAF-Inhibitors Dabrafenib kombiniert mit dem MEK-Inhibitor Trametinib ansprachen (1). Des Weiteren nannte Agarwala die Ergebnisse der Studien CheckMate 204 und ABC (Australien Anti-PD-1 Brain Collaboration Trial). Danach konnten der kombinierte Einsatz von dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem gegen das Checkpoint Molekül CTLA-4 gerichteten Antikörper Ipilimumab intrakranielle Ansprechraten von 55 % (CheckMate 204) respektive 42 % (ABC) erzielen (2, 3).
Bei Hirnmetastasen von schwarzem Hautkrebs, die noch keine Symptome verursachen, kann eine kombinierte Immuntherapie mit einem PD1- und CTLA-4-Blocker die Überlebensaussichten deutlich verbessern (s. Meldung vom 22.01.2024 auf diesem Portal). Die Studienteilnehmer waren 18 Jahre und älter. Sie litten an einem malignen Melanom im Stadium IV, das bereits Metastasen im Gehirn gebildet hatte. Symptome wurden jedoch durch diese Hirnmetastasen noch nicht ausgelöst.
Fallbeispiel
Dr. med. Christoffer Gebhardt vom Hauttumorzentrum Hamburg der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) stellte den Fall eines 70 Jahre alten männlichen Patienten vor, der exemplarisch belegt, was in einem weit fortgeschrittenen Stadium noch möglich ist. Der Mann litt Anfang 2016 an einer armbetonten Schwäche der linken Körperhälfte. Im MRT zur Abklärung fanden sich 3 metastasensuspekte Raumforderungen. Nach der neurochirurgischen Resektion der eingebluteten Metastase parietal rechts zeigte sich, dass es sich um zerebrale Metastasen eines malignen Melanoms handelte (Tx Nx pM1c; Stadium IV gemäß AJCC von 2009), Hinweise auf den Primarius fehlten.
Nach einer stereotaktischen Radiatio auch der Resektionshöhle (Gamma-Knife) traten im Mai 2016 2 neue Hirnmetastasen frontal auf, ebenso eine Metastase im Darm und multiple neue Lungenmetastasen. In der Mutationsanalyse zeigten sich im Tumorgewebe BRAF-Mutationen (V600E). Ein Tumorboard beschloss die Kombinationstherapie mit einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor (Vemurafenib + Cobimetinib). Allerdings zeigten sich unter der BRAFi+MEKi-Therapie eine Hepatitis mit Leberwerterhöhung (Grad 3 CTCAE) als Nebenwirkung. Bei einem Restaging im August 2016 waren die beiden bekannten Hirnmetastasen massiv progredient und es wurden 12 neu aufgetretene Hirnmetastasen gezählt. Die Lungenmetastasen konnten seinerzeit nicht mehr, die Sigma-Metastase nur noch residuell nachgewiesen werden.
In dieser Situation entschied sich das Tumorboard zum Absetzen der kombinierten Immuntherapie, zu einer Ganzhirnbestrahlung und der Gabe von Pembrolizumab. Als der Patient Ende 2016 nach der Pembrolizumab-Gabe ein erstes Staging erhielt, waren die Hirnmetastasen erheblich geschrumpft. Es waren keine neuen Metastasen, weder intra- noch extrakraniell aufgetreten, die Lungen- und Sigma-Metastasen konnten zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr nachgewiesen werden. Beim letzten Staging im August 2017 war der Patient nach wie vor progressionsfrei.
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Prognose und Verlauf
Die Prognose bei Hirnmetastasen ist abhängig vom Ursprungskrebs, der Anzahl der Metastasen, dem Allgemeinzustand des Patienten und den verfügbaren Therapieoptionen. Im Allgemeinen ist die Prognose jedoch eher ungünstig, da eine Metastasierung oft bedeutet, dass keine vollständige Heilung mehr möglich ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt ohne Behandlung nur wenige Wochen, kann aber durch geeignete Therapien um einige Monate verlängert und die Lebensqualität oft verbessert werden.
Für einen besseren Verlauf spricht eine gute Kontrolle der Ursprungskrebserkrankung, eine einzelne Metastase, spätes Auftreten lange nach der ersten Krebsdiagnose, guter Allgemeinzustand und bestimmte Krebsarten wie Brustkrebs oder Keimzellkrebs.
Nachsorge
Verlaufskontrollen müssen bei verschiedenen Spezialisten erfolgen. Es sollte aber eine klare Ansprechpartner*in geben. Regelmäßig muss mit MRT oder CT das Gehirn kontrolliert werden. Onkologen (Krebsspezialisten), Neurologen und Neuropsychologen sollten in bestimmten Abständen Kontrollen durchführen, um neue Symptome oder Probleme zu erkennen und die medikamentöse Therapie zu überprüfen. Eventuell sollte unterstützend ein palliativmedizinischer Dienst hinzugezogen werden, zum Beispiel, um die Schmerztherapie zu optimieren.
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