Leben nach einem Schlaganfall: Ein umfassender Leitfaden

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen stark beeinflussen kann. Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick darüber geben, wie man das Leben nach einem Schlaganfall gestalten kann, von der Akutbehandlung über die Rehabilitation bis hin zur Anpassung des Alltags und der Bewältigung der psychischen Folgen.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall, auch Apoplex genannt, ist ein medizinischer Notfall, der durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn verursacht wird. Diese Störung führt zu einem Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen, wodurch Nervenzellen absterben. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Schädigung können verschiedene neurologische Symptome auftreten.

Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Schlaganfällen:

  • Hirninfarkt (ischämischer Schlaganfall): Hierbei wird ein Blutgefäß im Gehirn durch ein Blutgerinnsel verstopft, was zu einer Durchblutungsstörung führt.
  • Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt): Diese entsteht meist durch hohen Blutdruck, veränderte Gefäßwände oder Gefäßmissbildungen und kann das Gehirngewebe schädigen.

Akutbehandlung und erste Schritte

Bei einem akuten Schlaganfall zählt jede Minute. Je schneller die Behandlung erfolgt, desto mehr Nervenzellen können gerettet und Folgeschäden minimiert werden. Der Leitsatz lautet: "Time is brain" (Zeit ist Gehirn).

Die Diagnose wird in der Regel durch bildgebende Verfahren wie CT und MRT gestellt. Anschließend erfolgt die Behandlung, die darauf abzielt, die Schäden im Gehirn zu minimieren. In vielen Kliniken gibt es spezielle Abteilungen für Schlaganfallpatienten, sogenannte "Stroke Units", die auf die multidisziplinäre Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert sind.

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Bei einem ischämischen Schlaganfall kann eine Thrombolyse oder "Lyse-Therapie" durchgeführt werden, bei der Medikamente verabreicht werden, um das Blutgerinnsel aufzulösen. In manchen Fällen ist auch eine Thrombektomie möglich, bei der das verschlossene Gefäß mit einem Katheter wiedereröffnet wird. Bei einer Hirnblutung kann eine Operation am offenen Gehirn erforderlich sein, um die Blutung zu stoppen und den Druck auf das Gehirngewebe zu reduzieren.

Rehabilitation: Wiedererlangen von Fähigkeiten

Nach der Akutbehandlung ist die Rehabilitation ein wichtiger Bestandteil des Genesungsprozesses. Ziel der Rehabilitation ist es, verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Rehabilitation ist stets individuell und wird an die spezifischen Bedürfnisse und Einschränkungen des Patienten angepasst.

Die neurologische Rehabilitation ist eine spezielle Form der Rehabilitation, bei der Schlaganfallpatienten intensiv trainieren, um ihre motorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Die Frührehabilitation beginnt bereits kurz nach dem Schlaganfall und zielt darauf ab, die körperlichen Funktionen wiederherzustellen und Folgeschäden zu minimieren.

Es gibt verschiedene Arten von Reha-Maßnahmen, die je nach Bedarf eingesetzt werden können:

  • Krankengymnastik (Physiotherapie): Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft und Koordination.
  • Sprachtherapie (Logopädie): Zur Verbesserung der Sprach-, Sprech- und Schluckfähigkeit.
  • Beschäftigungstherapie (Ergotherapie): Zur Verbesserung derAlltagsfähigkeiten, wie z. B. Anziehen, Essen und Körperpflege.

Die Rehabilitation kann stationär, tagesklinisch oder ambulant erfolgen. Die Dauer des Reha-Aufenthalts richtet sich nach dem Schweregrad des Schlaganfalls und den individuellen Fortschritten des Patienten.

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Leben zu Hause: Anpassung des Alltags

Nach der Rehabilitation kehren viele Schlaganfallpatienten in ihr Zuhause zurück. Oftmals sind jedoch Anpassungen im Alltag erforderlich, um den neuen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wohnraumanpassung

Einige bauliche Veränderungen können das Leben zu Hause erleichtern:

  • Haltegriffe im Badezimmer: Für mehr Sicherheit und Stabilität.
  • Wannenlift: Um das Baden zu erleichtern.
  • Rampen: Um Barrieren für Rollstuhlfahrer zu beseitigen.
  • Umbau des Badezimmers: Schaffung einer barrierefreien Dusche.

Vor größeren Investitionen sollten Gespräche mit der Kranken- oder Pflegekasse über die Finanzierung geführt werden. Oftmals können Zuschüsse für Wohnraumanpassungen beantragt werden.

Hilfsmittel

Es gibt eine Vielzahl von Hilfsmitteln, die den Alltag erleichtern können:

  • Gehhilfen: Zur Unterstützung beim Gehen.
  • Rollstuhl: Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.
  • Kommunikationshilfen: Für Menschen mit Sprachstörungen.
  • Anziehhilfen: Für Menschen mit Bewegungseinschränkungen.

Der Arzt kann bei Bedarf geeignete Hilfsmittel verschreiben.

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Pflegeversicherung

Da sich der Umfang der benötigten Hilfe meist nach der Art und Schwere der Behinderung sowie den Heilungschancen richtet, ist ein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung in vielen Fällen sinnvoll. Weil die Bearbeitung erfahrungsgemäß mehrere Wochen dauert, sollten Schlaganfall-Patienten oder ihre Angehörigen diesen schon während der Krankenhauszeit stellen. In welcher Höhe ein Schlaganfallpatient Leistungen aus der Pflegekasse erhält, wird durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) entschieden. Ausschlaggebend ist die Pflegestufe, in die der Antragsteller vom MdK eingruppiert wird.

Selbstständigkeit fördern

Es ist wichtig, die Selbstständigkeit des Schlaganfallpatienten so weit wie möglich zu fördern. Dies schließt auch ein, dass sich der Betroffene ohne Begleitung außerhalb der eigenen Wohnung bewegt. Moderne Smartphones können dabei nicht nur Helfer alarmieren.

Berufliche Zukunft

Wenn der Schlaganfall jüngere Menschen trifft, kommt fast immer auch die Frage nach der beruflichen Zukunft auf. Ansprechpartner in Umschulungsangelegenheiten ist in erster Linie das Arbeitsamt oder der Rentenversicherungsträger wie zum Beispiel die Landesversicherungsanstalt (LVA) oder die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Autofahren nach einem Schlaganfall

Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verlangt in erster Linie Eigenverantwortung. Um straf- und versicherungsrechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden, ist es ratsam, die Fahrtüchtigkeit nach einem Schlaganfall durch einen entsprechenden Eintrag im Führerschein bestätigen zu lassen.

Der Gesetzgeber verlangt von allen Menschen mit Führerschein Eigenverantwortung - ob Schlaganfall-Patient oder nicht. Überprüfen Sie sich daher immer wieder selbst, ob Sie ein Fahrzeug sicher durch den Verkehr lenken. Nach einer Erkrankung wie einem Schlaganfall verlangt das Gesetz aber, dass Betroffene "in geeigneter Weise Vorsorge" treffen, damit sie am Lenkrad nicht zur Gefahr werden. Dazu gehört, dass sich Patienten sachkundige Hilfe holen.

Die erste Anlaufstelle ist Ihr behandelnder Arzt. Er ist in der Lage, einzuschätzen, ob Sie sich noch beziehungsweise schon wieder ans Steuer setzen sollten oder aus Sicherheitsgründen auf das Autofahren verzichten sollten. Dieser Verzicht ist entweder vorübergehend - solange bis Sie wieder fit genug zum Fahren ist - oder dauerhaft, etwa bei bleibenden Lähmungen.

Informieren Sie außerdem die zuständige Behörde (Führerscheinstelle) freiwillig über den Schlaganfall und reichen Sie dort ein fachärztliches Gutachten ein, das nicht älter als sechs Monate ist. Das ist zum Beispiel der Entlassungs-Bericht einer Reha-Klinik oder das Gutachten eines Neurologen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Dieser Experte entscheidet, ob zum Beispiel zusätzliche Fahrstunden, der Gang zum Augenarzt oder ein neuropsychologisches Gutachten erforderlich sind.

Meist entscheidet die Behörde auf Basis der Unterlagen, ob Sie (eventuell mit Auflagen beziehungsweise Beschränkungen) weiter Auto fahren dürfen oder Ihren Führerschein abgeben müssen. Reicht der Behörde das Gutachten nicht, veranlasst sie eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU).

Freizeitgestaltung und soziale Kontakte

Schlaganfallpatienten sollten daher möglichst viel mit vertrauten Menschen unternehmen. Schon ein Spieleabend kann manchmal helfen, über ein krankheitsbedingtes Stimmungstief hinwegzukommen. Depressive Zustände sind nach schweren Erkrankungen nicht selten.

Ideal sind Hobbys, die soziale Kontakte fördern, die körperliche Beweglichkeit verbessern oder das Denkvermögen trainieren. Unter diesen Aspekten können auch Ausstellungs-, Kino- oder Theaterbesuche anregend wirken. Schlaganfall- Patienten können auch in Urlaub fahren. Sicherheitshalber sollten sie vor der Buchung aber zuerst ihren Arzt befragen, ob das gewählte Reiseziel und die Urlaubsform aus medizinischer Sicht zu empfehlen sind. Manche Urlaubsveranstalter und einige Hilfsorganisationen bieten spezielle Reisen für gesundheitlich eingeschränkte Weltenbummler an.

Die Auswahl der Sportart sollte immer in enger Absprache mit dem Arzt erfolgen. Erfahrungsgemäß machen Sport und Bewegung in einer Gruppe von Gleichgesinnten den größten Spaß. Vielerorts sind deshalb in den vergangenen Jahren spezielle Schlaganfall-Sportgruppen entstanden. Die meisten werden von fachlich besonders geschulten Trainern betreut, was den gesundheitlichen Nutzen der Gruppen zusätzlich stärkt.

Zu ihren Aktivitäten gehören im Allgemeinen regelmäßige Treffen, die dem Erfahrungsaustausch und der Information der Mitglieder dienen. Schon deshalb kann es für Schlaganfallpatienten sinnvoll sein, sich einer Gruppe anzuschließen.

Sexualität

Ähnlich wie Selbstständigkeit im Alltag, Unternehmungen mit Freunden oder erfolgreich gelöste Aufgaben im Beruf kann auch ein befriedigendes Liebesleben stärkend auf das Selbstbewusstsein wirken. Leistungsdruck im Bett ist allerdings nicht nur für Schlaganfallpatienten falsch. Relativ häufig nämlich ziehen die Krankheit und manche Medikamente auch die Sexualfunktionen in Mitleidenschaft.

Psychische Folgen und Unterstützung

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Erlebnis, das erhebliche psychische Folgen haben kann. Ängste, Depressionen und Stimmungsschwankungen sind häufige Begleiterscheinungen. Es ist wichtig, diese Probleme ernst zu nehmen und sich professionelle Hilfe zu suchen.

Selbsthilfegruppen

Die Zusammenkunft mit Menschen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, hilft bei der seelischen Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung. Als Betroffener bietet sich die Möglichkeit, sich innerhalb einer Selbsthilfegruppe gegenseitig zu unterstützen und zu motivieren. In Deutschland gibt es über 400 Schlaganfall- Selbsthilfegruppen.

ADAC Notfallpass

Generelle Informationen zu Ihrem Gesundheitszustand helfen den Rettungskräften bei einem Notfall. Im ADAC Notfallpass können alle relevanten Notfalldaten hinterlegt und zentral in der Wallet-App des Smartphones oder der Smartwatch gespeichert werden:

  • Vorerkrankungen
  • Medikamenten-Allergien
  • Medikationen
  • Blutgruppe
  • Kontaktpersonen (Angehörige, Notfallkontakte, Haus- und Fachärzte)
  • Informationen zu einer Schwangerschaft
  • Informationen zu Implantaten (z. B. Herzschrittmacher)
  • Informationen zu Organspendeausweis, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht

Im ADAC Notfallpass liegen diese Daten sicher verschlüsselt, damit sie bei einem Verlust von Smartphone oder Smartwatch nicht in falsche Hände gelangen. Der Notfallpass kann in die Rettungskette integriert werden. Im Notfall kann er von den Rettungskräften gescannt und ausgelesen werden. Im Zuge einer Weiterbehandlung im Krankenhaus können die Daten der entsprechenden Klinik zur Verfügung gestellt werden.

Lebenserwartung und Risikofaktoren

Obwohl ein Schlaganfall noch immer eine recht häufige Todesursache ist, überleben ihn die meisten Menschen bei rechtzeitiger Behandlung. Der entstandene Schaden am Gehirn kann die Lebenserwartung allerdings in den darauffolgenden Monaten und Jahren erheblich beeinflussen. Das liegt zum einen daran, dass die zugrunde liegenden Erkrankungen, etwa Arteriosklerose oder Diabetes mellitus, auf vielfältige Art und Weise zu Komplikationen führen und die Lebenserwartung verkürzen können. Außerdem ist das Risiko für weitere Ereignisse stark erhöht: Etwa eine von zehn betroffenen Personen erleidet innerhalb eines Jahres erneut einen Schlaganfall.

Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder weitere Erkrankungen, etwa Diabetes mellitus oder Bluthochdruck, beeinflussen die Lebenserwartung nach einem Schlaganfall. Bei Menschen, die einen gesunden Lebensstil führen und Begleiterkrankungen konsequent und bestmöglich therapieren, ist sie höher. Regelmäßige Bewegung sowie eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse können das Risiko für einen weiteren Schlaganfall senken. Betroffene sollten weitgehend auf Lebensmittel verzichten, die viel Cholesterin, Salz oder tierische Fette enthalten. Diese fördern Arteriosklerose und Bluthochdruck, die wiederum das Schlaganfallrisiko erhöhen.

Tipps für Angehörige

Die Folgen eines Schlaganfalls betreffen nicht nur die Patienten selbst, sondern auch die Menschen, die deren Leben teilen. Die Angehörigen benötigen meist viel Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen. Außerdem ist es oft notwendig, dass sie ihr eigenes Leben komplett umkrempeln, um bei der Versorgung des Patienten zu helfen.

Besonders problematisch ist es für Angehörige von Schlaganfall-Patienten, wenn sich durch die Erkrankung die Persönlichkeit eines vertrauten Menschen verändert. Auf die Hilflosigkeit und den plötzlichen Wegfall der eigenen Fähigkeiten reagieren viele Betroffene zunächst mit Verzweiflung und Depression, andere zeigen eher Aggressionen.

Treffen Sie als Angehöriger keine Entscheidungen über den Kopf des Betroffenen hinweg. Besser ist es, den Patienten für sich selbst sprechen lassen. Das gilt vor allem dann, wenn es dem Betreffenden aufgrund des Schlaganfalls nicht mehr möglich ist, sich leicht verständlich zu machen. Geben Sie dem Patienten Zeit, sich mitzuteilen.

Widerstehen Sie daher der Versuchung, den Betroffenen zu sehr zu bemuttern, ihm jeden Handschlag abzunehmen oder unvollständige Sätze für ihn zu Ende zu sprechen. Greifen Sie nur dann helfend ein, wenn der Betroffene überhaupt nicht dazu in der Lage ist, eine Situation alleine zu bewältigen oder zu erschöpft dazu ist.

Angehörige leisten somit einen wichtigen Beitrag, indem sie etwa mit gemeinsamen Unternehmungen, Ausflügen oder Treffen mit Freunden helfen, dass Betroffene verlorene Fähigkeiten zurückgewinnen. Aber Achtung: Für Menschen mit einer Aphasie (Sprach-Störung) sind viele alltägliche Situationen sehr anstrengend - dazu gehören vor allem laute Geräusch-Kulissen.

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