Messung des vegetativen Nervensystems: Methoden, Bedeutung und Anwendung

Das vegetative Nervensystem (VNS) ist ein übergeordnetes Steuerungssystem im Körper, das lebenswichtige Prozesse wie Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck, Verdauung, Stoffwechsel, Hormonproduktion, Zellregeneration und Schlaf reguliert. Es besteht aus zwei Hauptnerven: dem Sympathikus (dem "Anreibernerv" oder "Stressnerv") und dem Parasympathikus (dem "Erholungsnerv" oder "Ruhe-Nerv"), die als Gegenspieler fungieren.

Das vegetative Nervensystem im Detail

Das VNS reguliert sämtliche Vitalfunktionen. Der Sympathikus steuert die Körperfunktionen während körperlicher Anstrengung, Stress oder emotionalen Belastungen. In diesen Situationen stellt der Körper alle Ressourcen den Funktionen zur Verfügung, die für Kampf, Flucht oder Stressbewältigung lebensnotwendig sind. Der Parasympathikus hingegen wird in Zeiten der Ruhe und Erholung aktiv und ist vorrangig für den Energieaufbau, Regenerationsprozesse, Verdauung, Stärkung des Immunsystems und eine gesunde Reproduktionsfähigkeit verantwortlich.

Das vegetative Gleichgewicht

Im Zustand des "vegetativen Gleichgewichts" arbeiten Sympathikus und Parasympathikus in einem ausgewogenen Verhältnis zusammen. Dies ist der Zustand, in dem wir gesund sind. Gerät dieses System jedoch unter körperlicher oder seelischer Überlastung aus dem Gleichgewicht - charakterisiert durch ein überaktives sympathisches und ein hypoaktives parasympathisches System -, kann dies zu katastrophalen Folgen führen. Der exzessive Energieverbrauch kann zu vorzeitiger Alterung und Krankheit führen. Es ist unter medizinischen Fachleuten unstrittig, dass auf diesem Wege chronische Erkrankungen, so auch chronische Schmerzen, entstehen können.

Die VNS-Analyse: Einblick in das vegetative Nervensystem

Die VNS-Analyse ist ein wissenschaftlich anerkanntes Messverfahren, das die Regulationsfähigkeit des vegetativen Nervensystems beurteilt. Sie ermöglicht es, den Funktionszustand des VNS exakt zu erfassen und so grundlegende Erkenntnisse über mögliche Ursachen von Erkrankungen zu gewinnen. Mit der VNS-Analyse lässt sich frühzeitig erkennen, ob sich organische Störungen ankündigen, selbst wenn alle Laborparameter und Untersuchungen noch völlig normale Werte liefern.

Die Herzrhytmus-Variabilität (HRV) als Schlüssel

Die VNS-Analyse basiert auf der Aufzeichnung und Beurteilung der Herzrhytmus-Variabilität (HRV). Die HRV beschreibt die Variationen der Zeitintervalle zwischen den Herzschlägen. Eine hohe HRV deutet auf eine gute Anpassungsfähigkeit des VNS hin, während eine niedrige HRV auf eine eingeschränkte Regulationsfähigkeit hindeuten kann.

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Der Ablauf der VNS-Analyse

Die VNS-Analyse ist schmerzfrei, risiko- und nebenwirkungsfrei. Die Messung erfolgt in Ruhe (im Sitzen), in bekleidetem Zustand und dauert ca. 7 Minuten. Dabei werden spezielle Sensoren an der Haut angebracht, die die Herzfrequenz und deren natürliche Schwankungen erfassen.

Ähnlich wie beim Blutdruckmessen sollte die zu messende Person vor der Durchführung mindestens 10 Minuten ruhen. Die Messung erfolgt im Sitzen unter völliger Ruhe (nicht sprechen, bewegen) und ist abgeschlossen, sobald etwa 520 Herzschläge aufgezeichnet wurden.

Es ist wichtig zu beachten, dass körperliche Bewegung selbst in kleinen Ausmaßen die Messung negativ beeinflusst. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann die Ergebnisse verfälschen.

Die Auswertung der VNS-Analyse

Auf Basis der Messergebnisse können gezielte Empfehlungen für Maßnahmen zur Förderung der Regulationsfähigkeit gegeben werden. Die Analyse zeigt, wie gut der Körper mit Stress umgeht und wie Sympathikus und Parasympathikus ausbalanciert sind. Durch regelmäßige Messungen kann man verfolgen, wie sich das Nervensystem durch gezielte Maßnahmen verbessert.

Die VNS-Analyse bietet Betroffenen erstmals einen messbaren Parameter, der ihr Krankheitsgeschehen objektiv abbildet. Zudem lässt sich der Fortschritt unter einer erfolgreichen Therapie anhand von Kontrollmessungen dokumentieren.

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Wichtige Parameter der VNS-Analyse

  • HF (Herzfrequenz): Gibt an, wie häufig das Herz pro Minute schlägt.
  • SI (Sympathische Aktivität): Zeigt die Aktivität des Sympathikus an.
  • RMSSD (Parasympathische Aktivität): Zeigt die Aktivität des Parasympathikus an.
  • Alpha 1: Zeigt die Interaktion der einzelnen vegetativen Regelkreise und somit die Qualität der Regulation an. Niedrige Werte (< 0,75) in Ruhe gelten als prognostisch ungünstig und können auf erhöhte Risiken hinweisen.
  • SDNN (Standard Deviation Normal to Normal): Gibt den Mittelwert der Variabilität an und besteht aus sympathischen und parasympathischen Anteilen.

Visualisierung der Ergebnisse

Die visuelle Darstellung der Ergebnisse, oft mit Ampelfarben, erleichtert die schnelle und intuitive Bewertung der Messergebnisse und spart Zeit. Auf einen Blick zeigt die VNS Analyse zum Beispiel, ob „Alles im grünen Bereich“ ist - oder ob die sympathische Aktivität viel zu hoch ist und der Parasympathikus fast nicht mehr aktiv ist. Die visuelle, auch für Laien verständliche Darstellung spart Zeit und erhöht die Akzeptanz auf Patientenseite.

Anwendungsbereiche der VNS-Analyse

Die VNS-Analyse wird für eine Vielzahl an Erkrankungen, Störungsbildern, Symptomen sowie zur Prävention empfohlen. Sie kann ergänzend eingesetzt werden bei:

  • Erschöpfung und anhaltender Müdigkeit
  • Schlafproblemen
  • Stressbedingten Beschwerden
  • Herz-Kreislauf-Belastungen
  • Regeneration nach Erkrankungen
  • Burn-out-Syndrom und psychovegetativen Erkrankungen
  • Analyse von Übertraining bei Sportlern
  • Chronischen Erkrankungen

Beispielsweise kann bei Bluthochdruck-Patienten anhand der VNS-Analyse überprüft werden, ob der Sympathikus noch überaktiv ist und die Medikation entsprechend angepasst werden sollte.

Vorsorge und frühzeitige Erkennung

Der VNS-Analyse kommt vor allem im Rahmen der Vorsorge eine wichtige Bedeutung zu, da Regulationsstörungen erkannt und behandelt werden können, bevor Funktionsstörungen oder chronische Erkrankungen entstehen. Sie gehört daher zu einer umfassenden Vorsorgeuntersuchung dazu.

Stressbewältigung und Resilienz

Ein gut reguliertes vegetatives Nervensystem trägt zur Stressbewältigung, Herz-Kreislauf-Gesundheit und allgemeinen körperlichen sowie mentalen Resilienz bei. Die VNS-Analyse kann ergänzend eingesetzt werden, um Hinweise auf die individuelle Stressbelastung und Regulationsfähigkeit des Körpers zu erhalten.

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Chronische Erkrankungen und Therapiebegleitung

Die Messung kann helfen zu beurteilen, ob eine Therapie das vegetative Nervensystem positiv beeinflusst oder noch Anpassungen notwendig sind.

Methoden zur Verbesserung des VNS

Durch Therapien, die den Funktionszustand des VNS verbessern, lassen sich positive Effekte erzielen. Die VNS-Analyse kann dabei helfen, die Wirksamkeit dieser Therapien zu überprüfen.

Ein wichtiger Ansatz ist die Beeinflussung des VNS durch bewusste Atmung. Durch einen speziellen Atemrhythmus lassen sich die Anspannungs- und Entspannungswerte wieder ins Gleichgewicht bringen. Im Normalfall sind das sechs Atemzüge pro Minute.

Die VNS-Analyse als Biofeedback-Methode

Die VNS-Analyse fällt unter die Methoden des Biofeedbacks. Das bedeutet: Ein Patient führt bewusst eine Handlung aus - hier eine ruhige Atmung - und kann direkt auf einem Bildschirm die Erfolge dessen sehen. Das hilft ihm, ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, welch positive Einflüsse eine bewusste Atmung auf den Körper haben.

Kritische Betrachtung

Inwieweit die VNS-Analyse bei allen genannten Indikationen wirklich gerechtfertigt ist, wird sich erst noch zeigen. Es ist wichtig, die Ergebnisse der VNS-Analyse im Kontext der individuellen Krankengeschichte und weiterer Untersuchungen zu interpretieren.

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