Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form der Demenz, ist seit über einem Jahrhundert ein ungelöstes Rätsel. Seit Alois Alzheimer im Jahr 1906 auf der "37. Versammlung Südwestdeutscher Irrenärzte" in Tübingen über eine Patientin mit Gedächtnisverlust und ungewöhnlichen Hirnveränderungen berichtete, suchen Forschende nach den Ursachen und Therapiemöglichkeiten dieser Krankheit.
Die "Alzheimer-Lüge": Nehls' These
Dr. Michael Nehls, Arzt und Molekulargenetiker, stellt in seinem Buch "Die Alzheimer-Lüge" eine provokante These auf: Alzheimer-Demenz sei keine natürliche Begleiterscheinung des Alterns, sondern die Folge eines ungesunden Lebensstils. Er argumentiert, dass Veränderungen unseres modernen Lebensstils, wie beispielsweise mangelnde körperliche und soziale Aktivität, sowie ein Verlust des Lebenssinns, eine entscheidende Rolle spielen.
Nehls fasst Forschungsergebnisse der letzten Jahre zusammen und interpretiert sie neu. Er betont, dass Nervenzellen im Hippocampus, der Erinnerungsschaltstelle des Gehirns, lebenslang neu wachsen können - aber nur bei entsprechenden Impulsen von außen. Bleiben diese Impulse aus, schrumpft diese Hirnstruktur, was letztendlich zu einem Niedergang der Nervenzellen im gesamten Gehirn führt.
Regionale Unterschiede im Alzheimer-Risiko
Statistiken untermauern Nehls' These. So haben Männer im japanischen Okinawa ein fünffach geringeres Alzheimer-Risiko als gleichaltrige Männer in den USA. Ähnliche Unterschiede lassen sich zwischen den USA und Nigeria feststellen. Diese Beobachtungen legen nahe, dass Umweltfaktoren und Lebensweise einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung von Alzheimer haben. Grant WB. wies auf die Bedeutung von Entwicklungsfaktoren hin.
Physiologische Mechanismen und der Hippocampus
Nehls nimmt sich viel Zeit, die physiologischen Mechanismen hinter seiner These zu erklären. Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle für das Gedächtnis und die autobiografische Erinnerung. Alkass K. et al. zeigten die Dynamik der Hippocampus-Neurogenese bei erwachsenen Menschen. Leonardo ED. fragt, ob junge Hippocampus-Neuronen eine Rolle bei der Anpassung an Stress spielen. Wenn der Hippocampus schrumpft, kann dies zu mittelfristigen Veränderungen führen, die in AD-typischen neuropathologischen und kognitiven Veränderungen enden. Braak E. beschreibt die Evolution der Neuropathologie der Alzheimer-Krankheit.
Lesen Sie auch: Erfahrungen mit Dr. med. Michael Kraus: Eine Analyse
Lebensstilfaktoren und Prävention
Für Nehls ist eine medikamentöse Heilung von Alzheimer nicht zu erwarten, da Medikamente kein Fehlverhalten korrigieren können. Stattdessen betont er die Bedeutung von Prävention durch einen gesunden Lebensstil. Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum, Depressionen, Rauchen und Bildungsmangel treiben die grauen Zellen in Richtung Demenz.
Er betont den Wert einer umfassenden, als sinnvoll und erfüllend empfundenen Verankerung im Leben und rät von sterilem Training ab. Eine solche Verankerung umfasst körperliche und soziale Aktivitäten sowie einen Sinn im Leben.
Therapieansätze nach Nehls (ATnN)
Basierend auf seinen Erkenntnissen hat Nehls die "Alzheimer-Therapie nach Nehls" (ATnN) entwickelt. Diese Therapieform setzt auf eine Kombination aus Ernährungsumstellung, Bewegung, sozialer Interaktion und kognitiver Stimulation.
Kontroverse und Kritik
Nehls' Thesen sind nicht unumstritten. Einige Wissenschaftler kritisieren seine vereinfachende Darstellung der komplexen Ursachen von Alzheimer. Dennoch hat sein Buch eine breite Diskussion über die Bedeutung des Lebensstils für die Prävention von Demenz angestoßen.
Weitere Forschungsansätze und Therapieoptionen
Während Nehls die Bedeutung des Lebensstils betont, gibt es auch andere vielversprechende Forschungsansätze und Therapieoptionen.
Lesen Sie auch: Schlaganfall-Überlebender Michael Hartl erzählt seine Geschichte
Amyloid-β-Peptide
Ein zentraler Ansatzpunkt der Alzheimer-Forschung ist das Amyloid-β-Peptid (Aβ). Arancio O. wirft die Frage auf, ob Aβ eher Dr. Jekyll oder Mr. Hyde ist. Lipton SA. et al. untersuchen die durch oligomeres Aβ induzierte synaptische Dysfunktion bei Alzheimer. Bussière T. et al. zeigen, dass der Antikörper Aducanumab Aβ-Plaques bei Alzheimer reduziert. Duff KE. et al. beschäftigen sich mit den Mechanismen der Protein-Seeding bei neurodegenerativen Erkrankungen. Mensinger ZL. et al. untersuchen gereinigte und synthetische Alzheimer-Amyloid-beta (Aβ)-Prionen.
Medikamentöse Therapie
Trotz Rückschlägen in der Entwicklung von Medikamenten gibt es weiterhin Hoffnung. So wurde beispielsweise Acitretin als Therapiemöglichkeit diskutiert. Auch Lithium, das in einer Harvard-Studie den Gedächtnisverlust von Mäusen umkehren konnte, wird als potenzielles Therapeutikum untersucht. Araki Y. et al. fanden ein geringes Risiko für männlichen Suizid und Lithium im Trinkwasser. Terao T. fragt, ob Lithium möglicherweise ein Spurenelement ist.
Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel
Die Rolle von Ernährung und Nahrungsergänzungsmitteln bei der Prävention und Behandlung von Alzheimer wird ebenfalls intensiv untersucht. So wird beispielsweise die Bedeutung von Vitamin D diskutiert. Yang R. et al. untersuchen D3 (1,25-(OH)2 D3). IA. et al. untersuchen den Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem Risiko von Demenz und Alzheimer. Auch die potenziellen Vorteile von Kakao, Kaffee und Kokosöl werden diskutiert. Nowak G. untersucht die Rolle von Zink bei neurodegenerativen Entzündungsprozessen bei Depressionen.
Bedeutung eines erfüllten Lebens
Nehls betont den Verlust des Lebenssinns als einen wichtigen Faktor bei der Entstehung von Alzheimer. Er argumentiert, dass ein erfülltes Leben mit sozialen Kontakten, sinnvollen Aktivitäten und einem Gefühl der Zugehörigkeit dazu beitragen kann, das Gehirn gesund zu halten. Helle S. betont die Fitnessvorteile einer verlängerten postreproduktiven Lebensspanne bei Frauen. Kaplan H. untersucht die Langlebigkeit bei Jägern und Sammlern in einer interkulturellen Studie. Conner TS, Richardson AC, Miller JC. untersuchen negative Stimmungen bei jungen Erwachsenen.
Lesen Sie auch: Alzheimer-Demenz: Aktuelle Forschungsergebnisse