Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), zu denen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören, sind komplexe Erkrankungen, die nicht nur den Verdauungstrakt betreffen, sondern auch Auswirkungen auf andere Organsysteme haben können. Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass CED-Patienten einem erhöhten Risiko für verschiedene Komplikationen ausgesetzt sind, darunter auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet das erhöhte Schlaganfallrisiko bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, basierend auf aktuellen Studien und Metaanalysen.
Der Zusammenhang zwischen CED und Schlaganfall
Eine Metaanalyse von 13 Studien mit über 2,8 Millionen Teilnehmern hat gezeigt, dass CED mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden ist. Die Analyse ergab, dass Menschen mit CED im Allgemeinen ein um 30 % höheres Schlaganfallrisiko haben. Interessanterweise war das Risiko bei Morbus-Crohn-Patienten mit einem Anstieg von 35 % höher als bei Colitis-ulcerosa-Patienten, bei denen das Risiko um 15 % erhöht war.
Diese Ergebnisse deuten auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen im Darm und dem Auftreten von Schlaganfällen hin. Es wird angenommen, dass die chronische Entzündung, die bei CED auftritt, einen Zustand der Hyperkoagulation (verstärkte Blutgerinnung) auslöst, der das Schlaganfallrisiko erhöht.
Weitere Risikofaktoren und Komplikationen bei CED
Neben dem erhöhten Schlaganfallrisiko sind CED-Patienten auch anfälliger für andere Komplikationen und Begleiterkrankungen. Eine Metaanalyse mit über 417.000 Studienteilnehmern ergab, dass die Prävalenz von Osteoporose bei CED-Patienten bei 12,2 % liegt. Darüber hinaus besteht ein wechselseitiges Risiko zwischen Hidradenitis suppurativa und CED, wie eine groß angelegte retrospektive Kohortenstudie mit über 3,5 Millionen Menschen zeigte.
Neuere Forschungsdaten deuten auch darauf hin, dass CED-Patienten ein signifikant erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz aufweisen. Zudem sind sie häufiger einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt als Menschen mit Colitis ulcerosa. Eine weitere Metaanalyse ergab, dass fast ein Drittel der CED-Patienten an einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms (SIBO) leiden, was die Wahrscheinlichkeit für SIBO im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen um das 5,25-Fache erhöht.
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CED und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass CED nicht nur den Darm betrifft, sondern auch das Herz-Kreislauf-System beeinflussen kann. Patienten mit CED erleiden deutlich häufiger einen Herzinfarkt, insbesondere in jüngeren Jahren. Chronische Entzündungen schädigen die Blutgefäße und erhöhen das Risiko für steife und verengte Arterien (Arteriosklerose), was wiederum Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Herzschwäche oder Schlaganfall begünstigt.
Eine Studie mit 17,5 Millionen Patienten ergab, dass die Herzinfarktrate bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa doppelt so hoch war wie bei den übrigen Teilnehmern. Selbst nach Berücksichtigung anderer Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte und Rauchen blieb eine Risikosteigerung von 23 % bestehen.
CED bei jüngeren Patienten: Ein besonderes Risiko
Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sich häufig bereits im Alter zwischen 15 und 30 Jahren ausprägen. Die dauernden Entzündungen schädigen die Gefäße also bereits früh, was die Arterien viel früher altern lässt als gewöhnlich. Eine Studie fand für jüngere Patienten sogar ein neunfach höheres Herzinfarkt-Risiko als gewöhnlich. Frauen unter 40 waren noch gefährdeter als Männer in dieser Altersgruppe, da bei ihnen die chronischen Darmentzündungen meist schwerer verlaufen und die Gefäßschäden gravierender sind.
Obwohl Herzinfarkte in dieser Altersgruppe insgesamt selten sind, sollten Ärzte Infarktsymptome wie Brustschmerzen bei jüngeren CED-Patienten sehr ernst nehmen. Zudem sollten bei ihnen zusätzliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen so weit wie möglich minimiert werden.
Implikationen für die Behandlung und Prävention
Die Erkenntnisse über das erhöhte Schlaganfallrisiko und andere kardiovaskuläre Komplikationen bei CED haben wichtige Implikationen für die Behandlung und Prävention. Die Autoren einer Studie empfehlen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologen und Kardiologen, um ein integriertes Behandlungsmodell für CED-Patienten zu entwickeln.
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CED-Patienten sollten über die Risiken von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgeklärt werden und ihren Lebensstil entsprechend anpassen. Dazu gehören eine herzgesunde Ernährung, regelmäßige sportliche Betätigung, Verzicht aufs Rauchen und das Erlernen von Entspannungstechniken.
Weitere Forschung und Ausblick
Obwohl die aktuellen Studien wichtige Erkenntnisse liefern, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die genauen Mechanismen zu verstehen, die dem Zusammenhang zwischen CED und Schlaganfall zugrunde liegen. Zukünftige Studien sollten sich auf die Identifizierung von Biomarkern konzentrieren, die das Schlaganfallrisiko bei CED-Patienten vorhersagen können, sowie auf die Entwicklung gezielter Präventionsstrategien.
Es ist auch wichtig, die Auswirkungen verschiedener CED-Behandlungen auf das Schlaganfallrisiko zu untersuchen. Eine aktuelle Metaanalyse deutete beispielsweise darauf hin, dass die Behandlung mit Vedolizumab bei CED-Patienten nicht mit einem signifikant erhöhten Risiko für Gelenkbeschwerden wie Arthralgie oder Arthritis verbunden ist. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die langfristigen Auswirkungen anderer Medikamente und Therapien auf das Herz-Kreislauf-System zu bewerten.
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