Morbus Parkinson, auch bekannt als Schüttellähmung, ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft. In Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen. Die Krankheit beeinträchtigt die unwillkürlichen Bewegungsabläufe und führt zu Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit, verlangsamten Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen. Die Pflege von Parkinson-Patienten erfordert ein tiefes Verständnis der Krankheit, ihrer Symptome und der individuellen Bedürfnisse des Betroffenen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Pflege von Morbus Parkinson unter Berücksichtigung der Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des täglichen Lebens (AEDL).
Was ist Morbus Parkinson?
Morbus Parkinson ist eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn, die den Botenstoff Dopamin produzieren, absterben. Dopamin ist wichtig für die Bewegungssteuerung, und sein Mangel führt zu den typischen Parkinson-Symptomen. Die Ursachen für das Absterben der Nervenzellen sind in den meisten Fällen unbekannt (idiopathisches Parkinson-Syndrom). In selteneren Fällen können auch andere Erkrankungen, Medikamente oder Vergiftungen Parkinson-ähnliche Symptome auslösen (sekundäres Parkinson-Syndrom).
Typische Symptome von Morbus Parkinson
Die Symptome von Parkinson beginnen meist schleichend und einseitig und werden im Laufe der Zeit ausgeprägter. Zu den klassischen Hauptsymptomen gehören:
- Bradykinese: Verlangsamung der Bewegungen, plötzliches "Einfrieren" (Freezing) und Schwierigkeiten, Bewegungen abzubremsen.
- Ruhetremor: Unwillkürliches Zittern, meist einseitig an den Händen.
- Rigor: Muskelsteifheit, die zu einer vorgebeugten Körperhaltung führen kann.
- Gleichgewichtsstörungen: Schwierigkeiten, die Haltung zu korrigieren oder eine neue Haltung einzunehmen.
Zusätzlich können weitere Symptome auftreten, wie z.B. Sprach- und Schluckstörungen, Schlafstörungen, Depressionen und geistige Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz.
Die Bedeutung der AEDL in der Parkinson-Pflege
Das Pflegemodell nach Monika Krohwinkel, das die Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des täglichen Lebens (AEDL) umfasst, bietet einen ganzheitlichen Ansatz für die Pflege von Menschen mit Parkinson. Es berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Betroffenen und zielt darauf ab, seine Selbstständigkeit und Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten. Die AEDL umfassen unter anderem:
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- Kommunizieren: Sprachprobleme, verminderte Mimik und Gestik können die Kommunikation erschweren.
- Sich bewegen: Bradykinese, Rigor und Gleichgewichtsstörungen schränken die Mobilität ein.
- Vitale Funktionen aufrechterhalten: Atemprobleme, Kreislaufstörungen und Störungen der Thermoregulation können auftreten.
- Sich pflegen: Zittern, Muskelsteifheit und verlangsamte Bewegungen erschweren die Körperpflege.
- Essen und trinken: Schluckstörungen, langsames Kauen und Zittern können die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen.
- Ausscheiden: Inkontinenz und Verstopfung können auftreten.
- Sich kleiden: Feinmotorische Schwierigkeiten erschweren das An- und Ausziehen.
- Ruhen und schlafen: Schlafstörungen sind häufig.
- Sich beschäftigen: Antriebslosigkeit und Interessenverlust können auftreten.
- Soziale Bereiche sichern: Isolation und Rückzug können die Folge sein.
- Mit existenziellen Erfahrungen umgehen: Angst, Hilflosigkeit und Depressionen können auftreten.
Pflegerische Maßnahmen nach AEDL
Die pflegerischen Maßnahmen bei Morbus Parkinson sollten individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Betroffenen abgestimmt sein. Im Folgenden werden einige Beispiele für pflegerische Maßnahmen nach AEDL aufgeführt:
Kommunizieren
- Geduld und Verständnis zeigen.
- Dem Bewohner Zeit geben, sich auszudrücken.
- Ermutigen, langsam und deutlich zu sprechen.
- Bei Bedarf alternative Kommunikationsmittel einsetzen (z.B. Tabletcomputer, Bildkarten).
- Gemeinsames Singen und Sprechübungen durchführen, um die Sprachqualität zu verbessern.
- Sofern eine gute Vertrauensbasis vorhanden ist, kann die Pflegekraft kurze Briefe u. Ä. schreiben, wenn der Bewohner selbstständig etwas niederzuschreiben.
- Gegebenenfalls akustische Signale geben, um die Kommunikation zu erleichtern.
- Den Intellekt des Bewohners berücksichtigen und ihn in Entscheidungen einbeziehen.
Sich bewegen
- Mobilität fördern durch regelmäßige Bewegung und Physiotherapie.
- Sturzprophylaxe durchführen (z.B. Stolperfallen beseitigen, für gute Beleuchtung sorgen, Gehhilfen bereitstellen).
- Bewohner bei Bedarf beim Gehen unterstützen (z.B. am Rumpf umfassen, Spezialstöcke mit ausklappbarem Querstock).
- Bewohner ermutigen, die Arme beim Gehen mitzuschwingen.
- Übungen nicht unter Zeitdruck durchführen lassen.
- Gemeinsam mit dem Physiotherapeuten ein individuelles Gymnastikprogramm erstellen.
- Bewohner zur Teilnahme an Gruppengymnastik motivieren.
- Entspannungstechniken vermitteln, um Unruhe entgegenzuwirken.
- Ursachen für Mobilitätseinschränkungen erkennen und beseitigen.
- Bei Blockaden Spezialstöcke mit ausklappbarem Querstock einsetzen.
- Bewohner einen Ball vor sich herrollen lassen, um die Bewegung zu fördern.
- Rollator bei Startschwierigkeiten nutzen.
Vitale Funktionen aufrechterhalten
- Atemübungen täglich durchführen lassen.
- Bewohner zum Singen animieren.
- Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
- Kreislauf stabilisieren durch "Kneippmedizin" (z.B. Wechselduschen).
- Mitbewohner sollten den Kontakt mit dem Bewohner meiden, um Infektionen vorzubeugen.
- Blutdruck Schritt für Schritt anpassen, um Kreislaufprobleme zu vermeiden.
- Bei verminderter Hitzetoleranz für eine angepasste Umgebungstemperatur sorgen.
Sich pflegen
- Bewohner zur Selbstständigkeit bei der Körperpflege ermutigen.
- Zeitdruck und Stress vermeiden.
- Badezimmer ausreichend beheizen.
- Elektrozahnbürste empfehlen.
- Spiegel im Bad nutzen lassen.
- Bewohner dazu raten, die Ellenbogen beim Waschen und Zähneputzen aufzustützen.
- Auf eine gründliche Intimhygiene achten.
- Haut sorgfältig abtrocknen.
- Bei starkem Schwitzen ggf. Intertrigo-Prophylaxe durchführen.
- Haare regelmäßig waschen und ggf. Anti-Schuppen-Shampoo verwenden.
- Augenentzündungen durch Tränenersatzpräparate vorbeugen.
- Parotitisprophylaxe intensivieren.
- Bei Schwierigkeiten beim Rasieren eine Trockenrasur mittels Elektrorasierer empfehlen.
Essen und trinken
- Auf eine ausgewogene Ernährung achten.
- Bei Schluckbeschwerden die Konsistenz der Nahrung anpassen (z.B. pürierte Kost, Andicken von Flüssigkeiten).
- Kleine Bissen anbieten und sorgfältiges Kauen fördern.
- Härteres Gebäck in Kaffee oder Tee eintauchen.
- Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt anbieten.
- Flüssigkeitsreiche Kost empfehlen.
- Bei Übelkeit und Erbrechen ggf. einen Ernährungsberater hinzuziehen.
- Bewohner zum Verzicht auf Rauchen und scharfe Gerichte auffordern.
- Bei Alkoholkonsum dringend zum Einstellen raten.
- Medikamente zeitlich auf die Mahlzeiten abstimmen (z.B. 30-60 Minuten nach einer eiweißreichen Mahlzeit).
- Löffel statt Gabel anbieten.
- Becher mit Henkeln verwenden.
- Bei Bedarf Mahlzeiten als mundgerecht zugeschnittene Happen anbieten.
Ausscheiden
- Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, um Verstopfung vorzubeugen.
- Natürliche Abführmittel nach Absprache mit dem Arzt einsetzen.
- Bei Inkontinenz Inkontinenzmaterialien verwenden und Toilettensitzerhöhung nutzen.
- Regelmäßige Toilettengänge anbieten.
- Ggf. eine Ein- und Ausfuhrbilanz führen.
Sich kleiden
- Bequeme und leicht zu öffnende Kleidung auswählen (z.B. mit Klettverschlüssen statt Knöpfen).
- Schuhe mit Klettverschlüssen statt Schnürsenkeln verwenden.
- Großen Spiegel beim Anziehen nutzen lassen.
- Im Sommer auf atmungsaktive Kleidung achten.
- Im Winter vor Erkältungen schützen.
- Knöpfe auf den Knopflöchern annähen, damit der Bewohner hier schummeln kann.
Ruhen und schlafen
- Für eine ruhige und entspannende Schlafumgebung sorgen.
- Regelmäßige Schlafzeiten einhalten.
- Bettwäsche verwenden.
- Auf eine geeignete Matratze achten (nicht zu weich).
- Bei Bedarf Nachtwäsche und Bettwäsche bei Schweißausbrüchen wechseln.
- Für eine gute Lagerung sorgen und den Bewohner alle zwei bis drei Stunden umlagern.
- Aufrichtevorrichtung über dem Bett anbringen.
- Ruhe- und Schlafpausen im Tagesverlauf einplanen.
Sich beschäftigen
- Bewohner zu körperlichen und geistigen Aktivitäten ermutigen.
- Interessen und Fähigkeiten des Bewohners berücksichtigen.
- Sinnvolle Beschäftigungen anbieten, die den körperlichen Ressourcen entsprechen.
- Bewohner zur Teilnahme an sozialen Aktivitäten motivieren.
Soziale Bereiche sichern
- Kontakt zu Familie und Freunden fördern.
- Bewohner zur Teilnahme an Gruppenaktivitäten ermutigen.
- Für eine sichere Umgebung sorgen (z.B. Stolperfallen beseitigen, für gute Beleuchtung sorgen).
- Bettgitter bei Bedarf anbringen, aber darauf achten, dass der Bewohner nicht versucht, über die Gitterstäbe zu klettern.
- Vor den Türen Schilder anbringen, um die Orientierung zu erleichtern.
Mit existenziellen Erfahrungen umgehen
- Offen und ehrlich mit dem Bewohner über seine Erkrankung sprechen.
- Ängste und Sorgen ernst nehmen.
- Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung anbieten (z.B. durch Gespräche, Selbsthilfegruppen).
- Entspannungstechniken vermitteln.
- Für eine positive und wertschätzende Atmosphäre sorgen.
- Taktvolles Verhalten zeigen und den Bewohner nicht auslachen.
- Über das Krankheitsbild informieren.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist ein wichtiger Bestandteil der Parkinson-Behandlung. Ziel ist es, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen oder die Symptome zu lindern. Es gibt verschiedene Medikamente, die eingesetzt werden können, wie z.B. L-Dopa, Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer und COMT-Hemmer.
Es ist wichtig, dass die Medikamente pünktlich und in der richtigen Dosierung eingenommen werden, um sogenannte On-Off-Schwankungen zu vermeiden. Die Medikamente dürfen nicht zusammen mit eiweißhaltigen Produkten eingenommen werden, da diese die Aufnahme stören können.
Komplementäre Therapien
Ergänzend zur medikamentösen Therapie können komplementäre Therapien eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehören:
- Physiotherapie: zur Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination.
- Logopädie: zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
- Ergotherapie: zur Verbesserung der Alltagskompetenzen.
- Entspannungstechniken: zur Reduzierung von Stress und Angst.
- Musiktherapie: zur Verbesserung der Stimmung und des Wohlbefindens.
Wohnraumanpassung
Eine Anpassung der Wohnumgebung kann dazu beitragen, die Selbstständigkeit und Sicherheit von Menschen mit Parkinson zu erhalten. Dazu gehören:
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- Stolperfallen beseitigen (z.B. Teppiche, Kabel).
- Für gute Beleuchtung sorgen.
- Haltegriffe im Bad anbringen.
- Treppenlifte oder Rampen installieren.
- Genügend Platz zum Gehen (auch mit Rollator) schaffen.
Unterstützung für Angehörige
Die Pflege eines Menschen mit Parkinson kann für Angehörige sehr belastend sein. Es ist wichtig, dass sie sich Unterstützung suchen, z.B. durch:
- Beratungsstellen.
- Selbsthilfegruppen.
- Pflegedienste.
- Tagespflegeeinrichtungen.
- Verhinderungspflege.
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