Morbus Whipple, auch bekannt als Whipple-Krankheit, ist eine seltene, chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei ausgelöst wird. Die Erkrankung betrifft vor allem den Dünndarm, kann aber auch andere Organe wie Gelenke, Herz, Gehirn und Nervensystem in Mitleidenschaft ziehen. Unbehandelt kann Morbus Whipple tödlich verlaufen, aber mit einer frühzeitigen Diagnose und angemessenen antibiotischen Behandlung ist die Krankheit in der Regel heilbar.
Was ist Morbus Whipple?
Morbus Whipple ist eine sehr seltene Erkrankung. Sie wurde erstmals 1907 von George H. Whipple beschrieben. Hauptsächlich betroffen sind Männer im Alter von 30 bis 60 Jahren. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 55 Jahren.
Die Krankheit wird durch das Bakterium Tropheryma whipplei verursacht. Dieses ist in der Umwelt weit verbreitet, zum Beispiel in Abwässern. Wie der Erreger auf den Menschen übertragen wird oder ob eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich ist, ist noch nicht vollständig geklärt. Das Bakterium befällt in erster Linie den Darm und führt neben chronischen Durchfällen zu einer beeinträchtigten Nährstoffaufnahme. Diese geht bei vielen Betroffenen mit einem starken Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen einher. Oft zieht die Infektion aber auch andere Organe und Gewebe in Mitleidenschaft, insbesondere die Gelenke, das Herz und das Nervensystem.
Es ist nicht bekannt, warum nur so wenige Menschen an Morbus Whipple erkranken, denn der Erreger lässt sich bei bis zu vier Prozent der Bevölkerung nachweisen. Er verursacht jedoch mehrheitlich keine Beschwerden oder nur eine kurzfristige Infektion, die von allein ausheilt. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zu dem für Morbus Whipple typischen chronischen Verlauf. Es wird vermutet, dass spezielle Wirtsfaktoren eine Voraussetzung für das Auftreten der Erkrankung sind, wie Mechanismen der geschwächten Immunabwehr.
Ursachen von Morbus Whipple
Ursache von Morbus Whipple ist eine Infektion mit dem Erreger Tropheryma whipplei. Das Bakterium ist weit verbreitet und kommt unter anderem in Abwässern vor. Der genaue Übertragungsweg ist nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass die Infektion über kontaminierte Umweltquellen (z. B. Abwässer) erfolgt. Die Eintrittspforte für Tropheryma whipplei könnte der Magen-Darm-Trakt sein, da die primären Symptome häufig im Dünndarm auftreten.
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Die Ansteckungskraft von Tropheryma whipplei wird als gering eingeschätzt, da die Erkrankung extrem selten ist und keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt ist.
Symptome von Morbus Whipple
Die Symptome von Morbus Whipple entwickeln sich in der Regel schleichend. Die Beschwerden bei Morbus Whipple sind vielfältig. Zu den häufigsten Symptomen zählen:
- Durchfälle
- Gewichtsverlust
- Mangelerscheinungen
- Gelenkbeschwerden (Arthralgien oder Arthritiden)
- Abdominelle Beschwerden
Meist gehen dem Vollbild des Morbus Whipple Arthralgien oder Arthritiden um Jahre voraus, wobei es sich grösstenteils um intermittierende, wandernde Arthritiden der grossen Gelenke handelt, die nicht mit Gelenkdestruktion oder Autoantikörperpositivität einhergehen (insbesondere Rheumafaktor- und anti-CCP-negativ).
Auch das Gehirn kann von Morbus Whipple befallen sein. Neurologische Symptome der Erkrankung sind Gedächtnis-, Seh- und Bewegungsstörungen, welche sich zum Beispiel durch Kopfschmerzen, Blicklähmungen oder unwillkürliche Muskelzuckungen äußern.
Grundsätzlich kann jedes Organ beim Morbus Whipple betroffen sein.
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Diagnose von Morbus Whipple
Erste Hinweise auf Morbus Whipple liefern bereits die typischen Symptome, insbesondere die Kombination aus Gelenkbeschwerden, Durchfall und anderen Darmbeschwerden.
Bei der körperlichen Untersuchung stellt der Arzt neben geschwollenen Lymphknoten und Wassereinlagerungen häufig eine vergrößerte Leber und Milz fest. Ist das Herz in Mitleidenschaft gezogen, sind beim Abhorchen unter Umständen Herzgeräusche zu hören.
Auch eine Blutuntersuchung liefert bei Morbus Whipple wichtige Hinweise. So sind bei den Betroffenen zwei wichtige Entzündungswerte erhöht, nämlich das C-reaktives Protein (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit. Aufgrund der gestörten Nährstoffaufnahme entwickeln viele Patienten und Patientinnen eine Blutarmut, die sich ebenfalls durch eine Blutabnahme feststellen lässt. Laboranalytisch zeigen sich oft unspezifische Veränderungen mit Erhöhung der Entzündungsparameter im Blut (CRP, BSG), mit Anämie, Leukozytose und Eosinophilie. Die antinukleären Antikörper, Anti-CCP-Antikörper und die Rheumafaktorbestimmung fallen im Allgemeinen negativ aus.
Die endgültige Diagnose erfolgt meist nach einer Darmspiegelung, bei der eine kleine Gewebeprobe (Biopsie) aus der Darmschleimhaut entnommen wird. Darin lassen sich bei Morbus Whipple mithilfe einer speziellen Färbung (PAS-Färbung) große Mengen an Makrophagen nachweisen. Das sind Fresszellen des Immunsystems, die den Erreger im Rahmen der Immunabwehr aufnehmen und dadurch unschädlich machen. Histologisch sind extrazelluläres Lipid und PAS-positive Makrophagen nachweisbar. Zum Ausschluss einer Mykobakteriose sollte eine Ziehl-Neelsen-Färbung durchgeführt werden.
Zusätzlich lässt sich mithilfe der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR) die Erbsubstanz des Erregers nachweisen. Bei gastrointestinal gesicherter Diagnose eines Morbus Whipple ist immer eine PCR des Liquors zu empfehlen, da häufig ein asymptomatischer ZNS-Befall vorliegt (bis zu 40 %).
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Behandlung von Morbus Whipple
Zur Behandlung von Morbus Whipple kommen Antibiotika zum Einsatz. Da der Erreger in das zentrale Nervensystem vordringen kann, erhalten Betroffene in der Regel Wirkstoffe, die in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Obwohl die Antibiotika in der Regel rasch anschlagen und schnell zu einer Linderung der Beschwerden führen, ist die Therapie zeitaufwendig. Betroffene müssen die verordneten Medikamente in der Regel für ein Jahr konsequent einnehmen, um Rückfälle zu verhindern. Im Allgemeinen wird aktuell eher eine 14-tägige intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon (2g/Tag), gefolgt von einer einjährigen Therapie mit Cotrimoxazol (960mg 2x/Tag), empfohlen. Alternativ zu Ceftriaxon kann auch Meropenem (3x 1g/Tag) eingesetzt werden. Andere Autoren empfehlen eine zwölfmontige Therapie mit Doxycyclin (2x 100mg/Tag) und Hydroxychloroquin (3x 200mg/Tag). Bei zerebralem Befall sollte auch der begleitende Einsatz von Steroiden evaluiert werden, um ein Hirnödem zu behandeln bzw. den Hirndruck zu senken.
Wenn Betroffene aufgrund der Darmbeschwerden Mangelzustände aufweisen, werden auch Vitamine, Salze und Spurenelemente verabreicht.
Therapien führen oft bereits nach wenigen Tagen zu einer Besserung der Darm- und Gelenksymptome. Sind Bereiche im Gehirn von der Krankheit betroffen, schlagen Antibiotika-Therapien oftmals schlechter an. Auch Jahre nach der Behandlung kann es zu einem Wiederaufflammen (Rezidiv) kommen, betroffen ist dann häufig das zentrale Nervensystem.
Kontrolluntersuchungen sollten im ersten Jahr nach 6 und 12 Monaten, im Weiteren jährlich über mindestens 3 Jahre, wenn möglich lebenslang, stattfinden.
Verlauf von Morbus Whipple
Bei den meisten Menschen verursacht Tropheryma whipplei keine Beschwerden, da das Immunsystem das Bakterium erfolgreich bekämpft. Nur sehr selten gelingt es der Immunabwehr nicht, die Infektion unter Kontrolle zu bringen. Dann breitet sich der Erreger im Organismus aus und es kommt es zu einem chronischen Krankheitsverlauf, bei dem zahlreiche Organe in Mitleidenschaft geraten können.
Unbehandelt verläuft Morbus Whipple oft tödlich. Nach einer Antibiotika-Behandlung ist die Prognose hingegen relativ gut, die meisten Menschen erholen sich vollständig von der Infektion. Bei einigen Betroffenen kommt es allerdings zu Rückfällen, oft mit Befall des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark). Außerdem bleibt nach einer überstandenen Infektion manchmal eine Herzschwäche zurück. Auch neurologische Manifestationen entwickeln sich unter Umständen nicht vollständig zurück. Insgesamt ist die Prognose bei Menschen mit neurologischen Symptomen schlechter als bei Personen, bei denen das zentrale Nervensystem nicht beteiligt ist.
Eine mögliche Komplikation des Morbus Whipple ist das sogenannte inflammatorische Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS). Dabei treten während oder nach der Therapie mit Antibiotika erneut Entzündungszeichen auf. Nach Ausschluss anderer (meist infektiöser) Ursachen ist eine Therapie mit Steroiden Mittel der Wahl.
Morbus Whipple und Demenz
Morbus Whipple kann auch das zentrale Nervensystem befallen und zu neurologischen Symptomen führen, einschließlich kognitiver Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz. In der Demenzdiagnostik dient die Liquordiagnostik vorrangig dem Ausschluss entzündlicher Ursachen wie Morbus Whipple.
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