Morphiumpflaster bei Demenz: Anwendung, Risiken und Alternativen

Einführung

Die Behandlung von Schmerzen bei Demenzpatienten stellt eine besondere Herausforderung dar. Einerseits leiden Menschen mit Demenz häufig unter Schmerzen, die durch verschiedene Ursachen wie Gelenkverschleiß, Muskelverspannungen oder Infektionen bedingt sein können. Andererseits ist die Schmerzerkennung und -behandlung bei dieser Patientengruppe erschwert, da die Kommunikationsfähigkeit oft eingeschränkt ist. Opioidhaltige Schmerzpflaster, insbesondere Fentanylpflaster, werden häufig zur Schmerzlinderung eingesetzt. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Morphiumpflastern bei Demenz, die damit verbundenen Risiken und gibt Hinweise zu alternativen Behandlungsmethoden.

Schmerzen bei Demenz: Eine Herausforderung

Schmerzen treten bei Menschen mit Demenz häufig auf, werden aber oft nicht erkannt oder adäquat behandelt. Ursachen hierfür können sein:

  • Kommunikationsschwierigkeiten: Menschen mit Demenz können sich oft nicht mehr verbal mitteilen und ihre Schmerzen äußern.
  • Verhaltensänderungen: Schmerzen können sich durch subtile Verhaltensänderungen äußern, die leicht übersehen werden können, wie z.B. Unruhe, Rückzug oder Aggressivität.
  • Fehlende Schmerzerkennung: Schmerzen werden bei Menschen mit Demenz seltener erkannt und mit Schmerzmitteln behandelt als bei Menschen mit anderen Erkrankungen.

Es ist daher wichtig, aufmerksame Beobachtungen durchzuführen und Veränderungen im Verhalten der Betroffenen ernst zu nehmen. Spezielle Schmerzskalen können helfen, Schmerzen einzuschätzen. Die Beobachtungen aller betreuenden Personen sollten zusammengetragen werden, um ein umfassendes Bild zu erhalten.

Morphiumpflaster (Fentanylpflaster): Wirkweise und Anwendungsgebiete

Morphiumpflaster, insbesondere Fentanylpflaster, enthalten Opioide, die transdermal über die Haut abgegeben werden. Sie sind stark wirksame Schmerzmittel und wirken, indem sie an Opioidrezeptoren im zentralen Nervensystem binden und die Schmerzwahrnehmung reduzieren.

Fentanylpflaster sind indiziert bei:

Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick

  • Chronischen Schmerzen, die nur mit Opioidanalgetika ausreichend behandelt werden können und einer längeren, kontinuierlichen Behandlung bedürfen.
  • Patienten, die keine oralen Schmerzmittel einnehmen können, z. B. bei Schluckstörungen oder therapieresistentem Erbrechen.

Risiken und Nebenwirkungen von Morphiumpflastern bei Demenz

Die Anwendung von Morphiumpflastern bei Demenz ist mit erheblichen Risiken verbunden, die aufgrund der besonderen Vulnerabilität dieser Patientengruppe verstärkt auftreten können:

  • Überdosierung: Bei Demenzpatienten kann es leicht zu Überdosierungen kommen, insbesondere wenn sie das Pflaster selbstständig entfernen und erneut aufkleben oder wenn das Pflegepersonal versehentlich mehrere Pflaster gleichzeitig appliziert. Eine Überdosierung kann zu schwerwiegenden Komplikationen wie Atemdepression, Bewusstseinsverlust und Tod führen.
  • Nebenwirkungen: Opioide können eine Vielzahl von Nebenwirkungen verursachen, die bei Demenzpatienten besonders belastend sein können, darunter:
    • Verwirrtheit und Desorientierung: Opioide können die kognitive Funktion beeinträchtigen und zu Verwirrtheit, Desorientierung und Halluzinationen führen.
    • Sedierung: Opioide können Schläfrigkeit und Müdigkeit verursachen, was die Aktivität und Lebensqualität der Betroffenen weiter einschränken kann.
    • Atemdepression: Opioide können die Atmung verlangsamen und flacher machen, was insbesondere bei älteren und geschwächten Patienten gefährlich sein kann.
    • Verstopfung: Opioide können zu Verstopfung führen, was bei Demenzpatienten, die ohnehin oft unter Verdauungsproblemen leiden, sehr unangenehm sein kann.
    • Übelkeit und Erbrechen: Opioide können Übelkeit und Erbrechen verursachen, was zu Dehydration und Mangelernährung führen kann.
  • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten: Opioide können mit anderen Medikamenten interagieren, die Demenzpatienten einnehmen, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen kann.
  • Erhöhtes Demenzrisiko: Eine israelische Studie deutet darauf hin, dass Menschen zwischen 75 und 80 Jahren ein um 39 % höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken, wenn sie Opioide einnehmen.
  • Fehlerhafte Anwendung: Opioidhaltige Schmerzpflaster sind einfach anzuwenden, aber es muss vor jeder Anwendung überprüft werden, dass es sich um das richtige Schmerzpflaster in der richtigen Dosierung handelt. Das Schmerzpflaster wird faltenfrei auf die Haut geklebt. Dabei darf nicht auf die Klebeflächen gefasst werden. Das Pflaster darf nicht auf verletzte oder hochsensible Hautareale geklebt werden. Stark behaarte Körperstellen, die für das Aufbringen des Schmerzpflasters vorgesehen sind, sollten nicht rasiert werden. Hierbei könnte die Haut verletzt werden. Die Haare bitte nur mit einer Schere kürzen.
  • Abhängigkeitspotenzial: Opioide bergen ein Abhängigkeitspotenzial, auch wenn dies bei Demenzpatienten aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen möglicherweise weniger relevant ist.

Fallbeispiel: Ein NewsCIRS-Fall beschreibt eine Patientin mit chronischem Schmerzsyndrom und Demenz, bei der nach dem routinemäßigen Wechsel eines Fentanylpflasters das alte Pflaster unbemerkt nicht entfernt wurde. In der Folge wurde die Patientin somnolent und hypoton und musste intensiv überwacht werden. Erst die Entdeckung von zwei klebenden Fentanylpflastern führte zur Lösung des Problems.

Alternativen zu Morphiumpflastern

Angesichts der Risiken und Nebenwirkungen von Morphiumpflastern sollten alternative Behandlungsmethoden zur Schmerzlinderung bei Demenzpatienten in Betracht gezogen werden:

  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen:
    • Physiotherapie und Ergotherapie: Diese Therapien können helfen, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit zu verbessern und die Muskelkraft zu stärken.
    • Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme kann Muskelverspannungen lösen, während Kälte Entzündungen reduzieren kann.
    • Massagen: Massagen können helfen, Schmerzen zu lindern und die Entspannung zu fördern.
    • Aromatherapie: Bestimmte ätherische Öle können schmerzlindernde und beruhigende Eigenschaften haben.
    • Musiktherapie: Musik kann helfen, Schmerzen abzulenken und die Stimmung zu verbessern.
    • Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapie kann helfen, Schmerzbewältigungsstrategien zu entwickeln und die Schmerzwahrnehmung zu verändern.
  • Medikamentöse Alternativen:
    • Nicht-opioidhaltige Schmerzmittel: Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können bei leichten bis mittelschweren Schmerzen eingesetzt werden. Allerdings sollten NSAR bei älteren Menschen mit Vorsicht angewendet werden, da sie das Risiko von Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Blutungen und Nierenproblemen erhöhen können.
    • Schwach wirksame Opioide: Tramadol und Tilidin sind schwächer wirksame Opioide, die bei mittelschweren Schmerzen eingesetzt werden können. Sie haben ein geringeres Risiko für Atemdepression als stark wirksame Opioide, können aber dennoch Nebenwirkungen wie Verstopfung und Übelkeit verursachen.
    • Capsaicin-Pflaster: Capsaicin ist ein Chili-Extrakt, das in hochdosierter Form als Pflaster zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden kann. Es wirkt, indem es die Nervenenden desensibilisiert und die Schmerzwahrnehmung reduziert.
    • Antidepressiva und Antikonvulsiva: Diese Medikamente können bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden, die durch Nervenschädigungen verursacht werden.

Grundsätze für die Anwendung von Morphiumpflastern bei Demenz

Wenn die Anwendung von Morphiumpflastern bei Demenz unumgänglich ist, sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

  • Indikationsstellung: Die Indikation für ein Morphiumpflaster sollte streng geprüft werden. Es sollte nur eingesetzt werden, wenn andere Schmerzmittel und nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind.
  • Dosierung: Die Dosis sollte so niedrig wie möglich gewählt und langsam gesteigert werden, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Bei opioidnaiven Patienten sollte zunächst mit niedrig dosierten unretardierten Opioiden begonnen werden.
  • Überwachung: Die Patienten sollten engmaschig auf Nebenwirkungen wie Atemdepression, Verwirrtheit und Verstopfung überwacht werden.
  • Dokumentation: Die Schmerzintensität und die Wirkung der Schmerzmittel sollten regelmäßig dokumentiert werden.
  • Sicherheit: Die Pflaster sollten sicher aufbewahrt und entsorgt werden, um Missbrauch und versehentliche Einnahme zu verhindern.
  • Patientenaufklärung: Patienten und ihre Angehörigen sollten über die Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung aufgeklärt werden.
  • Regelmäßige Überprüfung: Die Notwendigkeit der Behandlung sollte regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin angemessen ist.

Palliativversorgung und Lebensqualität

Bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sollte der Fokus auf der Palliativversorgung liegen, die darauf abzielt, die Lebensqualität zu verbessern und Leiden zu lindern. Dazu gehört eine umfassende Schmerztherapie, die sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen umfasst. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Patienten zu berücksichtigen und ihre Autonomie zu respektieren.

Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz

Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz

tags: #Morphiumpflaster #bei #Demenz #Anwendung