MRT des Rückenmarks bei Multipler Sklerose: Ein umfassender Überblick

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn, Rückenmark und Sehnerven betrifft. Die Diagnose und Überwachung der MS stützt sich auf verschiedene diagnostische Verfahren, wobei die Magnetresonanztomographie (MRT) eine zentrale Rolle spielt. Die MRT ermöglicht die Visualisierung von Entzündungsherden und Schädigungen im Gehirn und Rückenmark, was für die frühzeitige Diagnose und die Beurteilung des Krankheitsverlaufs von entscheidender Bedeutung ist.

Grundlagen der MRT bei MS

MRT steht für Magnetresonanztomographie und ist eine bildgebende Technik, die detaillierte Bilder der Organe und Gewebe des Körpers liefert. Bei der MS wird die MRT eingesetzt, um Entzündungsherde (Läsionen) im Gehirn und Rückenmark darzustellen. Das Verfahren nutzt die magnetischen Eigenschaften von Wasserstoffatomen, die sich in einem starken Magnetfeld ausrichten. Durch das Senden von Radiowellen und das anschließende Messen der ausgesendeten Signale können detaillierte Bilder erzeugt werden. Ein wesentlicher Vorteil der MRT ist, dass keine belastende Röntgenstrahlung verwendet wird.

Vorteile der MRT

  • Keine Strahlenbelastung: Im Gegensatz zu Röntgenaufnahmen und Computertomographie (CT) ist die MRT strahlungsfrei.
  • Hohe Auflösung: Die MRT bietet eine hohe Auflösung, wodurch auch kleine Läsionen und Veränderungen im Gewebe sichtbar gemacht werden können.
  • Detaillierte Darstellung: Die MRT ermöglicht eine detaillierte Darstellung von Gehirn und Rückenmark, was für die Diagnose und Verlaufskontrolle der MS unerlässlich ist.

Der Ablauf einer MRT-Untersuchung

Die MRT-Untersuchung wird in einem röhrenförmigen Gerät durchgeführt. Der Patient liegt auf einer Liege, die in die Öffnung des MRT-Geräts gefahren wird. Während der Untersuchung ist es wichtig, ruhig zu liegen und Bewegungen zu vermeiden, um die Bildqualität nicht zu beeinträchtigen. Da das MRT-Gerät laute Klopfgeräusche verursacht, erhält der Patient einen Gehörschutz.

Die Rolle der MRT in der MS-Diagnostik

Die MRT spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose der MS. Die Diagnose kann gestellt werden, wenn im MRT an mindestens zwei typischen Stellen MS-Herde vorliegen. Die McDonald-Kriterien von 2017 betonen die Bedeutung der MRT-Bildgebung für den Nachweis der räumlichen und zeitlichen Dissemination (DIS und DIT) von Läsionen im ZNS.

McDonald-Kriterien

Seit 2001 werden die McDonald-Kriterien verwendet, die eine sichere Diagnosestellung der MS entweder rein klinisch oder unter Verwendung von paraklinischen Befunden, einschließlich Bildgebung, ermöglichen. Die Kriterien wurden mehrfach überarbeitet und vereinfacht, wobei die neueste Überarbeitung im Jahr 2017 erfolgte.

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Räumliche und zeitliche Dissemination (DIS und DIT)

Für die Diagnosestellung der schubförmigen MS sind klinische Symptome sowie der klinische oder bildgebende Nachweis einer zeitlichen und räumlichen Dissemination von ZNS-Läsionen erforderlich. Durch die Verwendung der MRT kann bereits bei einem ersten klinischen Schub mit nur einem fokal-neurologischen Defizit eine DIS nachgewiesen werden, wenn mindestens zwei Läsionen in der T2-gewichteten Bildgebung an mindestens zwei für die MS typischen Lokalisationen erkennbar sind. Als typische Lokalisationen gelten periventrikuläre, kortikale und juxtakortikale, infratentorielle und spinale Herde. Für den Nachweis von DIT genügt es, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt mindestens eine akut entzündliche Läsion nachgewiesen wird und wenn gleichzeitig ältere, nicht kontrastmittelaufnehmende T2-Läsionen an typischen Stellen vorliegen.

MRT-Protokolle und Sequenzen

Um den effizienten Einsatz der MRT in der klinischen Routine sicherzustellen, wurden die Empfehlungen zur Anwendung der MRT bei der Diagnose und Überwachung der MS von einem Expertengremium überarbeitet. Eine Standardisierung der MRT-Protokolle für Gehirn und Rückenmark wurde eingeführt, um eine bessere Interpretation und Vergleichbarkeit der Befunde zu gewährleisten. Insbesondere wird die Bedeutung der 3-D-FLAIR-Sequenz (FLAIR: „fluid-attenuated inversion recovery“) für die zerebrale Diagnostik hervorgehoben.

Die Konsensusempfehlungen, die von den Fachgesellschaften Magnetic Resonance Imaging in Multiple Sclerosis (MAGNIMS), Consortium of Multiple Sclerosis Centers (CMSC) und North American Imaging in Multiple Sclerosis (NAIMS) im Jahr 2021 publiziert wurden, haben zu einer Standardisierung der MRT-Protokolle geführt. Der Kern eines jeden Untersuchungsprotokolls sollten T2-gewichtete und FLAIR-Bilder sowie bei erstmaliger Diagnostik kontrastverstärkte T1-gewichtete Bilder sein. Für FLAIR- und T1-gewichtete Sequenzen werden vorzugsweise dreidimensionale Techniken verwendet, da sie eine bessere Detektion von Läsionen ermöglichen. Sagittale 3-D-FLAIR-Sequenzen gelten aufgrund ihrer hohen Sensitivität als Schlüsselsequenz für die Diagnose und Überwachung der MS.

Kontrastmittel

Bei der Erstuntersuchung wird weiterhin Kontrastmittel verwendet, um eine mögliche DIT schon bei einmaliger Untersuchung zu detektieren. Die Verwendung von Kontrastmitteln beruht auf der Tatsache, dass aktive Läsionen im Gegensatz zu älteren Läsionen dazu neigen, Kontrastmittel aufnehmen. Sicherheitsbedenken hinsichtlich der wiederholten Verabreichung von Gadolinium-Kontrastmittel, insbesondere im Hinblick auf mögliche Gadolinium-Ablagerungen im Gehirn, haben zu einer Neubewertung der Verwendung von Kontrastmitteln im Krankheitsverlauf geführt. Obwohl Gadolinium-Kontrastmittel bei bestimmten Indikationen nach wie vor unverzichtbar sind, soll die Anwendung bei Verlaufsuntersuchungen mittlerweile zurückhaltender erfolgen.

Spinales MRT

Die spinale MRT spielt eine wichtige Rolle für die MS-Diagnostik. Sie unterstützt die Differenzialdiagnostik und kann MS-Läsionen beispielsweise von Gefäßerkrankungen oder einer Rückenmarkskompression zuverlässig abgrenzen. Die spinale MRT dient auch dem Nachweis von DIS und DIT. Bei Patienten, die sich initial mit einem KIS vorstellen, kann die spinale MRT klinisch asymptomatische Rückenmarksläsionen aufdecken und zur MS-Diagnose führen. Das Protokoll für die spinale MRT sollte mindestens zwei der folgenden drei sagittalen Sequenzen umfassen: T2-gewichtete Spin-Echo-Sequenzen (Turbo- oder schnelle Sequenzen) mit moderaten Echozeiten, PD(Protonendichte)-gewichtete Sequenzen oder kurze STIR-Sequenzen. Nach der Verabreichung von Kontrastmittel sollte bei der Erstuntersuchung zur Diagnosestellung eine sagittale T1-gewichtete Spin-Echo-Sequenz hinzugefügt werden.

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Interpretation von MRT-Befunden

Die Interpretation von MRT-Befunden erfordert eine sorgfältige Analyse der Bilder im Kontext der klinischen Symptome und anderer diagnostischer Ergebnisse. Es ist wichtig, standardisierte MRT-Protokolle zu verwenden und die sinnvolle Anwendung von Gadolinium-basierten Kontrastmitteln zu beachten.

Differenzialdiagnostik

Bei der MRT-Diagnostik müssen die Befunde stets im klinischen Kontext bewertet werden. Es sollte stets auch an nicht entzündliche Ursachen von Marklagerläsionen, die z. B. ischämisch bedingt sein können, gedacht werden. Solche Marklagerläsionen nehmen mit dem Alter und bei gewissen Komorbiditäten, vor allem bei erhöhtem kardiovaskulären Risiko, zu. Solche Läsionen können durchaus in MS-typischen Lokalisationen auftreten - vor allem periventrikulär. Daher ist bei Nachweis demyelinisierender Herdbefunde stets eine sorgfältige Differenzialdiagnostik erforderlich.

Central Vein Sign

Durch den verstärkten Einsatz höherer magnetischer Feldstärken gewinnt das diagnostische Merkmal der perivaskulären Lokalisation von MS-Läsionen zunehmend an Bedeutung, da die Venen in den Läsionen häufig direkt abgegrenzt werden können. Dieses Bildmerkmal ist auch als „central vein sign“ bekannt. Studien belegen, dass die perivaskuläre Verteilung von Läsionen ein nützliches Merkmal ist, um MS-Läsionen von Läsionen im Rahmen anderer Differenzialdiagnosen zu unterscheiden.

Black Holes

Nicht kontrastmittelaufnehmende Herde im Gehirn mit deutlicher T1w-Signalminderung werden als „black holes“ bezeichnet. Diese Läsionen sind Ausdruck von Myelinverlust und werden als Maß der Schwere der Parenchymschäden gewertet.

Fallbeispiele

Fallbeispiel 1: Sehnervenentzündung

Eine 37-jährige Patientin bemerkte eine plötzliche Sehminderung auf dem rechten Auge. Klinisch bestand der Verdacht auf eine Entzündung des Sehnerven (Neuritis nervi optici). Um den Verdacht zu bestätigen und um mögliche weitere Veränderungen im Gehirn zu erkennen, wurde eine Magnetresonanztomografie-(MRT-)Untersuchungen angeordnet. Dabei wurden verschiedene Aufnahmen angefertigt, darunter ein axiales T2-gewichtetes Bild, FLAIR sagittal und „short tau inversion recovery“ (STIR) koronar. Auf dem STIR-Bild ist deutlich zu erkennen, dass der rechte Sehnerv im Vergleich zur Gegenseite eine erhöhte Signalintensität aufweist. Dies ist ein typisches Merkmal einer Neuritis nervi optici. Außerdem sind mehrere T2-Läsionen im Marklager zu sehen. Die bildgebenden Befunde sind insgesamt mit einer MS vereinbar, die Diagnose kann nach den McDonald-Kriterien von 2017 in diesem Fall jedoch noch nicht gestellt werden.

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Fallbeispiel 2: Sensibilitätsstörung im Rückenmark

Eine 19-jährige Patientin stellte sich mit einer Sensibilitätsstörung im C6-Dermatom rechts vor. Um die Ursache zu klären, wurde ein MRT des Rückenmarkes veranlasst. Zusätzlich wurde ein Schädel-MRT durchgeführt. Im Schädel-MRT wurden keine Läsionen festgestellt, jedoch zeigte das MRT des Rückenmarkes eine MS-typische Läsion. Im axialen Schnitt ist zu erkennen, dass diese Läsion dorsolateral liegt und somit die Hinterstränge betrifft, was zur klinischen Symptomatik passt. Kontrastmittel wurde ebenfalls verwendet, aber es wurde keine Anreicherung festgestellt. Zusammenfassend liegen keine Anzeichen für eine DIS vor, da nur eine isolierte spinale Läsion nachgewiesen werden kann. Es gibt auch keine Anzeichen für eine DIT. Bei der Patientin wurde anschließend eine Liquorpunktion durchgeführt mit Nachweis oligoklonaler Banden. Basierend auf den derzeitigen Diagnosekriterien erfüllt die Patientin nicht die Kriterien für eine MS. Stattdessen wird die Befundkonstellation als klinisch isoliertes Syndrom (KIS) bezeichnet.

MRT als Instrument zur Therapiemonitoring

Die MRT ist nicht nur für die Erstdiagnose, sondern auch für das Therapiemonitoring von entscheidender Bedeutung. Insbesondere bei neuen Therapien besteht ein eindeutiger Bedarf nach Monitoring. Die MRT ermöglicht es, die Wirksamkeit der Therapie zu beurteilen und den Krankheitsverlauf zu überwachen.

Standardisierte MRT-Protokolle für das Therapiemonitoring

Die aktuellen Daten aus dem MS-Register der DMSG zeigen insgesamt eine erfreuliche Entwicklung. Denn die zeitnahe Umsetzung der aktuellen internationalen Empfehlungen führt zu einer Optimierung bisheriger MRT-Untersuchungen und damit zu einer Reduktion nicht notwendiger Kontrastmittelgaben. Im Detail werden insbesondere bei regelhaften MRT-Kontrollen nun keine Kontrastmittelgaben mehr als sinnvoll erachtet, jedoch unterstreichen die aktuellen Empfehlungen weiterhin die Voraussetzungen für ein optimales Monitoring mittels MRT:

  1. Standardisierte MRT-Protokolle, die somit eine gute Vergleichbarkeit mit Voraufnahmen ermöglichen sowie
  2. Regelmäßige kraniale MRT-Aufnahmen, um insbesondere eine schleichende Krankheitsaktivität zu erkennen.

Re-Baselining

Vorsicht ist geboten, wenn man den Erfolg einer eingeleiteten Immuntherapie durch eine MRT-Verlaufskontrolle bewerten will. Hier sollte drei bis sechs Monate nach Therapieeinleitung eine MRT-Untersuchung als Ausgangsbefund angesehen werden (sogenanntes Re-Baselining), die dann als Vergleich für die weiteren MRT-Kontrollen maßgebend ist.

Die Bedeutung der Lumbalpunktion

Neben der MRT spielt die Lumbalpunktion eine wichtige Rolle bei der Diagnose der MS. Bei der Lumbalpunktion wird Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Die Entnahme erfolgt über eine Hohlnadel, die zwischen die Lendenwirbel eingeführt wird. Da die Lumbalpunktion schmerzhaft sein kann, wird Ihnen die Ärztin/der Arzt eine lokale Betäubung anbieten. Die Lumbalpunktion ist grundsätzlich eine ungefährliche Untersuchung, auch wenn sie oft als unangenehm empfunden wird. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass das Rückenmark durch die Nadel verletzt werden könnte, da sich an der Einstichstelle kein Rückenmark befindet. Die Lumbalpunktion wird bevorzugt in sitzender Position durchgeführt.

Oligoklonale Banden

Aktuell wird weiterhin empfohlen eine Lumbalpunktion bei Verdacht auf MS durchzuführen. Studien haben gezeigt, dass ohne eine Liquoruntersuchung falsche Diagnosen häufiger sind. Bei einer MS zeigen sich spezielle autoimmune Zellen, sogenannte oligoklonale Banden, die im Liquor nachgewiesen werden können. In den McDonald-Kriterien von 2017 kann der Nachweis oligoklonaler Banden im Liquor den MRT-basierten Nachweis der DIT ersetzen.

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