Multiple Sklerose: Den Arbeitgeber informieren – Pflichten und Rechte

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Viele Menschen mit MS stehen mitten im Berufsleben und fragen sich, ob und wann sie ihren Arbeitgeber über ihre Erkrankung informieren sollten. Dieser Artikel beleuchtet die Pflichten und Rechte von Arbeitnehmern mit MS und gibt Hinweise, wie man mit der Situation am Arbeitsplatz umgehen kann.

Informationspflichten gegenüber dem Arbeitgeber

Grundsätzlich besteht keine generelle Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bezüglich einer MS-Erkrankung. Das bedeutet, dass Beschäftigte ihren Arbeitgeber nicht ungefragt über ihre chronische Krankheit informieren müssen. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Eine Informationspflicht besteht, wenn die Erkrankung die Sicherheit am Arbeitsplatz gefährdet oder die Arbeitsleistung beeinträchtigt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn krankheitsbedingt die eigene Sicherheit oder die Sicherheit von Kollegen nicht mehr gewährleistet ist oder wenn die Arbeitsleistung nicht mehr ausreichend erbracht werden kann.

Wann sollte man den Arbeitgeber informieren?

Es gibt verschiedene Situationen, in denen es ratsam sein kann, den Arbeitgeber über die MS zu informieren.

  • Beeinträchtigung der Arbeitsleistung: Wenn Konzentrationsstörungen oder andere Symptome die Bewältigung des Arbeitspensums erschweren, kann ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten sinnvoll sein, um gemeinsam Lösungen zu finden.
  • Anpassung des Arbeitsplatzes: Wenn der Arbeitsplatz aufgrund der MS angepasst werden muss, ist eine offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber notwendig.
  • Schwerbehinderung: Bei Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises oder einer Gleichstellung kann es sinnvoll sein, den Arbeitgeber zu informieren, um die damit verbundenen Rechte und Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen zu können.

Wie sollte man den Arbeitgeber informieren?

Die Entscheidung, den Arbeitgeber über die MS zu informieren, sollte gut überlegt sein. Es empfiehlt sich, das Gespräch sorgfältig vorzubereiten und sich über die eigenen Rechte und Pflichten zu informieren.

  • Gründe für das Gespräch klären: Überlegen Sie, warum Sie das Gespräch führen möchten. Hat sich Ihr Gesundheitszustand verändert, oder möchten Sie Anpassungen am Arbeitsplatz vornehmen?
  • Richtige Person auswählen: Entscheiden Sie, wem Sie von Ihrer Diagnose erzählen möchten. Überlegen Sie, ob Ihre Vorgesetzten oder Kollegen die richtigen Ansprechpartner sind.
  • Unterstützung in Betracht ziehen: Überlegen Sie, ob Sie jemanden zum Gespräch mitnehmen möchten. Das können unabhängige Personen sein, wie die Schwerbehindertenvertretung, der betriebsärztliche Dienst oder Kollegen.
  • Zeitpunkt und Ort wählen: Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt für das Gespräch, an dem sowohl Sie als auch die andere Person ausreichend Zeit haben.
  • Botschaft klar formulieren: Überlegen Sie sich, was genau Sie sagen möchten. Teilen Sie relevante Informationen über Ihre gesundheitliche Situation mit, insbesondere wenn dies Auswirkungen auf Ihre Arbeit hat.
  • Verständnis für mögliche Reaktionen entwickeln: Antizipieren Sie Fragen und Gefühle, die bei Ihrem Gesprächspartner auftauchen könnten.
  • Sich selbst informieren: Vor dem Gespräch sollten Sie sich über Beratungs- und Unterstützungsangebote informieren.

Pflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern

Arbeitgeber haben bestimmte Pflichten gegenüber schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern. Diese Pflichten sollen sicherstellen, dass schwerbehinderte Menschen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilnehmen können. Zu den wichtigsten Pflichten gehören:

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  • Anpassung des Arbeitsplatzes: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitsplatz so anzupassen, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine Aufgaben möglichst ohne Beeinträchtigungen ausüben kann. Dies kann beispielsweise durch die Bereitstellung spezieller Arbeitsmittel oder die Anpassung der Arbeitszeiten erfolgen.
  • Berücksichtigung bei der Arbeitszeit: Bei der Gestaltung der Arbeitszeit sind die besonderen Bedürfnisse schwerbehinderter Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies betrifft beispielsweise Mehrarbeit, Schichtarbeit und Teilzeit.
  • Kündigungsschutz: Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen und die Schwerbehindertenvertretung anhören.
  • Zusatzurlaub: Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben Anspruch auf fünf Arbeitstage bezahlten Zusatzurlaub pro Jahr.
  • Beschäftigungspflicht: Arbeitgeber mit mehr als 20 Mitarbeitern sind verpflichtet, fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen.

Kündigung wegen Krankheit

Eine Kündigung wegen Krankheit ist grundsätzlich möglich, jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Es muss immer geprüft werden, ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer haben einen besonderen Kündigungsschutz, der die Zustimmung des Integrationsamtes erfordert.

Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag sollte nicht vorschnell unterzeichnet werden, da dies zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen kann. Vor der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags sollte man sich unbedingt vom Integrationsamt und der Arbeitsagentur beraten lassen.

Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Arbeitnehmer mit MS ergreifen können, um ihren Arbeitsplatz zu sichern.

  • Beantragung eines Schwerbehindertenausweises: Ein Schwerbehindertenausweis kann den Kündigungsschutz erhöhen und den Anspruch auf bestimmte Leistungen sichern.
  • Rechtzeitige Beratung: Bei drohender oder erfolgter Kündigung sollte man sich rechtzeitig Hilfe und Beratung beim Integrationsfachdienst, Integrationsamt, der Agentur für Arbeit oder einem Fachanwalt einholen.
  • Vertrauensperson hinzuziehen: Bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber sollte man immer eine Vertrauensperson hinzuziehen.
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Bei längerer Arbeitsunfähigkeit kann ein BEM-Verfahren helfen, den Arbeitsplatz zu erhalten. Dabei wird gemeinsam mit dem Arbeitgeber und anderen Beteiligten ein Plan zur Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag entwickelt.

Rechte am Arbeitsplatz

Menschen mit MS haben verschiedene Rechte am Arbeitsplatz, die ihnen die Teilhabe am Arbeitsleben erleichtern sollen.

  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Diese Leistungen umfassen ein breites Spektrum an Einzelleistungen, die von qualifizierenden Leistungen bis hin zu Sachleistungen reichen. Sie sind im Sozialgesetzbuch fest verankert und tragen zum Erhalt des Arbeitsplatzes bei.
  • Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz: Der Arbeitgeber ist im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten verpflichtet, der betroffenen Person das Arbeiten zu ermöglichen, so wie es die Erkrankung erfordert. Dies kann beispielsweise durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch, sonstige logistische Unterstützung oder längere Pausen erfolgen.
  • Schutz vor Diskriminierung: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Sozialgesetzbuch (SGB IX) verbieten Diskriminierung aufgrund einer Behinderung.

Umgang mit der MS-Diagnose im Arbeitsumfeld

Der Umgang mit der MS-Diagnose im Arbeitsumfeld ist eine sehr persönliche Entscheidung. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern es hängt von der individuellen Situation und den persönlichen Präferenzen ab.

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Offenheit vs. Verschwiegenheit

Ob man offen mit der MS umgeht oder die Erkrankung lieber verschweigt, sollte gut überlegt sein. Offenheit kann zu mehr Verständnis und Unterstützung führen, aber auch zu Diskriminierung und Vorurteilen. Verschwiegenheit kann vor negativen Reaktionen schützen, aber auch zu einem Gefühl der Isolation und des Versteckens führen.

Tipps für den Umgang mit der MS-Diagnose am Arbeitsplatz

  • Verbündete schaffen: Weihen Sie eine Kollegin oder einen Kollegen ein, die oder der Sie im beruflichen Alltag unterstützen kann.
  • Offenheit als Basis für gemeinsame Lösungen: Laut Gesetz müssen Beschäftigte der arbeitgebenden Person nicht von ihrer chronischen Krankheit berichten.
  • Selbstfürsorge: Die Offenheit über Ihre gesundheitliche Situation ermöglicht es, Rücksicht auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zu nehmen. Ob es um die regelmäßige Einnahme von Medikamenten oder die Möglichkeit von zusätzlichen Pausen geht, kann dies mit den Vorgesetzten und Kolleg:innen vereinbart werden.
  • Authentizität: Die Entscheidung, Ihre Herausforderungen nicht zu verbergen, ermöglicht es Ihnen, authentisch zu sein. Schluss mit dem ständigen Verstecken, den Ausreden und der Anspannung - das raubt unnötige Energie und verursacht Stress.
  • Soziale Unterstützung: Die Offenheit kann zu mehr Verständnis und Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzten führen.
  • Veränderung bewirken: Die Offenheit über Ihre MS Erkrankung mit Ihrem Arbeitgeber zu sprechen, kann dazu beitragen, das Tabuthema rund um das Arbeiten mit chronischen Erkrankungen zu brechen.

Ansprechpartner und Unterstützung

Es gibt verschiedene Ansprechpartner und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit MS im Arbeitsleben.

  • Integrationsfachdienst: Der Integrationsfachdienst berät und unterstützt schwerbehinderte Menschen und ihre Arbeitgeber bei Fragen rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.
  • Integrationsamt: Das Integrationsamt ist zuständig für den besonderen Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer und kann finanzielle Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewähren.
  • Agentur für Arbeit: Die Agentur für Arbeit berät und vermittelt Arbeitsuchende mit Behinderung.
  • Schwerbehindertenvertretung: Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer im Betrieb.
  • Betriebsrat: Der Betriebsrat kann bei Fragen rund um den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen unterstützen.
  • Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG): Die DMSG bietet umfassende Informationen und Beratung für Menschen mit MS und ihre Angehörigen.
  • AMSEL: AMSEL bietet vielfältige Informationen und Veranstaltungen zum Thema MS und Arbeitsrecht. Auch chronisch kranke Menschen mit MS ohne gesetzlichen Behinderungsstatus können davon profitieren.

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