Myasthenia Gravis, oft als schwere Muskelschwäche bezeichnet, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gekennzeichnet ist. Diese Störung wird durch fehlgesteuerte Antikörper verursacht, was zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche führt, die sich in Ruhephasen vorübergehend bessern kann. Obwohl die Erkrankung in allen Altersgruppen auftreten kann, erfahren Sie im folgenden Text mehr über die vielfältigen Beschwerden, diagnostischen Verfahren und Behandlungsansätze, die für das Leben mit Myasthenia Gravis relevant sind.
Symptome der Myasthenia Gravis
Die Symptome der Myasthenia Gravis können stark variieren, da verschiedene Muskelgruppen betroffen sein können. Häufig manifestiert sich die Erkrankung zuerst in der Augenmuskulatur, was zu herabhängenden Augenlidern (Ptosis) an einem oder beiden Augen und Doppelbildern (Diplopie) führt. Diese Doppelbilder entstehen, wenn die Augenbewegungen nicht mehr ausreichend koordiniert werden können.
Eine Schwächung der Gesichtsmuskulatur kann die Mimik verändern, sodass das Gesicht spannungslos wirkt, was fälschlicherweise als Müdigkeit oder Traurigkeit interpretiert werden kann. Wenn die Muskeln in Mund und Rachen betroffen sind, kann dies zu verwaschener Sprache und Schwierigkeiten beim Schlucken (Dysphagie) führen. Auch eine allgemeine Muskelschwäche, insbesondere in den Armen und Beinen, ist typisch. Betroffene haben oft Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitzen oder Tragen von Gegenständen.
In schweren Fällen kann die Atemmuskulatur betroffen sein, was vor allem bei körperlicher Anstrengung zu Atemnot führt. Dies ist ein ernstes Symptom, das in seltenen Fällen lebensbedrohlich sein kann und eine sofortige medizinische Behandlung erfordert. Die Intensität der Symptome kann variieren, wobei die Muskelschwäche im Laufe des Tages oder nach körperlicher Belastung zunimmt und sich nach Ruhephasen bessert.
Es ist wichtig, bei Auftreten dieser Symptome ärztlichen Rat einzuholen, um eine frühzeitige Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.
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Diagnose der Myasthenia Gravis
Die Diagnose der Myasthenia Gravis erfordert eine gründliche neurologische Untersuchung, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Neurolog:innen verfügen über die notwendige Erfahrung und Diagnostikmethoden, um die Erkrankung zu identifizieren.
Der Diagnoseprozess beginnt in der Regel mit einer ausführlichen Anamnese, bei der die Ärztin oder der Arzt nach typischen Beschwerden fragt. Ein einfacher, aber effektiver Test ist der Eisbeutel-Test, bei dem ein Eisbeutel für einige Minuten auf das betroffene Augenlid gelegt wird. Bei einer durch Myasthenia Gravis bedingten Schwäche des Lidhebers bessert sich diese bei kühleren Temperaturen.
Zur Bestätigung der Diagnose kann ein elektrischer Stimulationstest durchgeführt werden, bei dem die elektrische Aktivität der Muskeln gemessen wird. Bei den meisten Betroffenen lassen sich im Blut Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR) nachweisen. In einigen Fällen sind auch andere Antikörper wie Anti-MuSK-Antikörper relevant. Veränderungen der Thymusdrüse, einem lymphatischen Organ hinter dem Brustbein, können ebenfalls auf Myasthenia Gravis hinweisen.
Die Kombination dieser Untersuchungen ermöglicht eine zuverlässige Diagnose, wobei die Tests idealerweise von einer neurologischen Fachkraft durchgeführt werden sollten.
Behandlungsmöglichkeiten der Myasthenia Gravis
Obwohl Myasthenia Gravis nicht heilbar ist, kann sie gut behandelt werden, um Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Methoden, die individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden.
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Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung ist ein Grundpfeiler der Therapie. Medikamente, die die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln verbessern, wie z.B. Acetylcholinesterase-Hemmer, werden häufig eingesetzt. Zusätzlich können Immunsuppressiva eingesetzt werden, um die Überaktivität des Immunsystems zu dämpfen und die Produktion fehlgesteuerter Antikörper zu reduzieren. Glukokortikoide sind ebenfalls eine Option zur Unterdrückung des Immunsystems.
Thymektomie
Bei vielen Patient:innen mit Myasthenia Gravis ist die Thymusdrüse vergrößert oder verändert. Die operative Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, insbesondere bei jüngeren Patient:innen und Betroffenen mit einem kurzen Krankheitsverlauf. Der Eingriff wird in der Regel minimalinvasiv durchgeführt. Studien zeigen, dass der Eingriff bei einem Drittel der Patient:innen zu einer deutlichen Besserung führt.
Weitere Behandlungsverfahren
Bei schwereren Krankheitsverläufen oder einer akuten Verschlechterung (myasthene Krise) können spezielle Verfahren wie die Plasmapherese eingesetzt werden, um die Autoantikörper aus dem Blut zu filtern. Intravenöse Immunglobuline (Antikörper) können das Immunsystem stabilisieren und die Symptome lindern.
Logopädie ist ein wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzepts, um Schluckstörungen zu erkennen und zu behandeln. Physiotherapie kann ebenfalls hilfreich sein, wobei der Fokus auf einem angemessenen Umgang mit der Erkrankung liegt.
Innovative Therapien
In den letzten Jahren wurden innovative Therapien wie Komplementinhibitoren (Eculizumab, Ravulizumab) und FcRn-Modulatoren (Efgartigimod) entwickelt, die insbesondere bei schweren Krankheitsverläufen vielversprechende Ergebnisse zeigen. Auch neue Medikamente wie Zilucoplan und Rozanolixizumab erweitern das Therapiespektrum der generalisierten Myasthenia Gravis.
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Begleiterkrankungen bei Myasthenia Gravis
Patient:innen mit Myasthenia Gravis können in einigen Fällen auch an anderen autoimmun bedingten Erkrankungen leiden. Diese müssen bei der Behandlung berücksichtigt werden, da sie den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Zu den häufigsten Begleiterkrankungen gehören Veränderungen der Thymusdrüse, Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow), rheumatoide Arthritis und systemischer Lupus erythematodes.
Leben mit Myasthenia Gravis: Wohlbefinden und Alltagsgestaltung
Obwohl Myasthenia Gravis in der Regel nicht heilbar ist, können bestimmte Maßnahmen dazu beitragen, die Symptome zu kontrollieren und das Wohlbefinden zu verbessern.
Energiemanagement und Tagesplanung
Eine gute Tagesplanung mit regelmäßigen Pausen ist entscheidend, um die Energiereserven zu schonen. Anstrengende Tätigkeiten sollten auf mehrere Abschnitte verteilt werden, und nach jeder Anstrengung sollte eine Ruhepause eingelegt werden. Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder Meditation können helfen, Stress abzubauen, da psychischer Stress die Symptome verschlimmern kann.
Schlaf und Ernährung
Ausreichend Schlaf (mindestens sieben bis acht Stunden pro Nacht) ist wichtig für die Regeneration der Muskeln. Eine entspannte Schlafumgebung mit einer konstanten Raumtemperatur und Vermeidung elektronischer Geräte vor dem Schlafengehen kann den Schlaf fördern.
Eine ausgewogene Ernährung mit frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und mageren Proteinen stärkt das Immunsystem und verbessert die allgemeine Belastbarkeit. Stark verarbeitete Lebensmittel und Zucker sollten vermieden werden, da sie Entzündungen fördern können.
Medikamente und Infektionsschutz
Bestimmte Medikamente, wie z.B. Magnesiumpräparate oder Mittel gegen Herzrhythmusstörungen, können die Symptome verstärken. Vor der Einnahme neuer Medikamente sollte immer ein Arzt konsultiert werden, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden. Um Infektionen vorzubeugen, die die Symptome verschlimmern können, ist es wichtig, regelmäßig die Hände zu waschen und Abstand zu infizierten Personen zu halten.
Hilfsmittel und Unterstützung
Der Einsatz von Hilfsmitteln kann den Alltag erleichtern. Sanfte Mobilisationstechniken und individuell angepasstes Gerätetraining können helfen, Verspannungen zu lösen und die Muskulatur zu stärken, ohne sie zu überlasten. Neurophysiologische Methoden fördern das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln.
Die Rolle der Thymusdrüse
Die Thymusdrüse spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Myasthenia Gravis. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen ist sie vergrößert, was auf eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems hinweist. In etwa 10 Prozent der Fälle wird ein Thymom diagnostiziert, ein gutartiger oder selten auch bösartiger Tumor der Thymusdrüse. Die Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) wird daher insbesondere bei Patient:innen unter 60 Jahren empfohlen.
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