Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche gekennzeichnet ist. Die Erkrankung kann verschiedene Muskelgruppen betreffen, wobei sich die Symptome oft zuerst im Gesicht bemerkbar machen. Dieser Artikel beleuchtet die Gesichtssymptome der Myasthenia gravis, die diagnostischen Verfahren und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.
Was ist Myasthenia gravis?
Myasthenia gravis, auch als schwere Muskelschwäche bekannt, ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Verbindungsstellen zwischen Nerven und Muskeln angreift. Diese Verbindungsstellen, auch motorische Endplatten genannt, sind für die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln unerlässlich. Bei Myasthenia gravis werden die Andockstellen (Rezeptoren) für den Botenstoff Acetylcholin beeinträchtigt, wodurch höhere Mengen des Botenstoffs Acetylcholin nötig sind, um dennoch eine ausreichende Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel zu ermöglichen.
Gesichtssymptome der Myasthenia gravis
Da Myasthenia gravis verschiedene Muskelgruppen betreffen kann, zeigen sich sehr unterschiedliche Symptome. Häufig ist die Augenmuskulatur als erstes von der Muskelschwäche betroffen. Zu den typischen Gesichtssymptomen gehören:
- Herabhängende Augenlider (Ptosis): Die Augenlider hängen an einer oder beiden Seiten herab, was zu einem müden oder schläfrigen Aussehen führen kann. Schwere Lider bei Müdigkeit, die man kaum noch öffnen kann, kennen viele, doch wenn sich diese bewusst nicht mehr schließen oder öffnen lassen, eventuell Doppelbilder und weitere Muskelschwächen am ganzen Körper hinzukommen, kann es sich um die seltene, gleichzeitig gut erforschte Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis (Myasthenie) handeln.
- Doppelbilder (Diplopie): Sie tauchen auf, wenn sich die Bewegungen der Augen nur unzureichend koordinieren lässt. Die Betroffenen sehen doppelt, da die Augen nicht richtig zusammenarbeiten.
- Veränderte Mimik: Sind die Gesichtsmuskeln geschwächt, wirkt die Mimik verändert. Das Gesicht erscheint spannungslos, was leicht mit Müdigkeit oder Traurigkeit verwechselt werden kann.
- Sprachstörungen: Patient:innen, bei denen die Myasthenia Gravis die Muskeln in Mund und Rachen betrifft, sprechen oft verwaschen. Sprechstörungen äußern sich zum Beispiel durch abgehacktes, stakkatoartiges, gehauchtes, unregelmäßiges, unpräzises und monotones Sprechen, während die Betroffenen Sprache aber sehr wohl richtig anwenden als auch verstehen.
- Schluckbeschwerden: Viele haben auch Schwierigkeiten beim Schlucken. Breitet sich die Muskelschwäche auf die Kau- und Rachenmuskulatur aus, treten zunächst Probleme beim Essen und Schlucken auf. Gefährlich wird es bei einer stärkeren Lähmung, da es dann unmöglich wird, den eigenen Speichel zu schlucken. Im fortgeschrittenen Stadium geht die Schluckunfähigkeit mitunter so weit, dass Betroffene künstlich ernährt und der Speichel regelmäßig abgesaugt werden müssen.
Die genannten Symptome sind typische Anzeichen für eine Myasthenia Gravis. Falls Sie eines oder mehrere dieser Beschwerden bemerken, sollten Sie zeitnah ärztlichen Rat einholen.
Diagnostik der Myasthenia gravis
Die Diagnose der Myasthenia gravis kann eine Herausforderung darstellen, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Wenn du bei dir selbst Anzeichen der Erkrankung vermutest, sprich mit deinem Arzt. Eine besonders gründliche und umfassende Untersuchung ist erforderlich. Die Diagnose Myasthenia Gravis muss von einer Neurologin oder einem Neurologen gestellt werden. Nur diese Fachärzt:innen verfügen über die notwendige Erfahrung und entsprechende Diagnostikmethoden.
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Bei Verdacht auf Myasthenia gravis wird dich dein Arzt zunächst nach deinen Beschwerden fragen. Im Anschluss an das Gespräch über deine Symptome wird dein Arzt eine körperliche Untersuchung durchführen. Dabei achtet er u. a. auf die Funktion der Augenmuskeln, der Gesichtsmuskeln und der Nackenmuskulatur.
Für die Diagnostik einer Myasthenia gravis steht heute eine Vielzahl unterschiedlicher Tests zur Verfügung. Zu den wichtigsten diagnostischen Verfahren gehören:
- Anamnese: Der erste Schritt ist eine ausführliche Anamnese. Dabei fragt die Ärztin oder der Arzt nach typischen Beschwerden.
- Eisbeutel-Test: Ein einfacher, aber effektiver Test ist der sogenannte Eisbeutel-Test: Die Neurolog:innen legen für einige Minuten einen Eisbeutel auf das betroffene Augenlid der Patientin oder des Patienten. Wird die Schwäche des Lidhebers tatsächlich durch Myasthenia Gravis verursacht, bessert sie sich bei kühleren Temperaturen.
- Elektromyogramm (EMG): Bei der Durchführung eines Elektromyogramms (EMG) werden Nerven einer wiederholten elektrischen Reizung ausgesetzt. Die dadurch entstehende elektrische Spannung am entsprechenden Muskel wird gemessen. So kann festgestellt werden, ob die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel funktioniert. Werden hier bestimmte Auffälligkeiten beobachtet, kann dies den Verdacht auf eine Myasthenia gravis erhärten. Bei Myasthenia gravis wird zumeist die sogenannte Einzelfaser-EMG (single- fiber EMG, SFEMG) durchgeführt.
- Testung auf Antikörper im Blut: Die Testung auf Antikörper im Blut ist eine wichtige Maßnahme zur Diagnosesicherung. So liegen beispielsweise bei 9 von 10 Betroffenen mit generalisierter Myasthenia gravis Antikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren vor. Bei einigen Betroffenen werden zudem Antikörper gegen MuSK oder auch LRP4 nachgewiesen.
- Pharmakologische Tests: Zur Diagnostik der Myasthenia gravis kann die Acetylcholin- Esterase mit Hilfe von Arzneimitteln wie z. B. Cholinesterasehemmern gehemmt werden.
- MG-ADL-Test: Anhand des Myasthenia-Gravis-Activities-of Daily-Living (MG-ADL)-Tests wird erfasst, in welchem Ausmaß die Erkrankung Aktivitäten des täglichen Lebens beeinflusst. Auch dieser Test kann bei der Diagnose und zur Verlaufskontrolle eingesetzt werden. Der sogenannte Myasthenia Gravis Activities of Daily Living-Fragebogen, kurz MG-ADL, ist wissenschaftlich anerkannt und ermöglicht es dir, einen langfristigen Überblick über deinen Krankheitsverlauf zu erhalten.
- Ausschluss anderer Erkrankungen: Vor allem zu Beginn der Erkrankung kann es sinnvoll sein, vor der Diagnosestellung andere Erkrankungen auszuschließen. Abhängig von den vorliegenden Beschwerden können u. a. folgende weitere Erkrankungen in Frage kommen: Lambert-Eaton-Syndrom, medikamenteninduzierte myasthene Syndrome, Polymyositis, Dermatomyositis, mitochondriale Muskeldystrophie, okulopharyngeale Muskeldystrophie, Guillain-Barré-Syndrom oder auch ein Hirntumor.
- Bildgebende Verfahren: Teil der Diagnose ist auch eine neurophysiologische Untersuchung. Die Behandelnden messen dabei die elektrische Aktivität in den Muskeln und Nerven. Außerdem machen sie häufig eine Computertomografie (CT) des Brustkorbs, da in einigen Fällen bei Menschen mit Myasthenie eine Vergrößerung des Thymus vorliegt. Der Thymus ist ein kleines Organ, das im Brustkorb hinter dem Brustbein liegt. Er ist ein wichtiger Teil des Immunsystems. Bei vielen Patient:innen mit Myasthenia Gravis treten Veränderungen der Thymusdrüse (lymphatisches Organ hinter dem Brustbein) auf.
Wenn deine Beschwerden auf eine Myasthenia gravis zurückzuführen sind, wird dich dein Arzt in regelmäßigen Abständen untersuchen und dich nach deinen Beschwerden fragen, um deine Krankheitsschwere zu beurteilen und um zu prüfen, ob du auf die jeweilige Therapie ausreichend ansprichst bzw. sie gut verträgst.
Behandlungsmöglichkeiten bei Myasthenia gravis
Eine Myasthenia Gravis ist nicht heilbar, lässt sich aber gut behandeln. Verschiedene Therapieansätze dienen dazu, mögliche Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dafür kombinieren unsere Fachärzt:innen in der Regel medikamentöse und nicht-medikamentöse Methoden. Grundpfeiler der Therapie ist die medikamentöse Behandlung. Die Präparate verbessern die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln. Außerdem dämpfen sie die Überaktivität des Immunsystems, so dass der Körper weniger fehlgesteuerte Antikörper produziert. Zu den wichtigsten Behandlungsansätzen gehören:
- Medikamentöse Therapie: Medikamente erhöhen die Konzentration von Acetylcholin im Blut und verbessern die Reizweiterleitung vom Nerv zum Muskel. In vielen Fällen kommen zusätzlich Arzneimittel aus der Gruppe der Kortikosteroide oder Immunmodulatoren zum Einsatz. Sie beeinflussen das Immunsystem so, dass es weniger Antikörper bildet.
- Thymektomie: Bei vielen Patient:innen mit Myasthenia Gravis ist die Thymusdrüse vergrößert oder verändert. Daher lässt sich der Krankheitsverlauf oft positiv beeinflussen, indem die Thymusdrüse operativ entfernt wird (Thymektomie). Unsere erfahrenen Neurolog:innen erzielen vor allem bei jüngeren Patient:innen und Betroffenen mit einem kurzen Krankheitsverlauf gute Ergebnisse mit diesem Eingriff. In der Regel erfolgt die Operation minimalinvasiv.
- Plasmapherese: Bei schwereren Krankheitsverläufen oder einer akuten Verschlechterung (myasthene Krise) kommen spezielle Verfahren zum Einsatz. Beispielsweise können mit der Plasmapherese (Austausch des Plasmas) die Autoantikörper, die die Muskelschwäche verursachen, aus dem Blut gefiltert werden.
- Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Darüber hinaus stehen spezifische Antikörperinfusionen zur Verfügung. So stabilisiert etwa eine intravenöse Gabe von Immunglobulinen (Antikörper) das Immunsystem und lindert die Symptome.
- Logopädie: Die Logopädie ist ein wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzepts, da mit ihr Schluckstörungen erkannt und daraus resultierende Gefahren vermieden werden können.
- Physiotherapie: Die Physiotherapie spielt hingegen eher eine Nebenrolle. Der Schlüssel liegt hier in einem angemessenen Umgang mit der Erkrankung. Mit sanften Mobilisationstechniken werden Verspannungen gelöst und Gelenkfunktionen verbessert. Durch individuell angepasstes Gerätetraining wird gezielt die geschwächte Muskulatur gestärkt - ohne Überlastung. Diese neurophysiologische Methode fördert gezielt das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln.
Leben mit Myasthenia gravis
Autoimmunerkrankungen wie Myasthenia Gravis sind in der Regel nicht heilbar, lassen sich aber gut kontrollieren. Bestimmte Maßnahmen können dazu beitragen, dass die Symptome sich nicht verstärken und dass Sie sich wohler fühlen. Teilen Sie sich Ihre täglichen Aufgaben gut ein. Es ist wichtig, dass Sie regelmäßig Pausen einlegen und Ihre Energiereserven schonen. Am besten arbeiten Sie in kurzen Intervallen und gönnen sich nach jeder Phase der Anstrengung mindestens 10 Minuten Ruhe. Nutzen Sie außerdem gezielte Entspannungstechniken, da psychischer Stress die Symptome verschlechtern kann. Beispielsweise können Sie Ihr Stresslevel mit progressiver Muskelentspannung, Atemübungen oder Meditation reduzieren. Im Schlaf können die Muskeln sich regenerieren und der Körper schöpft neue Kraft. Achten Sie auf eine Schlafdauer von mindestens sieben bis acht Stunden pro Nacht. Schaffen Sie eine entspannte Schlafumgebung, indem Sie eine konstante Raumtemperatur von etwa 18 Grad Celsius einhalten. Elektronische Geräte sollten Sie kurz vor dem Schlafengehen nicht mehr benutzen.
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Bitte beachten Sie, dass auch bestimmte Medikamente die Symptome verstärken. Dazu zählen etwa Magnesiumpräparate oder Mittel gegen Herzrhythmusstörungen. Bevor Sie neue Medikamente einnehmen, sollten Sie immer mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen und sich über mögliche Wechselwirkungen informieren. Eine ausgewogene Ernährung stärkt das Immunsystem und verbessert die allgemeine Belastbarkeit. Setzen Sie auf frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und magere Proteine. Da stark verarbeitete Lebensmittel und Zucker Entzündungen fördern können, sollten Sie vermieden werden. Für Ihre Muskelkraft und allgemeine Fitness ist regelmäßige Bewegung empfehlenswert. Wählen Sie moderate Aktivitäten wie Spaziergänge, Radfahren oder Schwimmen, die Sie nicht überfordern. Infektionen können die Symptome von Myasthenia Gravis verschlechtern oder sogar eine myasthene Krise auslösen. Versuchen Sie, das Ansteckungsrisiko zu minimieren, indem Sie regelmäßig Ihre Hände waschen und Abstand zu infizierten Personen halten.
Patientinnen mit myasthenen Syndromen möchten und können, trotz ihrer Erkrankung, in den Urlaub fahren. Im Vorfeld bedarf es einiger Organisation und eventuell auch, je nach Schweregrad und Behandlung, eine individuelle Abstimmung mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt. Beachten Sie bei der Planung ihre Therapieintervalle von regelmäßigen Infusionen (z. B. IVIG, Eculizumab, Efartigimod, Rituximab, etc.) und, dass diese eventuell vor Ort verabreicht werden müssen. Stellen Sie sicher, dass die medizinische Versorgung und neurologische Betreuung im Notfall vor Ort gewährleistet werden können. Führen Sie ihren Notfallausweis (deutsch, englisch) und einen Medikationsplan (deutsch, englisch, evtl. in der Landessprache) mit sich, damit Sie den bei Notwendigkeit vorlegen können. Für viele ist der „Blaue Leitfaden“ ein wichtiges, unersetzliches Dokument geworden. Einige von Ihnen tragen sicherlich auch die SOS-Notfallkette, -kapsel oder das SOS-Armband. Je nach Reiseziel kann das Klima viel wärmer oder wesentlich kälter sein. Vermeiden Sie Temperaturextreme. Patientinnen und Patienten mit myasthenen Syndromen vertragen Hitze meist schlechter. Immunsupprimierte dürfen nicht alle Schutzimpfungen bekommen (Lebendimpfstoffe, z. B. Gelbfieber). Denken Sie aber auch daran, dass die Standardimpfungen bzw. die entsprechenden Auffrischungen aktuell sind. Eine lange Anreise ist beschwerlich und kann die myasthenen Symptomatik verstärken. Planen Sie bei Fahrten mit dem Auto ausreichend Pausen ein oder genießen Sie es, Beifahrerin zu sein. Auf Rastplätzen an Autobahnen sind in der Regel sowohl Parkplätze als auch Toiletten für Reisende mit Behinderung vorhanden. Meist ist für den Zugang zu den Toiletten sowie die öffentlichen Toiletten mit ein Euro-Schlüssel notwendig. Bei Zugreisen steht Ihnen die Mobilitätszentrale der DB für barrierefreies Reisen zur Verfügung. Schwerbehinderte Personen (auch Kinder), die eine Wertmarke besitzen, können im Nahverkehr kostenfrei fahren. Mit Merkzeichen B dürfen Sie im Fernverkehr bis zu 2 Sitzplätze kostenfrei reservieren, auch wenn sie kein gültiges Beiblatt mit Wertmarke besitzen. Hilfsmittel (z.B. Servicediensten. Der Bedarf soll spätestens 48 Stunden vor dem Flug angemeldet werden. Rollstühle für die Wege durch das Terminal werden bereitgestellt. Auch können Sie u. A. Die Aktivitäten am Urlaubsziel sollten immer an ihre aktuelle Konstitution angepasst sein. Beachten Sie von vorneherein, dass einige Unternehmungen (Wanderungen, Sightseeing) nur bedingt möglich sind und ihre Kräfte schnell schwinden können. Sie selbst kennen sich und Ihre Ressourcen am besten und wissen auch, dass jeder Tag anders sein kann. In zahlreichen Einrichtungen wie z. B.
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