Myasthenie und das Corona-Risiko: Was Patienten wissen müssen

Die aktuelle Coronavirus-Pandemie (COVID-19) wirft viele Fragen auf, insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen wie Myasthenie. Dieser Artikel soll Betroffenen helfen, die Risiken besser einzuschätzen und informierte Entscheidungen zu treffen.

Myasthenie: Eine kurze Einführung

Myasthenia gravis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die die neuromuskuläre Übertragung beeinträchtigt. Antikörper blockieren die Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte, was zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche führt. Typische Symptome sind hängende Augenlider (Ptose), Doppelbilder (Diplopie), Sprech- und Schluckstörungen. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu generalisierten Lähmungserscheinungen und Muskelschwund kommen. Die Behandlung erfolgt in der Regel medikamentös, oft mit Immuntherapien, um die Bildung der schädigenden Antikörper zu unterdrücken.

Grundsätzliches Risiko einer COVID-19-Infektion bei Myasthenie

Nach aktuellem Kenntnisstand haben Menschen mit Myasthenie grundsätzlich kein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anzustecken. Allerdings können bestimmte Faktoren das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen.

Faktoren, die das Risiko beeinflussen:

  • Behinderungsgrad: Stärkere Behinderungen, wie die Notwendigkeit von Gehhilfen, Beeinträchtigungen der Lungenfunktion (bedingt durch mangelnde Bewegung oder Beteiligung der Atemmuskulatur) sowie Schluck- und Sprechstörungen, können das Risiko für Atemwegsinfektionen generell erhöhen, da die Belüftung der Lunge beeinträchtigt ist. Das bedeutet, dass das Risiko eines schwereren Verlaufes einer COVID-19-Infektion höher sein kann.
  • Immunsuppressive Therapie: Myasthenie-Patienten, die immunsuppressive Medikamente einnehmen, könnten theoretisch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Absetzen oder Reduzieren einer bestehenden, wirksamen Immuntherapie oft zu einer erheblichen Verschlechterung der myasthenen Beschwerden führen kann, was wiederum lebensbedrohliche Situationen zur Folge haben könnte. Daher sollte die immunsuppressive Therapie nicht eigenständig abgesetzt werden.
  • Begleiterkrankungen: Wie in der Allgemeinbevölkerung erhöhen bestimmte Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Lungenerkrankungen das Risiko für einen ungünstigen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung.
  • Berufliches Umfeld: Bestimmte Berufe, insbesondere im Gesundheitsbereich, sind mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Myasthenie-Patienten in solchen Berufen sollten besonders auf Arbeitsschutzmaßnahmen achten und diese vom Arbeitgeber einfordern.

COVID-19-Impfung für Myasthenie-Patienten: Empfehlungen und Überlegungen

Die COVID-19-Impfung ist der sicherste Schutz vor einem schweren Verlauf der Erkrankung. Die Deutsche Myasthenie Gesellschaft (DMG) empfiehlt allen ihren Patienten, sich impfen zu lassen.

Welche Impfstoffe sind geeignet?

Grundsätzlich sind mRNA-Impfstoffe (BioNTech/Pfizer, Moderna) und Vektor-basierte Impfstoffe (AstraZeneca) für Myasthenie-Patienten geeignet. Da viele Patienten immunsupprimiert sind, sollten aus Sicherheitsgründen in der Regel Totimpfstoffe, wie die mRNA-Impfstoffe, eingesetzt werden. Auch bei dem Vektor-basierten Impfstoff von AstraZeneca ergeben sich keine speziellen Sicherheitsbedenken, allerdings wurde in Deutschland eine Alterseinschränkung vorgenommen, so dass bei Personen über 65 Jahren dieser Impfstoff nicht eingesetzt werden soll.

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Priorisierung bei der Impfung

Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Impfstoffen erfolgt eine Priorisierung. Patienten mit Myasthenia gravis können, unabhängig vom Lebensalter, entweder in die Gruppe mit hoher Priorität oder in die Gruppe mit erhöhter Priorität eingeordnet werden. Die Zuordnung zur Gruppe mit erhöhter Priorität ist bereits durch das Vorliegen der Autoimmunerkrankung möglich. Eine hohe Priorität besteht, wenn nach ärztlicher Beurteilung ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren Verlauf besteht, beispielsweise bei Beteiligung der Atem- oder Schluckmuskeln oder bei Immuntherapie.

Impfung und Immuntherapie: Was ist zu beachten?

  • Rituximab: Der Abstand der letzten Rituximab-Gabe zur ersten Impfung sollte im Regelfall drei Monate betragen. Die erneute Rituximab-Gabe sollte frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfung erfolgen.
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Eine Therapie mit IVIG sollte möglichst vier Wochen vor der ersten Impfung und bis vier Wochen nach der zweiten Impfung pausiert werden. Eine Impfung unter Weiterführung der IVIG-Therapie wird jedoch für vertretbar gehalten, falls im Einzelfall notwendig.

Diese Maßnahmen dienen der Sicherung des Impferfolges, da Myasthenie-Patienten ein erhöhtes Infektionsrisiko haben und besonders geschützt werden müssen. Infektionen können zudem zu einer Verschlechterung der myasthenen Beschwerden führen.

Auffrischimpfungen

Allen Menschen ab 18 Jahren wird generell eine Basisimmunität empfohlen, die durch drei Antigenkontakte (Impfungen und/oder Infektion) erreicht wird, wobei zwei der drei Kontakte als Impfung erfolgen sollten. Für Menschen mit einer generalisierten Myasthenia gravis wird eine jährliche Auffrischimpfung mit einem angepassten RNA- oder Proteinimpfstoff empfohlen, wenn die letzte Impfung oder Infektion länger als 12 Monate zurückliegt.

Was tun bei Verdacht auf eine COVID-19-Infektion?

Bei Verdacht auf eine COVID-19-Infektion sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Es ist wichtig, die Myasthenie-Erkrankung und die laufende Therapie zu erwähnen. Die Behandlung von COVID-19 kann spezifische Auswirkungen auf neuromuskuläre Erkrankungen haben, und bestimmte Medikamente können die Myasthenie beeinflussen.

Allgemeine Schutzmaßnahmen

Unabhängig vom Impfstatus sollten weiterhin allgemeine Schutzmaßnahmen beachtet werden, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren:

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  • Abstand halten: Mindestens 1,5 bis 2 Meter Abstand zu anderen Personen halten.
  • Maske tragen: In Innenräumen und bei Menschenansammlungen eine FFP2-Maske tragen.
  • Händehygiene: Regelmäßig und gründlich die Hände waschen.
  • Menschenansammlungen vermeiden: Größere Menschenansammlungen und den öffentlichen Nahverkehr möglichst meiden.
  • Regelmäßiges Lüften: Innenräume regelmäßig lüften.

Umgang mit Cortison-Pulstherapie

Eine Cortison-Pulstherapie erhöht allgemein das Infektionsrisiko. Studien deuten darauf hin, dass Myasthenie-Patienten bis zu vier Wochen nach einer solchen Therapie ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion haben könnten. Daher sollte bei einem Schub sorgfältig abgewogen werden, ob eine Cortison-Pulstherapie notwendig ist. Vor Beginn der Therapie sollten Corona-Antigen-Schnelltests durchgeführt werden und es sollte besprochen werden, wie sich der Patient nach der Therapie vor einer möglichen Infektion schützen kann. Gegebenenfalls kann eine begrenzte Arbeitsunfähigkeit in Anspruch genommen werden.

Telemedizinische Angebote nutzen

Viele Ärzte und Therapeuten bieten mittlerweile telemedizinische Beratungen an. Diese Möglichkeit sollte genutzt werden, um unnötige Kontakte zu vermeiden und dennoch eine adäquate Betreuung zu gewährleisten.

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