Epilepsie nach Corona-Impfung: Ein Überblick

Die COVID-19-Pandemie hat weltweit zu erheblichen gesundheitlichen Herausforderungen geführt und auch neurologische Manifestationen in den Fokus gerückt. Während epileptische Anfälle im Zusammenhang mit COVID-19-Erkrankungen relativ selten auftreten, gibt es Berichte über solche Anfälle nach Corona-Impfungen. Dieser Artikel beleuchtet die Thematik und gibt einen umfassenden Überblick über den aktuellen Kenntnisstand.

Neurologische Manifestationen bei COVID-19

Bereits kurz nach Beginn der COVID-19-Pandemie wurden erste Berichte über neurologische Manifestationen im Rahmen von COVID-19-Erkrankungen veröffentlicht. Eine frühe retrospektive Studie aus Wuhan, China, zeigte, dass 36,4 % der hospitalisierten Patient*innen mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion neurologische Symptome aufwiesen. Zu diesen Symptomen gehören Enzephalopathie, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, zerebrovaskuläre Erkrankungen, epileptische Anfälle und hypoxische Hirnschädigung.

Epileptische Anfälle bei COVID-19

Epileptische Anfälle ereignen sich nur in 1-2 % aller mit COVID-19 hospitalisierten Patientinnen. In einer prospektiven Beobachtungsstudie in New York City traten epileptische Anfälle bei 1,6 % der hospitalisierten COVID-19-Patientinnen auf. In einer anderen Studie stellten epileptische Anfälle nach Enzephalopathie und Schlaganfällen die dritthäufigste neurologische Manifestation dar. Interessanterweise hatten 46 % dieser Patient*innen keine vorherige Epilepsie-Diagnose.

Epileptische Anfälle können auch das erste Symptom einer COVID-19-Erkrankung sein, das Patientinnen in die Notaufnahme führt. Eine Untersuchung im Iran zeigte, dass bei 0,8 % der hospitalisierten COVID-19-Patientinnen ein epileptischer Anfall der Grund für die Aufnahme war. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Kohorte in Boston, USA, gefunden, wo bei 0,8 % der Patient*innen ein epileptischer Anfall das erste Symptom war.

Ursachen für neurologische Manifestationen

Die Ursachen für neurologische Manifestationen im Zusammenhang mit COVID-19 sind vielfältig. Während eine direkte Invasion des SARS-CoV-2-Virus in das zentrale Nervensystem (ZNS) möglich ist, deuten die derzeitigen Erkenntnisse darauf hin, dass indirekte Mechanismen und Auswirkungen der systemischen Erkrankung auf das Gehirn wahrscheinlicher sind.

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Mögliche Routen einer direkten Invasion von SARS-CoV‑2 in das ZNS umfassen:

  • Infektion von olfaktorischen Neuronen im Riechepithel und anschließender axonaler Transport des Virus in das ZNS
  • Überwindung der Blut-Hirn-Schranke im Rahmen einer Virämie
  • Transport des Virus in das ZNS durch infizierte Leukozyten

Allerdings konnte in neuropathologischen Studien und Liquoruntersuchungen SARS-CoV‑2 entweder nicht oder nur in geringen Mengen im Gehirn nachgewiesen werden. Dies deutet darauf hin, dass indirekte Mechanismen wie metabolische Entgleisungen, Hypoxie und Entzündungsreaktionen eine größere Rolle spielen.

Epileptische Anfälle nach Corona-Impfung

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat in einer Stellungnahme festgehalten, dass derzeit kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von epileptischen Anfällen als Nebenwirkung von COVID-19-Impfungen bekannt ist. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass als Impfreaktion Fieber auftreten kann, was die "Krampfschwelle" herabsetzen kann.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erfasst Verdachtsfälle von Krampfanfällen im zeitlichen Zusammenhang mit Coronaimpfungen. Bis zum aktuellen Sicherheitsbericht wurden dem PEI insgesamt 1169 Verdachtsfallmeldungen eines Krampfanfalls berichtet. Die Melderaten variieren je nach verwendetem Impfstoff:

  • Comirnaty: 0,5 Fälle pro 100.000 Impfungen
  • Spikevax: 0,4 Fälle pro 100.000 Impfungen
  • Vaxzevria: 0,9 Fälle pro 100.000 Impfungen
  • Jcovden: 1 Fall pro 100.000 Impfungen

Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um Verdachtsfälle handelt und nicht zwangsläufig ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten der Krampfanfälle besteht. Dennoch werden solche Ereignisse vom PEI als Ereignisse von besonderem medizinischen Interesse eingestuft, die für die Überwachung der Sicherheit von Vakzinen sehr relevant sind.

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Fallbeispiele

Einige Fallbeispiele verdeutlichen die Komplexität der Thematik. So wird von einem Fall einer 19-jährigen Frau berichtet, die nach einer Corona-Impfung Gelenkschmerzen, einen Ausschlag und schließlich eine Sinusvenenthrombose entwickelte, gefolgt von Epilepsie. Obwohl ihr behandelnder Arzt einen möglichen Zusammenhang mit der Impfung sieht, wurde ihr Antrag auf staatlichen finanziellen Ausgleich abgelehnt.

Solche Fälle zeigen, wie schwierig es sein kann, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einem Gesundheitsschaden nachzuweisen. Die Gerichte verweisen oft auf das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Corona-Impfungen für die Gesamtbevölkerung, was die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen erschwert.

Empfehlungen für Epilepsiepatienten

Für Epilepsiepatienten gibt es einige wichtige Empfehlungen im Zusammenhang mit Corona-Impfungen:

  • Impfung grundsätzlich sinnvoll: Es gibt aktuell keine Hinweise darauf, dass für Epilepsiepatienten ein besonders hohes Risiko bei einer Impfung gegen das Coronavirus besteht. Das Risiko bei einer COVID-19-Erkrankung ist nach aktuellem Kenntnisstand wesentlich höher als ein mögliches Risiko bei Durchführung der Impfung.
  • Immunsuppressive Behandlung: Wenn Sie immunsuppressiv behandelt werden (z.B. mit Corticosteroiden, Azathioprin oder monoklonalen Antikörpern), besprechen Sie mit Ihrem Arzt vor der Impfung, ob diese dennoch für Sie sinnvoll ist.
  • Fieberhafte Infekte: Wenn bei Ihnen früher im Rahmen von Infekten oder Impfungen epileptische Anfälle ausgelöst wurden, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie für drei Tage prophylaktisch ein fiebersenkendes Medikament bei Durchführung einer Impfung einnehmen sollten (z.B. Paracetamol) oder ob Sie vorübergehend die antikonvulsive Medikation erhöhen sollten.
  • Allergien: Wenn bei Ihnen Allergien bekannt sind, besprechen Sie mit dem die Impfung durchführenden Arzt, ob bei Ihnen bekannte Allergene im Impfstoff enthalten sind und ob ggf. ein Impfstoff gewählt werden kann, der diese nicht enthält.

Es ist wichtig, sich umfassend von einem Arzt beraten zu lassen und individuelle Risikofaktoren zu berücksichtigen.

COVID-19-Erkrankung und Epilepsie

Auch im Zusammenhang mit einer tatsächlichen COVID-19-Erkrankung gibt es wichtige Aspekte für Epilepsiepatienten zu beachten:

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  • Milde Symptome: Die meisten Menschen mit COVID-19-Infektion haben nur milde Symptome. Eine spezielle oder gar stationäre Behandlung ist nur selten nötig. Achten Sie auf ausreichend Schlaf sowie Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr.
  • Notfallmedikation: Besprechen Sie mit Ihrem Neurologen, ob bei Ihnen eine Notfallmedikation sinnvoll ist, und wann diese gegebenenfalls eingenommen werden sollte.
  • Information der Ärzte: Bitte informieren Sie die behandelnden Ärzte über Ihre Epilepsie und die genaue Medikamenteneinnahme. Haben Sie am besten immer einen Medikamentenplan und - falls vorhanden - einen Arztbericht zur Hand. Wegen möglicher Arzneimittel-Wechselwirkungen muss Ihre Medikation den Behandlern bekannt sein.
  • Anfallshäufung: Wenn bei Ihnen trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme gelegentlich Anfälle auftreten, vermeiden Sie, dass Sie unnötigerweise in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses gebracht werden, wenn Sie einen üblichen Anfall ohne Verletzung und mit für Sie normal rascher Erholung gehabt haben. Vermeiden Sie Aufenthalte in der Öffentlichkeit ohne eine informierte Begleitperson, die Augenzeugen oder Rettungssanitäter über Ihre Epilepsie informieren könnte. Falls vorhanden, nehmen sie Ihren Epilepsie-Ausweis mit.

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