Narben im Gehirn, oft als Folge von Verletzungen, Entzündungen oder Erkrankungen wie Multipler Sklerose, können erhebliche Auswirkungen auf die neurologische Funktion haben. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von medikamentösen Therapien bis hin zu innovativen Ansätzen, die auf die Regeneration von Nervengewebe abzielen.
Multiple Sklerose: Narbenbildung als Krankheitsmerkmal
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der verstreute Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark auftreten. Diese Entzündungen führen zur Schädigung der Myelinscheiden, der Schutzschicht um die Nervenfasern, was die Signalübertragung beeinträchtigt und Narbenbildung (Sklerose) verursacht. Betroffen sind vor allem die Sehnerven, das Rückenmark, der Hirnstamm und das Marklager um die Ventrikel.
Symptome und Diagnose
Die Symptome der MS sind vielfältig und hängen vom Ort und Ausmaß der Schädigung ab. Häufige Symptome sind:
- Sehstörungen (z. B. Optikusneuritis)
- Teillähmungen der Augenmuskeln
- Trigeminusneuralgie
- Gesichtslähmung
- Schwindel und Brechreiz
- Verwaschene Sprache
- Bewegungs- und Koordinationsstörungen
- Sensorische Störungen (Kribbeln, Taubheitsgefühle)
- Muskelschwäche oder Spastiken
- Blasen- und Mastdarmstörungen
- Sexuelle Probleme
Die Diagnose der MS basiert auf der Magnetresonanztomographie (MRT), die typische Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark sichtbar macht. Die McDonald-Kriterien wurden 2010 angepasst, sodass nun der Nachweis einer bestimmten Anzahl von Entzündungsherden unterschiedlichen Alters und spezifischer Verteilung im MRT für die Diagnose ausreicht. Eine Untersuchung des Nervenwassers kann die Diagnose zusätzlich sichern.
Therapie bei MS
Für den schubförmigen Verlauf der MS stehen effektive Medikamente zur Verfügung.
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- Basistherapien: Injizierbare Beta-Interferone (Interferon-beta-1a und Interferon-beta-1b) und Glatirameracetat reduzieren die Anzahl und Schwere der Schübe sowie die Entzündungsherde im Gehirn.
- Dimethylfumarat: Reduziert stärker die Häufigkeit der Schübe und verlangsamt die Krankheitsprogression.
- Teriflunomid: Unterdrückt die Immunantwort und kann als Tablette eingenommen werden.
- Natalizumab: Wird intravenös bei hochaktiver schubförmiger MS eingesetzt, ist aber aufgrund von Nebenwirkungen auf diese Fälle beschränkt.
- Fingolimod: Senkt die Schubrate signifikant, ist aber ebenfalls auf hochaktive MS-Fälle beschränkt.
- Alemtuzumab: Verringert die Schubrate um bis zu 55 Prozent, ist aber aufgrund von Nebenwirkungen auf hochaktive Fälle beschränkt.
- Ocrelizumab: Ist als bislang einziges Präparat sowohl zur Behandlung der schubförmigen MS als auch für die progrediente Form der Krankheit zugelassen.
Innovative Therapieansätze zur Regeneration von Nervengewebe
Neben den etablierten Therapien gibt es vielversprechende innovative Ansätze, die darauf abzielen, geschädigtes Nervengewebe zu regenerieren und Narben im Gehirn zu reduzieren.
Stammzellforschung
Die Stammzellforscherin Professor Magdalena Götz vom Helmholtz-Zentrum München hat entdeckt, dass sich Narbengewebe im Gehirn wieder in funktionsfähige Nervenzellen verwandeln lässt. Durch eine spezielle Mixtur aus verschiedenen Proteinen können sogenannte Gliazellen der Narbe umgewandelt werden. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft insbesondere Menschen mit Hirntraumata, wie sie beispielsweise bei Boxern, Eishockey- und American-Football-Spielern vorkommen, zugutekommen.
Götz' Forschung zielt darauf ab, die im Gehirn schlummernden Stammzellen durch Proteine so zu reprogrammieren, dass sie sich in normale Nervenzellen verwandeln und sich mit dem umgebenden Neuronen vernetzen. Sie konnte beweisen, dass sich Gliazellen in funktionelle Nervenzellen verwandeln lassen, was einen Paradigmenwechsel in der Neurowissenschaft darstellt.
Rolle von Astrozyten und Drebrin
Ein Forschungsteam der Charité - Universitätsmedizin Berlin hat gezeigt, dass das Protein Drebrin bei Hirnverletzungen die Astrogliose steuert. Astrozyten, die häufigsten Gliazellen im zentralen Nervensystem, nehmen eine zentrale Rolle beim Schutz des umliegenden Gewebes ein. Drebrin wird benötigt, damit Astrozyten als Kollektiv Narben bilden und das umliegende Gewebe schützen können.
Die Forschenden konnten zeigen, dass der Verlust von Drebrin zu einer Unterdrückung der normalen Astrozyten-Aktivierung führt, wodurch eigentlich harmlose Verletzungen sich ohne die schützende Narbenbildung ausbreiten und immer mehr Nervenzellen absterben. Drebrin kontrolliert die Umorganisation des Aktin-Zellskeletts in Astrozyten und beeinflusst die Entstehung langer Membranröhren, die für die schützenden Gegenmaßnahmen der Astrozyten notwendig sind.
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Neurofunktionelle Narbenbehandlung
Die neurofunktionelle Narbenbehandlung ist ein innovativer Ansatz, der über die traditionelle funktionelle Narbenbehandlung hinausgeht. Sie berücksichtigt nicht nur die strukturellen und biomechanischen Aspekte der Narbenheilung, sondern auch die sensorische Anbindung der Narbe an das Nervensystem. Ziel ist es, die sensorische Rückmeldung zu verbessern und die Narbe neu in das sensorische Kartenbild des Gehirns zu integrieren.
Durch gezielte Stimulation mit verschiedenen sensorischen Reizen wird die sensorische Wahrnehmung geschärft und erweitert. Dies fördert die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems und unterstützt es dabei, ein optimiertes sensorisches Bild zu entwickeln, was zu verbesserter funktioneller Bewegung und erhöhter Lebensqualität führt.
Weitere Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Hirnschäden
Hypoxischer Hirnschaden
Ein hypoxischer Hirnschaden entsteht durch einen schweren Sauerstoffmangel im Gehirn, beispielsweise nach einem Kreislaufstillstand. Die Nervenzellen des Gehirns sterben aufgrund des Sauerstoffmangels innerhalb weniger Minuten ab, was zu irreparablen Schäden führen kann. Das Ausmaß des Schadens hängt von der Dauer der Unterversorgung ab.
Die Diagnose umfasst neurologische Untersuchungen, Ultraschall, Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT). Die Behandlung zielt darauf ab, die Sauerstoffversorgung des Gehirns wiederherzustellen und weitere Schäden zu verhindern.
Hirnmetastasen
Hirnmetastasen sind Absiedlungen anderer Krebserkrankungen im Gehirn. Brustkrebs, Lungenkrebs und schwarzer Hautkrebs sind häufige Ursachen. Die Metastasen liegen meist im Großhirn und können verschiedene Symptome verursachen, darunter Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Krampfanfälle, Sprach- und Sehstörungen sowie kognitive Störungen.
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Die Diagnose erfolgt mittels Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen:
- Neurochirurgische Resektion: Operative Entfernung der Metastasen.
- Strahlentherapie: Herkömmliche Strahlentherapie oder Ganzhirnbestrahlung.
- Radiochirurgie: Präzisionsbestrahlung mit dem CyberKnife- oder ZAP-X-System.
- Systemische Chemotherapie: Abhängig von der Vorbehandlung und dem Erfolg vorausgegangener Therapien.
- Zielgerichtete Therapie: Insbesondere bei Vorliegen spezifischer genetischer Veränderungen im Tumor.
Die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung hängt von der Anzahl, Größe und Lage der Metastasen sowie dem Allgemeinzustand des Patienten ab.
Neurologische Folgen von COVID-19
Forschungen haben gezeigt, dass COVID-19 langfristige neurologische Folgen haben kann. Im Gehirn von Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden haben, wurden Anzeichen einer anhaltenden Aktivierung des angeborenen Immunsystems gefunden. Sogenannte Mikrogliaknötchen, charakteristische Immun-Zellansammlungen, weisen auf eine chronische Immunaktivierung hin, ähnlich einer Narbe, die nicht vollständig ausheilt.
Es wird vermutet, dass diese anhaltende Aktivierung des Immunsystems im Gehirn zu langfristigen neurologischen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion beiträgt. Zukünftige Therapien könnten darauf abzielen, diese Immunreaktionen zu modulieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
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