Die Frage nach dem natürlichen Willen bei Demenz ist ein komplexes Thema, das sowohl ethische als auch rechtliche Aspekte berührt. Es geht darum, wie die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Demenz berücksichtigt werden können, insbesondere wenn ihre Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist. Dabei spielt der Begriff des "natürlichen Willens" eine zentrale Rolle, der im Folgenden näher beleuchtet werden soll.
Rechtliche Betreuung und Selbstbestimmung
Wenn ein Mensch aufgrund einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann, kann eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden. Diese Betreuung ist keine Entmündigung und macht die betroffene Person nicht geschäftsunfähig. Ziel ist es, die Wünsche der betreuten Person umzusetzen und ihr ein selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen. Die rechtliche Betreuung darf nur für Aufgabenbereiche eingesetzt werden, in denen sie tatsächlich erforderlich ist.
Der natürliche Wille
Der natürliche Wille ist das, was eine Person im durch Krankheit oder Behinderung beeinflussten Zustand will. Er ist von Bedeutung, wenn der freie Wille einer Person durch Krankheit oder Behinderung eingeschränkt ist. In solchen Fällen muss unter Umständen eine Betreuung gegen den sogenannten natürlichen Willen eingerichtet werden.
Das Betreuungsverfahren
Das Betreuungsverfahren wird entweder durch Antrag der betroffenen Person oder durch Anregung Dritter in Gang gesetzt. Das Betreuungsgericht prüft, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung vorliegen, wer die Betreuung übernehmen soll und bestellt dann einen oder mehrere Betreuer.
Aufgaben und Pflichten des Betreuers
Ein Betreuer hat die Aufgabe, die Wünsche der betreuten Person festzustellen und zu berücksichtigen. Dabei muss er auch den mutmaßlichen Willen der Person berücksichtigen, wenn deren Wünsche nicht ermittelt werden können. Allerdings darf der Betreuer den Wünschen der betreuten Person nicht entsprechen, wenn diese aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung eine erhebliche Gefahr für sich selbst oder ihr Vermögen darstellt. Der Betreuer hat auch die Pflicht, Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen über die persönlichen Lebensumstände der betreuten Person zu informieren, wenn diese dies wünschen.
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Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit
Ob ein Mensch geschäftsfähig ist, hat nichts damit zu tun, ob er unter rechtlicher Betreuung steht oder nicht. Wer eine die freie Willensbildung einschränkende Krankheit hat, ist automatisch geschäftsunfähig, auch ohne rechtliche Betreuung. Auch wenn die Geschäftsfähigkeit und die Einwilligungsfähigkeit (freier Wille) bereits eingeschränkt sind, muss grundsätzlich auch der natürliche Wille der oder des Betroffenen berücksichtigt werden.
Patientenverfügung und natürlicher Wille
Eine Patientenverfügung spiegelt den Willen eines entscheidungsfähigen Menschen wider. Wenn der Patient später an Demenz erkrankt und seine neuerlichen Willensäußerungen der Verfügung vermeintlich widersprechen, stellt sich die Frage, welche Willensäußerung Vorrang hat. Das Gesetz liefert keinen Anhaltspunkt zur Lösung dieses Konfliktes. Es ist Aufgabe der Medizinethik, hier eine begründete normative Orientierung zu geben.
Die Bedeutung des natürlichen Willens
Auch wenn der natürliche Wille nicht mit dem autonomen Willen eines Patienten gleichgesetzt werden kann, ist er ethisch relevant. Als möglicher Indikator des Patientenwohls kommt ihm im Lichte des Fürsorgeprinzips große Bedeutung zu. Es ist wichtig, die Äußerungen von Patienten mit fortgeschrittener Demenz möglichst gut zu verstehen, um ihre Lebensqualität zu fördern.
Herausforderungen bei der Interpretation des natürlichen Willens
Die Interpretation des natürlichen Willens kann schwierig sein, insbesondere wenn ein Patient nur noch nonverbal kommunizieren kann. Es ist oft unklar, worauf sich Abwehrhandlungen genau richten und worauf sie basieren. Auch generelle Verhaltensmuster drücken meist eher die momentane Befindlichkeit aus.
Ethische Aspekte bei Therapieentscheidungen
Bei Therapieentscheidungen muss aus ethischer Sicht vor allem das längerfristige Wohlergehen des Patienten in den Blick genommen werden. Es wäre falsch, aus dem Umstand, dass ein Patient aktuell leidet, zu schließen, dass sein Leben für ihn nicht mehr lebenswert sei. Genauso wenig kann man umgekehrt aus dem Umstand, dass ein Patient aktuell entspannt und fröhlich ist, schließen, dass er am Leben erhalten werden möchte.
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Der natürliche Wille im Kontext von Patientenverfügungen
Der Konflikt zwischen vorausverfügendem und aktuell-natürlichem Willen ist nicht als Willensänderung zu verstehen, sondern als Konflikt zwischen (vorausverfügender) Autonomie und momentanem Wohlbefinden. Wie man diesen Konflikt ethisch entscheiden oder auflösen soll, darüber gibt es divergierende Auffassungen.
Empfehlungen für den Umgang mit dem natürlichen Willen
Um den natürlichen Willen von Menschen mit Demenz zu respektieren und ihr Wohlbefinden zu fördern, ist es wichtig, folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Adressatengerechte Kommunikation: Sprechen Sie mit dem Patienten bzw. beziehen Sie ihn in das Gespräch ein, nicht über den Patienten in seiner Gegenwart reden. Vermitteln Sie persönliches Interesse und persönliche Nähe, auch durch Körpersprache. Zeigen Sie respektvolles Verhalten und vermeiden Sie eine Verkindlichung der Sprache.
- Sorgfältige Beobachtung und Interpretation: Achten Sie auf nonverbale Signale und Verhaltensmuster. Versuchen Sie, die Ursachen für Abwehrhandlungen oder Unwohlsein zu verstehen.
- Berücksichtigung von Bedürfnissen und Vorlieben: Ermöglichen Sie Lieblingsbeschäftigungen und berücksichtigen Sie individuelle Vorlieben bei der Gestaltung des Alltags.
- Einbeziehung von Angehörigen und Betreuern: Beziehen Sie Angehörige und Betreuer in die Entscheidungsfindung ein und berücksichtigen Sie deren Einschätzungen.
- Ethische Reflexion: Reflektieren Sie Ihre eigenen Wertvorstellungen und Interessen und vermeiden Sie es, das Verhalten des Patienten so zu deuten, wie es Ihren eigenen Wünschen entspricht.
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