Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und Elektromyographie (EMG): Methoden zur Messung der Nervenleitbahnfunktion

Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und die Elektromyographie (EMG) sind wichtige diagnostische Verfahren in der Neurologie, um die Funktion der Nerven und Muskeln zu beurteilen. Diese Untersuchungen helfen, die Ursache von Beschwerden wie Schmerzen, Schwäche oder Taubheitsgefühle zu identifizieren und den Schweregrad von Nervenschäden einzuschätzen. In Deutschland werden NLG- und EMG-Untersuchungen am häufigsten von Neurologen durchgeführt.

Was ist die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)?

Die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) ist eine elektrische Untersuchung der Nervenfunktion. Dabei wird der Nerv an einem Punkt durch eine Elektrode elektrisch stimuliert, und an einem anderen Punkt werden die fortgeleiteten elektrischen Impulse gemessen. Aus der Entfernung zwischen den Stimulations- und Messpunkten und der Zeit zwischen Impuls und Ableitung kann die Nervenleitgeschwindigkeit berechnet werden. Sie ist abhängig vom Durchmesser der Nerven und dem Ausmaß der Myelinisierung (Myelinscheide). Kurz gesagt, wird überprüft, ob die Nervenleitung blockiert oder verlangsamt ist und ob die Nervenkabel normal leiten oder geschädigt sind.

Anwendungsbereiche der NLG-Untersuchung

Die NLG-Untersuchung wird häufig eingesetzt bei Verdacht auf:

  • Eine allgemeine Erkrankung der Nerven (Polyneuropathie)
  • Eine Schädigung einzelner Nerven (z.B. durch Verletzung, Einklemmung, Nervenkompressionssyndrom oder auch Nervenwurzeleinklemmung infolge eines Bandscheibenvorfalls)
  • Funktionsstörungen der Nerven in Arm und Bein (sog. periphere Nerven)

Liegt ein Nervenschaden vor, können durch die NLG-Untersuchung Aussagen über den Ort, die Art und das Ausmaß einer Nervenschädigung getroffen werden. Eine gezielte Nervenmessung zeigt genau, ob die Leitfähigkeit eines Nervs verzögert, blockiert oder geschädigt ist.

Ablauf der NLG-Untersuchung

  1. Vorbereitung: Am Tag der Untersuchung sollte die Haut nicht eingecremt sein. Schmuck wie Uhren und Armbänder müssen abgelegt werden. Bei Untersuchungen an den Beinen müssen Schuhe und Strümpfe ausgezogen und die Hosenbeine hochgekrempelt werden. Kalte Hände oder Füße können die Messwerte verfälschen, daher sollten diese vor der Untersuchung warm sein.
  2. Elektrodenplatzierung: Klebelektroden werden auf der Haut angebracht. Über diese Elektroden kann das Nervensignal über einen angeschlossenen Verstärker gemessen werden. Je nachdem, welcher Nerv betroffen ist bzw. welche Fasern eines Nervs (sensible vs. motorische Fasern) gemessen werden sollen, wird der Ort der Ableitelektroden gewählt.
  3. Stimulation: Um die Nervenfunktion zu messen, müssen die Nerven mit einem (ungefährlichen) Stromimpuls stimuliert werden. Die Intensität wird meist als unangenehm empfunden, ist aber erträglich.
  4. Messung und Auswertung: Die fortgeleiteten elektrischen Impulse werden gemessen und aufgezeichnet. Die Auswertung und Nachbearbeitung der Untersuchung nimmt einige Zeit in Anspruch, sodass eine sofortige Aussage zur Ursache der Erkrankung meist nicht möglich ist.

Ist die NLG-Untersuchung schmerzhaft oder gefährlich?

Die NLG-Untersuchung ist nur wenig schmerzhaft. Die Stromimpulse sind spürbar und werden meist als unangenehm empfunden, sind aber erträglich. Aus medizinischer Sicht ist die Untersuchung völlig ungefährlich.

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Was ist die Elektromyographie (EMG)?

EMG steht für Elektromyographie. Dies bedeutet, dass die elektrische Muskelaktivität aufgezeichnet wird. Die normale Anspannung eines Muskels wird durch elektrische Signale (welche über die Nerven zum Muskel geleitet werden) gemessen. Durch die EMG-Messung wird u.a. festgestellt, ob die Ansteuerung des Muskels durch die Nervenfasern intakt ist. Anhand der EMG-Untersuchung können Probleme der Nervenansteuerung der Muskeln bereits erfasst werden, bevor es zu einer Kraftminderung kommt.

Anwendungsbereiche der EMG-Untersuchung

Eine EMG-Untersuchung ist immer dann sinnvoll, wenn die Nervenbahnen zu den Muskeln beurteilt werden sollen. Mit dem EMG können Probleme der Nerv-Muskelansteuerung festgestellt werden, lange bevor der Nervenschaden so groß ist, dass es zu einem Kraftverlust kommt.

Die EMG-Untersuchung dient dazu, folgende Fragen zu beantworten:

  • Liegt eine Muskelschwäche vor? Ist diese durch eine gestörte Ansteuerung des Muskels (Neuropathie) oder durch Veränderungen des Muskels selbst (Myopathie) verursacht?
  • Wie schwerwiegend ist der Nervenschaden?
  • Regenerieren sich die Nervenfasern (z.B. nach einer Nervenverletzung)?

Ablauf der EMG-Untersuchung

  1. Vorbereitung: Eine spezielle Vorbereitung ist in der Regel nicht erforderlich.
  2. Nadelelektrode: Die Aufzeichnung erfolgt aus dem Muskel unter Verwendung einer sehr dünnen Nadelelektrode (weniger als halb so dick wie eine Blutentnahmenadel). Diese Untersuchung beinhaltet keine Stromstimulation.
  3. Messung und Auswertung: Die im Muskel selbst erzeugten elektrischen Signale werden durch die Nadelelektrode abgeleitet, über einen angeschlossenen Computer verstärkt und dann sichtbar und hörbar (und natürlich messbar) gemacht.

Risiken der EMG-Untersuchung

Theoretisch besteht (wie übrigens bei jeder Nadelanwendung: Injektion, “Spritze“, Akkupunktur o.a.) das Risiko einer Verletzung von Blutgefäßen z.B. durch die Nadel (Blutungsrisiko) oder einer Keimeinschleppung (Infektionsgefahr). Selbstverständlich werden zur Minimierung der Infektionsgefahr sterile Nadeln verwendet. Diese werden nach Gebrauch entsorgt und nicht wiederverwendet. Wie bei anderen Spritzen und Injektionen auch (im Rahmen einer Schutzimpfung zum Beispiel) kann über einige Tage ein „blauer Fleck“ verbunden mit einem Druckgefühl an dieser Stelle bleiben. Bei angeborener Blutungsneigung oder bei medikamentös starker Blutverdünnung sollte die EMG-Untersuchung aufgrund des Risikos nur bei dringender Notwendigkeit durchgeführt werden.

NLG und EMG als "Frühwarnsystem"

Besonders das EMG stellt eine sehr sensitive Untersuchungsmethode dar, sozusagen ein „Frühwarnsystem für Nervenschäden“. Die NLG- und EMG-Untersuchung ist besonders hilfreich, um Funktionsstörungen von Muskeln, Nerven und Nervenwurzeln festzustellen.

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Der Schlüssel zu einer aussagekräftigen NLG- und EMG-Untersuchung

Der Schlüssel zu einer aussagekräftigen NLG- und EMG-Untersuchung liegt in der genauen Vorbereitung - der neurologischen Voruntersuchung, darauf aufbauend der Formulierung der Fragestellung und der individuellen Untersuchungsplanung. Untersucht werden sollte genau „da wo es weh tut“ (d.h. bei Schmerzen genau der Nerv, der für dieses Areal zuständig ist), bzw. genau die Muskeln, die eine Funktionsstörung zeigen. Eine kurze Standarduntersuchung nach Schema F führt hier oft nicht weiter. Und genau da setzt der Ansatz moderner Diagnostik an - eine erweiterte Diagnostik, die das individuelle Problem berücksichtigt und zu einem aussagekräftigen Ergebnis kommt.

Ausbildung und Expertise

Erster Schritt der Ausbildung ist ein 6-jähriges Medizinstudium. Ein Facharzt für Neurologie hat nach Abschluss des Studiums eine nochmals mind. 5-jährige Ausbildungszeit zu absolvieren. In Deutschland wird die NLG- und EMG-Untersuchung am häufigsten von Neurologen durchgeführt. In einigen anderen Ländern existiert ein eigener Facharzt hierfür (clinical neurophysiology). An größeren Kliniken und Universitätskliniken gibt es auch in Deutschland zertifizierte Ausbildungsstätten, in denen NLG und EMG auf hohem spezialisierten Niveau praktiziert werden. Nur eine Ausbildung in zertifizierten Ausbildungsstätten (mit z.B.

Weitere Diagnostische Verfahren

Neben NLG und EMG gibt es weitere diagnostische Verfahren, die zur Beurteilung von Nervenleitbahnen eingesetzt werden können. Ein Beispiel ist die MRT-Neurographie.

MRT-Neurographie

Die MRT-Neurographie ist eine spezielle Form der Magnetresonanztomographie (MRT), die zur Darstellung von Nerven eingesetzt wird. Sie ermöglicht es, Nervenstrukturen detailliert zu visualisieren und Veränderungen wie Entzündungen, Verletzungen oder Kompressionen zu erkennen.

Wichtige Hinweise zur MRT-Neurographie:

  • Implantate: Wenn Sie ein Implantat wie zum Beispiel Herzschrittmacher oder Insulinpumpe im Körper tragen, klären Sie bitte unbedingt vorab, ob diese für die MRT-Neurographie zugelassen sind.
  • Kontrastmittel: Um zum Beispiel entzündliche Veränderungen erkennen zu können, wird über die Vene ein Kontrastmittel verabreicht. Dazu werden vorab die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und der Kreatininwert benötigt.
  • Bedenken oder Raumangst: Wenn Sie aus verschiedenen Gründen Bedenken vor der MRT-Neurographie haben oder von Raumangst betroffen sind, sprechen Sie das bitte am besten schon bei der Terminvereinbarung an.

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