Der Zahnnerv, auch Pulpa oder Zahnmark genannt, ist ein lebenswichtiges Gewebe, das sich tief im Inneren des Zahns befindet. Geschützt durch Zahnschmelz und Dentin, besteht er aus Blutgefäßen, Nervenfasern und Bindegewebe. Entzündungen des Zahnnervs können sehr schmerzhaft sein und verschiedene Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Nervenproblemen im Oberkieferzahn.
Aufbau und Funktion des Zahnnervs
Der Zahnnerv befindet sich in einem Hohlraum im Inneren des Zahns. Er ist von Dentin umgeben, das von winzigen Dentinkanälchen durchzogen ist. Diese Kanälchen stellen eine Verbindung zwischen dem Zahnnerv und den äußeren Schichten des Dentins her. Der Zahnnerv versorgt den Zahn mit Nährstoffen und ist für die Schmerzempfindung verantwortlich.
Ursachen für Nervenprobleme im Oberkieferzahn
Es gibt verschiedene Ursachen für Nervenprobleme im Oberkieferzahn:
- Karies: Mit Abstand am häufigsten entzündet sich der Zahnnerv durch Bakterieneinwirkungen infolge einer Karies. Karies ist ein Prozess, bei dem der Zahn durch säurehaltige bakterielle Abbauprodukte Zug um Zug verätzt und schließlich zerstört wird. Je tiefer sich eine Karies ins Dentin ausbreitet, desto höher ist die Gefahr, dass giftige Abbauprodukte der Bakterien oder auch die Bakterien selbst über Dentinkanälchen den Zahnnerv erreichen und eine Entzündung verursachen. Besonders heimtückisch ist Karies, die sich unsichtbar unter alten Füllungen und Kronen entwickelt. Über undichte Füllungs- und Kronenränder können Bakterien eindringen und den Zahn zerstören.
- Reize bei zahnärztlichen Behandlungen: Zahnnerventzündungen können auch durch Reize ausgelöst werden, die beim Präparieren eines Zahnes für die Versorgung mit Kronen und Brücken entstehen (z. B. Wärmeentwicklung, Vibrationen).
- Trauma: Ein abgebrochener oder gesprungener Zahn oder Risse im Zahn können das Dentin oder den Nerv Reizstoffen aussetzen. Bakterien können sich auch in Rissen ansammeln, was zu Infektionen und Abszessen tief im Zahn führen kann.
- Zahnfleischerkrankungen: Plaquebakterien verursachen auch Zahnfleischerkrankungen, die zu Entzündungen, Reizungen und Zahnfleischrückgang führen. Wenn das Zahnfleisch zurückgeht, können die Zahnhälse frei liegen, was zu schmerzenden Zähnen und Empfindlichkeit führt.
- Säureerosion: Der Zahnschmelz ist zwar hart, aber nicht säurebeständig. Der Verzehr von sauren Lebensmitteln und Getränken kann den Zahnschmelz vorübergehend weich machen und Mineralien ausspülen. Dies kann auch passieren, wenn Sie unter Symptomen wie Erbrechen oder saurem Reflux leiden.
Symptome von Nervenproblemen im Oberkieferzahn
Typische Symptome für eine Entzündung des Zahnnervs sind:
- Klopfend-pulsierende Zahnschmerzen, die durch einen Überdruck im Zahn entstehen.
- Heiß-Kalt-Sensibilität
- Aufbissempfindlichkeit
- Starke, stechende Schmerzen im Gesicht, die in den Kiefer ausstrahlen können (Hinweis auf Trigeminusneuralgie)
Wenn die Entzündung nicht behandelt wird, kann der Zahnnerv absterben. In diesem Fall können sich eitrige Abszesse an der Wurzelspitze bilden ("dicke Backe").
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Diagnose von Nervenproblemen im Oberkieferzahn
Um Nervenprobleme im Oberkieferzahn zu diagnostizieren, wird der Zahnarzt eine gründliche Untersuchung durchführen. Dazu gehören:
- Anamnese: Der Zahnarzt wird nach den genauen Beschwerden fragen und Informationen über die Krankengeschichte des Patienten einholen.
- Klinische Untersuchung: Der Zahnarzt wird den Zahn und das umliegende Gewebe untersuchen. Er wird auf Anzeichen von Karies, Entzündungen oder anderen Problemen achten.
- Röntgenaufnahmen: Röntgenaufnahmen können helfen, Karies, Entzündungen an der Wurzelspitze oder andere Probleme zu erkennen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind.
- Sensibilitätsprüfung: Der Zahnarzt kann die Sensibilität des Zahns mit Kälte oder Wärme testen.
Behandlung von Nervenproblemen im Oberkieferzahn
Die Behandlung von Nervenproblemen im Oberkieferzahn hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Entzündung ab.
Konservative Behandlung
In einigen Fällen kann eine Entzündung des Zahnnervs wieder abklingen, wenn die Ursache, wie z. B. ein "Kariesloch", beseitigt wird. Weitere konservative Maßnahmen sind:
- Zahnpasta für empfindliche Zähne: Diese Zahnpasten enthalten Inhaltsstoffe, die die Dentinkanälchen blockieren und den Nerv schützen.
- Fluoridhaltige Mundspülungen: Fluorid kann helfen, den Zahnschmelz zu stärken und den Schmelzverlust zu reduzieren.
- Vermeidung von säurehaltigen Lebensmitteln und Getränken: Säure kann den Zahnschmelz angreifen und die Empfindlichkeit erhöhen.
Wurzelkanalbehandlung
Wenn die Entzündung des Zahnnervs zu stark ist oder der Nerv bereits abgestorben ist, ist eine Wurzelkanalbehandlung erforderlich. Bei einer Wurzelkanalbehandlung wird das Gewebe des Zahnnervs aus dem Inneren des Zahnes entfernt und der Zahn mit einem Füllmaterial dicht verschlossen, um die Wiederbesiedlung mit Keimen zu verhindern.
Die Wurzelkanalbehandlung umfasst folgende Schritte:
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- Zugang zum Wurzelkanal: Der Zahnarzt bohrt ein Loch in den Zahn, um Zugang zum Wurzelkanal zu erhalten.
- Entfernung des entzündeten Gewebes: Das entzündete Gewebe wird mit speziellen Instrumenten aus dem Wurzelkanal entfernt. Wichtig für den Erfolg der Behandlung ist, dass der Zahnarzt ALLE Wurzelkanäle findet, damit keine bakteriellen Infektionsherde im Zahn zurückbleiben. Diese Suche kann mitunter sehr aufwendig sein. Ein weiteres Problem sind Seitenkanäle und verzweigte Hohlräume im Bereich der Zahnwurzeln, aus denen Bakterien kaum restlos zu entfernen sind und die deshalb mit der Wurzelfüllung dicht „eingemauert“ werden müssen. Wurzelkanäle können stark gekrümmt sein und diverse Hohlräume, Verengungen und Verbindungskanäle ausbilden, sodass die Aufbereitung, Desinfektion und Reinigung sehr aufwendig werden können. Auch schwierige Wurzelkanäle können heute mithilfe moderner Techniken erfolgversprechend behandelt werden. Leider werden nicht alle Maßnahmen von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen, sodass die Behandlung in bestimmten Fällen privat bezahlt werden muss.
- Reinigung und Desinfektion: Der Wurzelkanal wird gründlich gereinigt und desinfiziert, um alle Bakterien zu entfernen. Insbesondere die Seitenkanälchen im Bereich der Wurzelspitze (siehe Kasten) sind kaum vollständig aufzubereiten. Sind hier verbliebene Bakterien nicht durch das Wurzelfüllmaterial fest „eingemauert“, kann sich eine chronische Entzündung entwickeln, die lange Zeit auch ohne merkliche Beschwerden verlaufen kann.
- Füllung des Wurzelkanals: Der gereinigte Wurzelkanal wird mit einem speziellen Füllmaterial (z. B. Guttapercha) dicht verschlossen.
- Versorgung des Zahns: Der Zahn wird mit einer Füllung oder Krone versorgt, um ihn zu stabilisieren und vor weiteren Schäden zu schützen.
Nicht jeder Zahn, der durch eine Wurzelkanalbehandlung erhalten werden kann, darf auf Kosten der gesetzlichen Kassen behandelt werden. Die Regelungen dazu sind kompliziert und umfangreich. Eine Wurzelkanalbehandlung als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist möglich, wenn der zu behandelnde Zahn im Sinne der Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses* ERHALTUNGSWÜRDIG und ERHALTUNGSFÄHIG ist. Darüber hinaus spielen auch die Beurteilung der Gebisssituation und Fragen, ob der Zahn eine wichtige Funktion im Gesamtsystem hat oder ob eine Gegenbezahnung vorhanden ist, eine Rolle.
*Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 91 Abs.
Wurzelspitzenresektion
Ist diese Entzündung an der Wurzelspitze nicht mehr anders behandelbar, bleibt die sogenannte Wurzelspitzenresektion als letztes Mittel, um die Infektionsquellen zu beseitigen und den drohenden Verlust des Zahnes zu vermeiden. Bei dieser chirurgischen Behandlung wird Eiter- und Zystengewebe rund um die Wurzelspitze entfernt und die Zahnwurzel um etwa ein Drittel gekürzt.
Zahnextraktion
In manchen Fällen ist eine Zahnextraktion (Zahnentfernung) die einzige Möglichkeit, um die Schmerzen zu lindern und weitere Komplikationen zu vermeiden. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Zahn stark beschädigt ist oder die Entzündung zu weit fortgeschritten ist.
Prävention von Nervenproblemen im Oberkieferzahn
Um Nervenproblemen im Oberkieferzahn vorzubeugen, ist eine gute Mundhygiene unerlässlich. Dazu gehören:
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- Regelmäßiges Zähneputzen (mindestens zweimal täglich) mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta.
- Verwendung von Zahnseide oder Interdentalbürsten, um die Zahnzwischenräume zu reinigen.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt (mindestens einmal jährlich), damit Karies bereits im Frühstadium erkannt und behandelt werden kann.
- Professionelle Zahnreinigung, um Plaque und Zahnstein zu entfernen.
- Einschränkung des Konsums von zuckerhaltigen Lebensmitteln und Getränken.
- Vermeidung von sauren Lebensmitteln und Getränken oder sofortiges Zähneputzen nach dem Verzehr.
Nervschädigungen im Oberkieferbereich
Nerven im Oberkieferbereich können durch verschiedene Ursachen geschädigt werden. Funktionseinschränkungen von Nerven im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich können als Langzeitfolge nach schweren Verletzungen durch Unfälle oder frühere Operationen auftreten. Dabei kann zerrissenes oder verletztes Nervengewebe (Nervenläsion) mit mikrochirurgischen Techniken behandelt werden. Die getrennten Nerv-Stümpfe werden freigelegt und wieder zusammengenäht. Narbenzüge, die nach früher zurückliegenden Operationen entstanden sind, können ebenfalls solche Nerv-Ausfälle bewirken. Sie können unter dem Mikroskop gelöst werden. Bei reduziertem Knochenangebot im Seitenzahnbereich des Unterkiefers ist eventuell auch eine Verlagerung des im Knochen verlaufenden Nerven notwendig.
Ursachen für Nervschädigungen
- Traumatische Läsionen: Bei traumatischen Läsionen ist die Fähigkeit des Nerven, Impulse weiterzuleiten, eingeschränkt.
- Iatrogene Schäden: Im Verlauf von endodontischen Behandlungen können Nerven im Kieferbereich geschädigt werden. Eine Ursache für eine mögliche Verletzung des Nervs während einer Wurzelkanalbehandlung ist zum Beispiel ein versehentlich in den Nervkanal appliziertes Wurzelkanalinstrument. Natriumhypochlorid, das zum Spülen des Wurzelkanales benutzt wird, führt zu Schäden im Bereich eines Nervs, wenn es mit zu hohem Druck in den Wurzelkanal eingebracht wird. Dadurch wird die Spülflüssigkeit in die Umgebung des Zahnes gepresst und hat direkten Kontakt zum Nerven, der dadurch eine toxische Schädigung erfährt. Während der endodontischen Behandlung besteht nicht nur die Gefahr, dass der Nerv durch Spülflüssigkeiten geschädigt wird. Zusätzlich kann die Überstopfung mit Wurzelkanalfüllmaterial zu bleibenden toxischen Schäden führen, welche auch nach Entfernen des Materials bestehen bleiben kann.
- Chirurgische Eingriffe: Durch chirurgische Eingriffe können Nerven vorübergehend oder dauerhaft geschädigt werden.
- Implantation: Vor implantologischen Rehabilitationen muss eine genaue Diagnostik durchgeführt werden, um anschließende Komplikationen, wie zum Beispiel die Schädigung von Nerven, zu vermeiden. (Orthopantomogramm, digitales Volumentomogramm). Auch wenn präoperativ durch Computertomografie die Distanz des Nerven vom Alveolarkamm bestimmt werden kann, können Veränderungen wie Vergrößerungsfehler, Alveolarkammanatomie und Operationstechnik die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen erhöhen. Weiterhin müssen während der Operation gefährdete anatomische Strukturen maximal geschont werden. Bei der Schnittführung dürfen der Nervus lingualis und der Nervus mentalis nicht verletzt werden.
- Weisheitszahnosteotomie: Iatrogene Sensibilitätsstörungen des Nervus alveolaris inferior und des Nervus lingualis stellen sowohl für den Patienten als auch für den Behandler unangenehme Behandlungskomplikationen dar. Sie treten in erster Linie bei der operativen Weisheitszahnentfernung auf und können durch direktes scharfes oder stumpfes Trauma, aber auch durch eine postoperative Ödem- und Hämatombildung sowie durch eine Wundinfektion verursacht werden. Kontinuitätsunterbrechungen des Nervus alveolaris inferior und des Nervus lingualis können beispielsweise durch das Abgleiten eines Bohrers bei der Osteotomie entstehen. Weiterhin muss bei der Schnittführung zur Entfernung unterer Weisheitszähne darauf geachtet werden, nicht zu weit oral zu inzidieren, da hier bereits der Nervus lingualis verlaufen kann. Neben den Kontinuitätsunterbrechungen besteht auch das Risiko, die Nerven stumpf zu traumatisieren. Meistens geschieht dies durch unsachgemäße Handhabung eines Hebels oder durch eine dislozierende Zahnwurzel. Besonders ein interradikulärer Verlauf des Nervus alveolaris inferior stellt ein hohes Risiko für eine Nervschädigung dar. Eine stumpfe Schädigung des Nervus lingualis kann durch die Elevation des lingualen Periostes mit dem Raspatorium entstehen. Als Risikofaktoren für den Nervus alveolaris inferior sind ältere Patienten (> 25 Jahre) und voll ausgebildete Wurzeln zu nennen. Weiterhin treten postoperativ Sensibilitätsstörungen auf, wenn die Weisheitszähne tief verlagert sind oder die Wurzelspitze den Mandibularkanal auf dem präoperativen Röntgenbild überlagert. Auch aus der iatrogenen Eröffnung des Mandibularkanales, während der Osteotomie oder dem Separieren der Zahnwurzeln, kann eine Hypästhesie resultieren. Außerdem zeigt sich, dass die Erfahrung des Operateurs eine wichtige Rolle spielt und dass es bei Analgosedierung oder Operationen in ITN vermehrt zu Druckschäden des Nervus lingualis kommt, da hier unter anderem der Zungenretraktor eingesetzt wird. Weiterhin kann als zusätzliches diagnostisches Hilfsmittel in speziellen Fällen ein DVT in Betracht gezogen werden.
- Unterkieferfrakturen: Unterkieferfrakturen, die meistens durch Unfälle hervorgerufen werden, sind häufig mit Verletzungen im Bereich des Nervus alveolaris inferior verbunden. Durch die Kontinuitätsunterbrechung des Kiefers ist auch der Nervkanal betroffen.
- Bisphosphonate: Ein wichtiger Faktor, der während der letzten Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist die Behandlung mit Bisphosphonaten. Die Therapie mit diesen Medikamenten wirkt sich besonders auf den Kieferbereich aus. Patienten, die mit Bisphosphonaten therapiert werden, können beispielsweise Osteonekrosen im Kieferbereich entwickeln.
- Tumoren: Sensibilitätsstörungen im Ausbreitungsgebiet von sensiblen Nerven können auch durch Tumoren bedingt sein. Manchmal sind Hinweise auf einen Tumor als Ursache für Sensibilitätsstörungen bereits in der Anamnese zu finden. Falls ein gutartiger Tumor vorliegt (z.B. Lipom) besteht die Möglichkeit, dass nach dessen Entfernung die spontane Regeneration des Nervs zu beobachten ist. Da bösartige Tumoren ein stärker invasives Vorgehen erfordern, kann bei dieser Art von Befund nicht mit der Wiederherstellung der Nervfunktion gerechnet werden.
- Infektionen: Einige Infektionen verursachen Sensibilitätsstörungen. Zum Beispiel muss bei Sensibilitätsstörungen des Nervs differenzialdiagnostisch eine Herpes Zoster-Infektion in Betracht gezogen werden. Hierbei handelt es sich um eine Zweitmanifestation einer Varizella-Zoster-Viren-Infektion. Diese Viren persistieren nach einer Erstinfektion (Windpocken) lebenslang in den Gliazellen der Spinalganglien. Durch Immundefizienz (zum Beispiel auch nach OP) können die neurotropen Viren endogen reaktiviert werden.
- Lokalanästhesie: Die Nervschädigung durch Lokalanästhesie ist relativ selten (Inzidenz: 1:785.000), da die Kanüle in der Regel zu dünn ist. Falls eine Schädigung durch Lokalanästhesie vorliegt, ist in den meisten Fällen der Nervus lingualis betroffen. Weiterhin zeigt sich eine Sensibilitätsstörung des entsprechenden Nervs in Abhängigkeit des zur Lokalanästhesie verwendeten Präparates. Es wurde beobachtet, dass eine Injektion mit Prilocain ein fünf Mal höheres Risiko zeigt als die Lokalanästhesie mit Lidocain bzw. Mepivacain. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass die Schädigung des Nervs am ehesten von der Konzentration des Anästhetikums abhängt (Cave: Nachinjekion). Falls das Lokalanästhetikum intraneural injiziert wird, zeigt sich keine Kontinuitätsunterbrechung des betroffenen Nervs. Zunächst wird die spontane Regeneration abgewartet. Zusätzlich erfolgt eine antiödematöse Therapie, um eine Kompression des Nervs durch ein Ödem zu vermeiden. Als Medikation erhält der Patient Steroide (z.B. Decortin) für drei bis vier Tage in folgender Dosierung: 1. Tag 20 mg, 2.Tag 10 mg, 3. Tag 5 mg. Eine darüber hinausgehende Behandlungsoption gibt es nicht. Zusätzlich kann ein Nerv während der Lokalanästhesie mechanisch geschädigt werden. Falls der Nerv nicht selbst durch das Trauma der Injektionsnadel geschädigt wird, kann diese ein Blutgefäß verletzen.
Diagnostik von Nervschädigungen
Zur genauen Diagnostik und Objektivierung von Nervschädigungen stehen unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Zuerst muss abgeklärt werden, welche Ursache der Nervverletzung zugrunde liegt, wann sie eingetreten ist und wie groß der Umfang der Verletzung ist. Sensible Nerven reagieren mit Gefühlsstörungen auf Traumatisierungen, motorische Nerven weisen Lähmungen oder Fehlbewegungen auf. Falls der Nervus lingualis betroffen ist, zeigen sich Geschmacksstörungen. Bei Verletzungen des Nervus alveolaris inferior wird zunächst die Empfindungsqualität der Unterlippe untersucht. Hierbei wird überprüft, ob und wie stark der Patient Druck, Berührungsschmerz, Temperatur empfinden kann. Zusätzlich wird die Spitz-Stumpf-Diskriminanz bewertet. Außerdem muss die Vitalität der Zähne und die Sensibilität der Gingiva untersucht werden. Im proximalen Abschnitt des Nervs bleiben die Funktionen erhalten. Die Einteilung der Nervschädigung erfolgt nach Schweregraden in der Klassifizierung von Seddon und Sunderland.
Zur Objektivierung und Bewertung der Nervschädigung werden somatosensorisch evozierte Potenziale aufgezeichnet und der Kieferöffnungsreflex überprüft. Der Kieferöffnungsreflex ist eine elektrophysiologische Methode zur Objektivierung trigeminaler Sensibilitätsstörungen. Hierbei werden Muskelaktionspotenziale mittels Nadel- oder Hautelektroden abgeleitet, um neurogene Schädigungen zu beurteilen und zu differenzieren. Bei Vorliegen einer Anästhesie oder ausgeprägter Hypästhesie (keine Spitz-Stumpf-Diskriminanz) erfolgt zunächst die Auswertung des EMG. Falls kein Reflex auslösbar ist, sollte zeitnah eine operative Revision erfolgen. Sofern im EMG eine Reflexantwort mit erhöhter Reizschwelle auslösbar ist, wird der Regenerationsverlauf über drei bis sechs Monate kontrolliert und dokumentiert. Im Gegensatz zu Situationen, in denen kein Reflex auslösbar ist und der Verdacht auf Kontinuitätsunterbrechung des Nervs besteht, muss in diesem Fall keine kurzfristige Therapie erfolgen.
Therapie von Nervschädigungen
Eine medikamentöse Therapie, die den Regenerationsprozess des Nervs induziert oder fördert, ist nicht bekannt. Wenn die gesicherte Kontinuitätsunterbrechung eines Nervs vorliegt, muss der Nerv sofort oder durch eine frühe Sekundärrekonstruktion versorgt werden. Auf jeden Fall sollte die Therapie zeitnah erfolgen. Falls ein dauerhafter Teilausfall (Hyperästhesie) vorliegt, besteht die Möglichkeit, nach sechs Monaten eine chirurgische Revision durchzuführen. Eventuell kann der betroffene Nervenanteil reseziert und durch ein Transplantat ersetzt werden (Erfolgschance 50 bis 60 Prozent). Wenn die Sensibilitätsstörungen des Nervs nach drei Monaten noch vorhanden sind, ist eine Regeneration nur noch in Ausnahmefällen zu erwarten. Auch wenn Wurzelfüllmaterial in den Mandibularkanal überstopft wird, erfordert dies eine sofortige chirurgische Therapie, da sonst bleibende toxische Schäden des Nerven nicht auszuschließen sind. Bei Nervschädigungen chemisch-toxischer Genese stellt die Resektion des Nervensegmentes mit anschließender Nervtransplantation die Therapie der Wahl dar.
Zur Unterstützung der Regeneration von geschädigten Nerven werden verschiedene Formen der Akupunktur angewendet. Hierzu gehören die klassische Akupunktur der traditionellen chinesischen Medizin, bei der die gesetzte Nadel ohne weitere Manipulation belassen, erhitzt oder manuell stimuliert wird, sowie die Akupunktur mit Moxibution. Neuere Behandlungsmethoden sind die Akupunktur mit elektrischer Nadelstimulation und die aktivierte Akupunktur mit elektrischer Nadelstimulation. Bei der elektrischen Nadelstimulation werden unterschiedliche Frequenzen angewendet. Es wird die hochfrequente Stimulation (circa 50Hz) von der niederfrequenten Stimulation (2 bis 10Hz) unterschieden. Der analgetische Effekt der Stimulation wird durch die Ausschüttung von Neuropeptiden und Monoaminen hervorgerufen. Weiterhin werden verschiedene antinozizeptive Systeme aktiviert. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass jüngere Patienten (unter 40 Jahre) eine bessere Regenerationskapazität haben. Weiterhin bestimmt der Zeitpunkt des Therapiebeginns die Prognose der Nervregeneration. Eine frühe Akupunktur führt zu besseren Therapieerfolgen als eine später begonnene Therapie. Als initiale Therapie werden zehn Sitzungen von 20 bis 30 Minuten Dauer empfohlen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die „Akupunktur durch Nadelstich-Technik zur Schmerzbehandlung“ in die ärztliche Gebührenordnung aufgenommen wurde (GOÄ 269).
Prävention von Nervschädigungen bei zahnärztlichen Behandlungen
Um Schädigungen im Bereich von Nerven zu vermeiden, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass der entsprechende Nerv bei der zahnärztlichen Behandlung maximal geschont wird. Grundsätzlich ist eine stumpfe Präparation anzuwenden. Während der Diagnostik müssen die anatomischen Strukturen genauestens untersucht werden. Um eine präzise räumliche Orientierung zu bekommen, ist oft eine radiologische Untersuchung in zwei Ebenen (gegebenenfalls auch dreidimensional) erforderlich. Wenn dies nicht erfolgt, entstehen Fehler durch Überlagerungen von Strukturen. Für die implantologische Versorgung im posterioren Bereich der Mandibula zeigte sich, dass zur radiologischen Diagnostik der Knochenhöhe die Anfertigung eines OPG ausreichend ist. Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von 2mm zum Nervenkanal einzuhalten. Zusätzlich muss während der OP darauf geachtet werden, die entsprechenden Nerven zu schonen und eventuell mit einem Instrument zu schützen.
Rechtliche Aspekte bei Nervschädigungen
Bei jedem chirurgischen Eingriff muss der Patient gründlich über mögliche Risiken und Komplikationen aufgeklärt werden. Falls nach einer Operation eine Nervschädigung diagnostiziert wird, stellt sich die Frage, ob der Schaden vermeidbar war oder auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist. An dieser Stelle soll auf ein Urteil des OLG Koblenz hingewiesen werden, aus dem hervorgeht, dass jeder Patient vor jeder Injektion über Risiken informiert werden muss (OLG Koblenz, Urteil vom 13.05.2004 - 5U 41/03). Die Höhe des Schmerzensgeldes für Patienten, deren Nerv aufgrund einer zahnärztlichen Behandlung dauerhaft geschädigt ist, liegt zwischen 2.000 und 10.000 Euro. Abschließend lässt sich festhalten, dass iatrogene Nervverletzungen nicht sehr häufig vorkommen und durch fachgerechte Therapieplanung und deren Umsetzung vermeidbar sind.
Trigeminusneuralgie
Die Trigeminusneuralgie ist eine neurologische Erkrankung, die starke, stechende Schmerzen im Gesicht verursacht. Die Schmerzen treten im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus auf - typischerweise im Bereich der zweiten (Oberkiefer) oder dritten (Unterkiefer) Nervenäste. Fast immer ist nur eine Gesichtshälfte betroffen - meist im Bereich von Wange, Ober- oder Unterkiefer.
Ursachen der Trigeminusneuralgie
Die genauen Auslöser können unterschiedlich sein. In vielen Fällen drückt ein Blutgefäß auf den Trigeminusnerv und reizt ihn. Es gibt aber auch sekundäre Formen, etwa im Zusammenhang mit Multipler Sklerose oder nach Verletzungen. Ursächlich als Reizauslöser können freiliegendes Dentin sein oder selbst winzigste Risse im Zahnschmelz. Aber auch Karies, Wurzelentzündungen, Parodontose und Zahnfleischerkrankungen können als Ursache ausgemacht werden. Ferner kann auch nächtliches Zähneknirschen morgendliche Kopf- oder Nackenschmerzen oder Schmerzen im Ober- und Unterkiefer bedingen. Weitere Ursachen für eine Neuralgie können in einer lokalen Einengung des Nervs liegen, in Verletzungen, Entzündungen oder Tumoren liegen. Auch die Nähe zu einem Blutgefäß oder eine Verlagerung einer Arterie kann eine Rolle spielen. Gelegentlich kommt es auch im Laufe zahnärztlicher Therapien zu Reizungen der Nerven, die von nur leichten Irritationen bis zur ausgeprägten Neuralgie reichen, wobei die Ursachen und Therapien sorgfältig abgewogen werden müssen. Ebenfalls beobachten lässt sich bei manchen Menschen ein sogenannter Trigger als auslösendes Schmerzmoment: etwa ein Berührungsreiz im Gesicht, ein Luftzug, Sprechen, Kauen, Zähneputzen sowie Stress.
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