Depressionen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und können sich auf vielfältige Weise äußern. Neben den bekannten psychischen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Interessenverlust können auch körperliche Beschwerden auftreten. Ein besonders belastendes Symptom, das häufig mit Depressionen einhergeht, sind Nervenschmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Nervenschmerzen und Depressionen, ihre Ursachen und mögliche Behandlungsansätze.
Das Zusammenspiel von Körper und Seele
Die Vorstellung, dass Krankheiten entweder rein körperlich oder rein psychisch sind, gilt heute als überholt. Vielmehr handelt es sich meist um eine Mischung mit unterschiedlicher Gewichtung. Seelische Belastungen können psychosomatische Symptome hervorrufen oder verstärken, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schwindel, Nacken- oder Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden sowie Herzrasen, Schweißausbrüche oder Atemnot. Diese Beschwerden können chronisch verlaufen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Die Rolle von Stress
Nicht jeder Stress macht krank, aber Stress kann immer dann krank machen, wenn mehr Stress in das "Fass hineinläuft als unten ablaufen" kann. Nach einer Phase langanhaltender Überbelastungen wird die "Stress-Alarmanlage" ausgelöst. Automatisch spannen sich u.a. alle Muskeln an, was häufig nicht wahrgenommen wird. Hält diese Anspannung länger an, so verkürzen, verkleben und verhärten sich die Muskeln, was sich auch auf Sehnen, Bindegewebe und Knochenhaut auswirkt. Der Mensch fühlt sich verspannt und schneller erschöpft. Messungen zeigten, dass bei einem entspannten Menschen beim Händeschütteln ca. 60 Muskelabschnitte "arbeiten". Bei Menschen, die verspannt und im Stress sind, wird dagegen ein Vielfaches an Muskeln gleichzeitig aktiviert. Diese Überaktivierung und Daueranspannung, besonders der tiefen Muskulatur, findet sich bei allen anderen Aktivitäten und im Ruhezustand wieder, was zu einem erhöhten Energieverbrauch führt. Im späteren Verlauf können erste Schmerzen, zumeist an den Muskeln, Sehnenansätzen oder der Knochenhaut auftreten, denn, wie oben beschrieben, verändert die dauernd anspannte Muskulatur auch das umliegende Gewebe. Es kommt Mikroentzündungen, die im Blut nicht nachweisbar sind. Man spricht von einem "Weichteilschmerz".
Das Schmerzgedächtnis
Wenn Schmerzen lange anhalten, senden Nerven dauerhaft Impulse an das Gehirn. Dort kann es zu einer Überreaktion kommen, die Reizweiterleitung und Verarbeitung im Gehirn verändert sich und ein Schmerzgedächtnis entsteht. Anstelle von Hormonen zur Schmerzhemmung sendet das Gehirn Botenstoffe aus, die die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Das kann selbst dann noch geschehen, wenn die eigentliche Schmerzursache behoben oder verheilt ist. Das Gehirn hat den Schmerz "gelernt" und reagiert auf kleinste Reize mit starken Schmerzsignalen.
Ursachen von Nervenschmerzen bei Depressionen
Menschen mit Depressionen haben häufiger Schmerzen. Dabei können Depressionen auf unterschiedliche Art und Weise zu Schmerzen oder einem erhöhten Schmerzempfinden führen.
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- Veränderte Schmerzwahrnehmung: Durch eine depressive Erkrankung verändern sich die Schmerzschwelle und die Schmerzwahrnehmung deutlich. Gemäß der sogenannten "Gate-Control-Theorie" wird die Schmerzwahrnehmung im Gehirn beeinflusst. Durch depressive Erkrankungen ist diese Beeinflussung verändert. Dadurch werden manche Schmerzen von depressiven Menschen als sehr intensiv erlebt.
- Larvierte Depression: Wissenschaftler sprechen von sogenannten "larvierten" oder "maskierten" Depressionen, bei der klassische Symptome von Depressionen von Patienten nicht berichtet oder nicht wahrgenommen werden, obwohl eine verdeckte depressive Erkrankung vorliegt. Dabei sind in der Regel das Freudeempfinden, das Interesse an sozialen und Freizeit-Aktivitäten oder der Antrieb beeinträchtigt. Was den betroffenen Patienten jedoch auffällt, sind körperliche Beschwerden, wegen denen sie Hilfe suchen. Diese Schmerzen haben jedoch in der Regel keine körperliche Ursache, sondern treten als Symptome der psychischen Erkrankung auf.
- Antriebshemmung: Depressive Menschen leiden meistens an einer starken Antriebshemmung. Fehlende körperliche Aktivitäten können zu leichten Bewegungseinschränkungen führen, die wiederum Schmerzen auslösen.
- Mangelnde Behandlung: Depressionen können dazu beitragen, dass bestehende Schmerzen nicht richtig behandelt werden. Durch den verringerten Antrieb kann es dazu kommen, dass Arztbesuche vermieden werden.
Weitere Faktoren, die zur Entstehung einer Depression beitragen können:
- Erbliche Vorbelastung
- Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn (Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin)
- Fehlgeleitete Entwicklung in der Kindheit
- Unzureichend verarbeitete Verlusterlebnisse bzw. Traumata
- Kritische, belastende oder negative Ereignisse
- Körperliche Erkrankungen
- Weibliches Geschlecht
- Single-Dasein
- Großstädte
- Wenige gesellschaftliche Kontakte
- Niedriger Ausbildungsgrad
- Arbeitslosigkeit
- Cannabis-Konsum und Alkohol-Missbrauch
Symptome von Nervenschmerzen
Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) treten oft stechend oder kribbelnd in Rücken oder Beinen auf. Sie sind weit verbreitet: Die Neuralgie zählt sogar, neben Rückenschmerzen und Kopfschmerzen, zu den häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen. Dem Schmerzsyndrom liegt eine direkte Aktivierung der Schmerzbahn zwischen dem Bereich des Nervenschadens und dem Gehirn zugrunde - diese Aktivierung kann durch kleinste Reize getriggert werden und bei Patientinnen und Patienten Schmerzen wie Stromschläge auslösen.
Ursachen für Nervenschmerzen
Auslöser für Nervenschmerzen oder neuropathische Schmerzen ist eine Schädigung im Nervengewebe. Nervenschmerzen entstehen durch Erkrankungen, Infektionen oder Verletzungen, die zu Nervenschädigungen und Fehlfunktionen im Nervensystem führen. Die Einwirkung von Neurotoxinen (Nervengifte) kann ebenfalls zu Nervenschmerzen führen.
Psychische Faktoren
Eine Angststörung, eine Depression oder ständiger Stress kann körperliche Symptome zur Folge haben. Dann ist die Spannung im Körper erhöht, die Schmerzempfindlichkeit steigt. Man nennt diese Form von Schmerzsyndromen somatoforme Störung beziehungsweise somatoforme Schmerzstörung oder auch psychosomatische Erkrankung.
Ausstrahlende Schmerzen
Neuropathische Schmerzen strahlen meist in den ganzen Körperbereich aus, der von einem Nerv oder mehreren Nerven versorgt wird. Manchmal haben Betroffene auch an verschiedenen Körperstellen gleichzeitig stechende Schmerzen. Die Schmerzwahrnehmung bei Nervenschmerzen ist typischerweise verändert. Schon harmlose Reize wie leichte Berührung, Wärme, Kälte oder Druck auf der Haut können bei Betroffenen Schmerzen auslösen (Allodynie).
Mögliche Lokalisationen von Nervenschmerzen
Da der gesamte Körper von Nervensträngen durchzogen ist, sind neuropathische Schmerzen in fast allen Körperbereichen möglich.
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- Rücken: Ein Bandscheibenvorfall kann zu Schmerzen führen, da die Bandscheibe auf einen Nerv drückt und ihn reizt. Besonders der Ischias ist oft betroffen. Die Schmerzen können bis in Gesäß und Bein ausstrahlen. Schmerzen im unteren Rücken und Po können auf ein Piriformis-Syndrom hinweisen.
- Rumpf, Arm oder Gesicht: Bei der Post-Zoster-Neuralgie handelt es sich um starke Nervenschmerzen auf der Haut, die nach einer Gürtelrose auftreten.
- Kopf oder Gesicht: Sind die Symptome der Nervenschmerzen am Kopf oder Gesicht, handelt es sich in vielen Fällen um eine Trigeminusneuralgie.
- Fuß: Schmerzen am Fuß können von einer diabetischen Polyneuropathie kommen. Überhöhte Zuckerwerte schädigen die Nerven.
Diagnose von Depressionen
Um eine Depression festzustellen, fragen Ärztinnen und Ärzte zum einen nach Beschwerden, die für eine Depression typisch sind. Zum anderen ist es wichtig, andere Erkrankungen oder Probleme auszuschließen, die ähnliche Beschwerden verursachen können.
Typische Nebensymptome
- Appetitlosigkeit
- Schlafstörungen
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Geringes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle
- Innere Unruhe
- Hoffnungslosigkeit
- Selbsttötungsgedanken oder -versuche
Diagnoseverfahren
Zur Diagnose werden oft bestimmte Fragebögen eingesetzt. Zeigt sich, dass mehrere Haupt- und Nebensymptome 2 Wochen oder länger andauern, wird eine Depression festgestellt. Je nach Anzahl, Art und Stärke der Symptome unterscheiden Fachleute zwischen leichten, mittelschweren und schweren Depressionen - sowie zwischen chronischen Depressionen und einer depressiven Episode. Die Therapeutin oder der Therapeut fragt auch nach weiteren Erkrankungen und danach, wie sich die Beschwerden auf das Alltagsleben auswirken.
Behandlung von Nervenschmerzen und Depressionen
Die Therapie von Nervenschmerzen ist oft schwierig, denn rezeptfreie Schmerzmittel wirken in der Regel nicht bei den Patienten. In der Schmerztherapie werden häufig Medikamente mit Physiotherapie oder Psychotherapie kombiniert. Weitere Ansätze für die Therapie sind Nervenblockaden, Infiltrationen, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und Entspannungstechniken. Hausmittel können Nervenschmerzen nicht beseitigen, aber tun bisweilen gut. Dazu zählen kühle Kompressen, warme Auflagen oder Bäder.
Psychotherapie
Die Psychotherapie ist eine effektive Methode zur Behandlung der Depression. Die Psychotherapie bei Depressionen wird durch qualifizierte Ärzte oder psychologische Psychotherapeuten durchgeführt. Man unterscheidet Verhaltenspsychotherapie und analytische Psychotherapie. Für die Depression wird man überwiegend die Verhaltenspsychotherapie anwenden. Hierbei werden die verschiedenen Lebensbereiche im Hinblick auf Krankheit-auslösende oder Krankheit-unterstützende Faktoren analysiert, erörtert und Möglichkeiten der Konfliktlösung aufgezeigt. Im optimalen Fall führt dies zu einer Verhaltensänderung des Patienten, die für ihn vorteilhaft ist und zur Ausheilung der Depression beiträgt.
Medikamentöse Therapie
Ziel der medikamentösen Therapie der Depression ist es Störungen im Stoffwechsel der Überträgerstoffe zwischen den Nervenzellen im Gehirn zu verbessern. Wichtige Überträgerstoffe hierfür sind Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Melatonin. Es stehen etwa 10 Substanzen der 1. Wahl zur Verfügung. Die Frage, welches Medikament, in welcher Dosierung, über welchen Zeitraum eingesetzt werden soll, wird durch den Facharzt (Psychiater oder Neurologen) in enger Abstimmung mit dem Patienten festgelegt. Wichtig ist zu wissen, dass viele antidepressive Medikamente ihre Wirksamkeit erst nach Ablauf von 2 Wochen entfalten und sich diese danach, auch bei gleichbleibender Dosierung, noch steigern kann.
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Körperliches Training und Entspannungstraining
Die körperliche Therapie der Depression wird oft vernachlässigt. Ratsam sind 30-60 min Ausdauertraining mehrfach wöchentlich. Durch körperliches Training werden die Gehirnzellen aktiviert und Stammzellen im Gehirn zur Teilung angeregt. Schon nach kurzer Zeit können Stimmung und Lebensfreude steigen, Antrieb und Selbstvertrauen sich normalisieren, Schlafstörungen behoben sein. Eine Sonderform des körperlichen Trainings ist das Entspannungstraining. Dieses wird unter Anleitung durch spezifisch geschulte Physiotherapeuten oder Sportlehrer vermittelt und kann danach in eigener Regie praktiziert werden.
Weitere Therapieansätze
- Neural-Akupunktur: Hypothetisches Ziel der Neural-Akupunktur ist es, durch Stimulation an den Nervenaustrittspunkten die Freisetzung der körpereigenen Endorphine herbeizuführen. Die, landläufig auch als Glückshormone bezeichneten, Endorphine haben eine schmerz-lösende, ausgleichende und Stimmungs-aufhellende Wirkung.
- Magneto-elektrische Stimulation: Mit einer direkt über den Kopf gehaltenen Magnetspule wird im Bereich des Gehirns schwacher elektrischer Strom ausgelöst, der das Gehirn aktiviert.
Was können Angehörige tun?
Mit einer Depression kann der Alltag zu einem riesigen Berg werden, der kaum zu bewältigen ist. Arbeitsanforderungen erfüllen, privaten Verpflichtungen nachgehen, die Aufgaben im Haushalt erledigen - all das kann unendlich viel Kraft kosten. Oft verändert sich der Umgang mit nahestehenden Menschen. Auch für sie kann es sehr schwer sein, mit der Erkrankung umzugehen. Wenn der Mensch, der ihnen wichtig ist, sich zurückzieht und emotional kaum noch erreichbar ist, kann das zu Unverständnis und Streit führen - was die Situation für alle noch schwieriger macht. Oft sind Partnerinnen und Partner, Freundinnen und Freunde oder Angehörige die Ersten, die depressive Symptome und Veränderungen bemerken oder davon erfahren, weil sie die ersten Ansprechpartner sind. Ihre Unterstützung ist für Menschen mit Depressionen besonders wichtig. Nahestehende können aber auch an ihre Grenzen stoßen - und brauchen besonders bei schweren Depressionen oft selbst Hilfe. Hier können Selbsthilfegruppen oder Online-Angebote eine Möglichkeit sein, aber auch eine ärztliche oder psychologische Unterstützung.
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