Thoraxchirurgische Eingriffe sind heutzutage in der Regel mit geringen Komplikationsrisiken verbunden, sowohl während als auch nach der Operation. Trotz modernster schmerztherapeutischer Maßnahmen leiden einige Patienten jedoch unter Schmerzen, die länger anhalten oder sogar dauerhaft bestehen bleiben (chronische Schmerzen). Diese chronischen Schmerzen stellen eine wesentliche Herausforderung im thoraxchirurgischen Alltag dar.
Ursachen von Nervenschmerzen nach Lungen-OP
Die genauen Ursachen, die Pathogenese und damit auch kausale Therapieansätze sowie effektive prophylaktische Maßnahmen konnten bisher nicht überzeugend beschrieben werden. Eine wesentliche Ursache für Nervenschmerzen nach einer Lungen-OP ist die Schädigung von Interkostalnerven (Zwischenrippennerven). Während des operativen Eingriffs kann es zu direkten Schädigungen des Nervensystems kommen, beispielsweise durch Kompressionen, Dehnungen oder Traumen. Auch die Patientenlagerung während der Operation kann eine Rolle spielen. Entzündungsprozesse nach der Operation können ebenfalls dazu führen, dass die peripheren Nerven erkranken.
Durch eine Nervenverletzung kommt es im Nervensystem zu plastischen Veränderungen, die langfristig irreversibel werden können, sodass die neuropathischen Schmerzen in eine chronische Form übergehen. Das Ausmaß der Nervenverletzung variiert je nach Größe des operativen Eingriffs. Kleinere operative Eingriffe führen nicht unbedingt zu weniger Nervenschmerzen, und umgekehrt treten bei manchen Menschen, die einen großen operativen Eingriff hinter sich haben, nur geringe Nervenschmerzen auf.
Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit postoperativer Neuropathien. Dazu zählen Vorerkrankungen der peripheren Nerven sowie Nervenschäden begünstigende Erkrankungen wie Diabetes, sehr hoher oder sehr niedriger Body-Mass-Index, periphere Gefäßerkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Arthritis. Auch eine subjektiv erniedrigte Schmerzschwelle oder eine pessimistische Erlebnisverarbeitung können die empfundene Stärke von Nervenschmerzen beeinflussen.
Interkostalneuralgie als Ursache
Eine Interkostalneuralgie, bei der Nervenschmerzen zwischen den Rippen auftreten, kann ebenfalls eine Ursache für Schmerzen nach einer Lungen-OP sein. Diese Schmerzen entstehen durch Schädigungen oder Reizungen der Interkostalnerven. Die Symptome sind stechende Schmerzen entlang der Rippen, die sich vor allem beim Atmen, bei Bewegung, Husten oder Druck auf den Brustkorb verstärken können.
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Diagnose von Nervenschmerzen
Kennzeichnend für postoperative neuropathische Schmerzen ist eine charakteristisch veränderte Hautsensibilität. Betroffene reagieren unter- oder überempfindlich auf Reize wie Kälte, Wärme, Berührung oder Druck. Sie berichten von Taubheitsgefühlen und/oder Schmerzattacken, die sich kribbelnd, brennend, stechend, einschießend oder elektrisierend äußern können.
Um die Ursache der Nervenschmerzen zu ermitteln, ist eine gründliche Untersuchung durch einen Arzt erforderlich. Zunächst erfolgt ein ausführliches Gespräch, um die genauen Symptome zu erfahren. Anschließend wird der Arzt den Brustkorb abtasten und gezielt auf die Interkostalnerven Druck ausüben. Treten dabei Schmerzen auf, deutet dies auf eine Reizung einer oder mehrerer Nerven hin.
Je nach Befund kommen verschiedene Untersuchungsmethoden infrage, darunter bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT (Magnetresonanztomografie) oder CT (Computertomografie). Mit diesen Verfahren können beispielsweise Brüche, knöcherne Fehlstellungen oder Organerkrankungen als Ursache für die Beschwerden ausgeschlossen werden.
In einer Studie wird der Zusammenhang zwischen einer Schädigung von Interkostalnerven und der Ausprägung der chronischen postoperativen Schmerzen untersucht. Dabei werden die betreffenden Zwischenrippennerven magnetisch stimuliert und die dadurch hervorgerufene Muskelzuckung gemessen. Ziel ist es, die Nervenschädigung durch die Messung dieser magnetisch evozierten Potentiale zu erfassen und die Korrelation zwischen Nervenschädigung und der Ausprägung der chronischen postoperativen Schmerzen nachzuweisen.
Behandlung von Nervenschmerzen nach Lungen-OP
Die Therapie postoperativer neuropathischer Schmerzen kann vielfältig sein und umfasst in der Regel einen multimodalen Ansatz, bestehend aus medizinischer und medikamentöser Behandlung, psychologisch-therapeutischen Maßnahmen sowie Bewegungstherapie.
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Medikamentöse Therapie
Typischerweise gegen neuropathische Schmerzen eingesetzte Medikamente sind unter anderem Antikonvulsiva, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer oder Opioide. Eine lokale Therapie kann beispielsweise mittels Lidocain-Pflastern erfolgen. Meistens ist es sinnvoll, mehrere Medikamente miteinander zu kombinieren.
Es ist wichtig zu beachten, dass sowohl Wirksamkeit als auch Nebenwirkungen eines Medikaments je nach Patient sehr verschieden sein können. Arzt und Patient sollten daher genug Geduld aufbringen, um gemeinsam die individuell optimale Schmerztherapie zu finden. Realistisch ist eine Schmerzreduktion um 30 bis 50 Prozent, sodass Schlaf- und Lebensqualität des Patienten sich verbessern können.
Nicht-medikamentöse Therapie
Die nicht-medikamentöse Behandlung neuropathischer Schmerzen erstreckt sich unter anderem auf warme Fußbäder, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Akupunktur, milde Infrarotstrahlung, Applikation von Kälte, Physio- und Ergotherapie und Psychotherapie (Verbesserung der Schmerzakzeptanz).
Invasive Therapie
In manchen Fällen ist es sinnvoll oder erforderlich, neuropathische Schmerzen zusätzlich invasiv zu behandeln. Dies erfolgt unter anderem durch selektive Nervenblockaden, Ganglionblockaden oder Neuromodulationsverfahren.
Multimodales Therapiemanagement
Die optimale Behandlung postoperativer Nervenschmerzen erfordert ein multimodales Therapiemanagement, bestehend aus medizinischer und medikamentöser Behandlung, psychologisch-therapeutischen Maßnahmen sowie Bewegungstherapie. Hierzu müssen sich Patienten meist in spezialisierte Schmerzzentren begeben. Wichtig ist, dass die Therapie neuropathischer Schmerzen langfristig kontrolliert wird.
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Selbsthilfe bei Interkostalneuralgie
Neben den genannten Therapien gibt es auch Maßnahmen, die Betroffene selbst ergreifen können, um die Schmerzen zu lindern. Dazu gehören:
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann helfen, Verspannungen im Brustbereich zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern.
- Dehnübungen: Spezielle Dehnübungen können helfen, verkürzte Muskeln im Brustbereich zu dehnen und die Spannung zu reduzieren.
- Faszien-Rollmassagen: Faszienrollen und -kugeln können helfen, Verklebungen im Bindegewebe (Faszien) zu lösen und die Durchblutung zu fördern.
- Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und die Schmerzwahrnehmung zu reduzieren.
Minimalinvasive OP-Techniken
Durch die Anwendung minimalinvasiver OP-Techniken (VATS /RATS) lässt sich die Schädigung der Interkostalnerven und die Häufigkeit und Ausprägung chronischer Schmerzen nach thoraxchirurgischen Eingriffen gegenüber der Thorakotomie reduzieren. Die videoassistierte Thorakoskopie (VATS) hat sich als minimalinvasiver thoraxchirurgischer Zugang etabliert und konnte die frühpostoperative Schmerzsymptomatik signifikant verringern.
Forschung und Studien
Ziel einer aktuellen Studie ist es, den Zusammenhang zwischen einer Schädigung von Interkostalnerven und der Ausprägung der chronischen postoperativen Schmerzen nachzuweisen und damit die Schädigung von Interkostalnerven als wesentliche Ursache der Schmerzen zu objektivieren. In einem zweiten Schritt erfolgt ein Vergleich verschiedener thoraxchirurgischer Zugangswege bzw. Zugangstechniken hinsichtlich der PmL der MEP und der Ausprägung chronischer postoperativer Schmerzen bzw. Beschwerden.
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