Das Nervensystem der Honigbiene: Aufbau, Funktion und Bedeutung

Honigbienen sind nicht nur für die Honigproduktion und Bestäubung von Pflanzen von großer Bedeutung, sondern auch für ihre komplexe soziale Organisation und ihr faszinierendes Verhalten. Ein Schlüsselaspekt ihres Erfolgs ist ihr hochentwickeltes Nervensystem, das es ihnen ermöglicht, komplexe Aufgaben zu koordinieren, miteinander zu kommunizieren und sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden.

Systematische Einordnung und Körperbau

Die Honigbiene (Apis mellifera) gehört zu den Insekten und innerhalb dieser Gruppe zu den Hautflüglern. Wie alle Insekten weist sie einen dreigeteilten Körper auf, der aus Kopf, Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen) besteht. Der Körper ist von einem Außenskelett aus Chitin geschützt, das in einzelne Abschnitte gegliedert ist, um Beweglichkeit zu gewährleisten.

Der Kopf trägt ein Paar Fühler (Antennen), die als Tast- und Geruchsorgane dienen. Seitlich befinden sich die Facettenaugen, die aus vielen Einzelaugen (Ommatidien) zusammengesetzt sind und ein mosaikartiges Gesamtbild liefern. Die Mundwerkzeuge sind zum Lecken und Saugen ausgebildet, wobei die Oberkiefer zum Kauen dienen und die Unterkiefer sowie die Lippentaster ein Saugrohr bilden, mit dem Nektar aufgenommen werden kann.

Die Brust besteht aus drei Abschnitten, von denen jeder ein Beinpaar trägt. Am zweiten und dritten Brustabschnitt befinden sich jeweils ein Flügelpaar. Vorder- und Hinterflügel sind durch Adern verstärkte Hautausstülpungen.

Aufbau des Nervensystems

Das Nervensystem der Biene ist wie bei allen Gliederfüßern als Strickleiternervensystem aufgebaut. Es besteht aus einem zentralen und einem peripheren Teil.

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Zentralnervensystem

Das Zentrum des Nervensystems befindet sich im Kopf oberhalb des Verdauungskanals. Hier bilden viele Nervenzellen einen Nervenknoten (Ganglion), das Oberschlundganglion, welches als Gehirn fungiert. Vom Oberschlundganglion ziehen zwei Nervenstränge auf der Bauchseite nach hinten. Jeder Strang trägt pro Körperabschnitt einen Nervenknoten. Die Knoten eines Abschnitts sind durch Querfasern verbunden, wodurch das charakteristische Strickleitermuster entsteht.

Das Gehirn der Honigbiene, obwohl klein, ist bemerkenswert komplex. Es enthält etwa eine Million Neuronen und ermöglicht es der Biene, eine Vielzahl von Aufgaben auszuführen, darunter das Erlernen und Erinnern von Informationen, die Navigation und die Kommunikation.

Besonders auffällige Strukturen im Gehirn sind die Pilzkörper, die aus etwa 170.000 dicht gepackten Nervenzellen bestehen und symmetrisch links und rechts im Hirn liegen. Hier kommen Informationen über Bilder, Düfte und mechanische Reize an, werden verarbeitet und gespeichert. Die Pilzkörper wurden deshalb auch als Sitz der Insektenintelligenz bezeichnet. Es konnte nachgewiesen werden, dass die beiden Pilzkörper miteinander verschaltet sind und somit ein den beiden Hirnseiten übergeordnetes integratives Lernzentrum bilden. Mit dieser Funktion ähneln die Pilzkörper den Seiten übergreifenden Strukturen der Wirbeltierhirne.

Peripheres Nervensystem

Vom zentralen Nervensystem gehen Nerven zu allen Organen und Sinnesorganen der Biene aus. Diese Nerven übertragen Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn und leiten Befehle vom Gehirn zu den Muskeln und Drüsen.

Sinnesorgane der Biene

Das Nervensystem der Honigbiene ist eng mit ihren hochentwickelten Sinnesorganen verbunden, die es ihr ermöglichen, ihre Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Zu den wichtigsten Sinnesorganen gehören:

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  • Facettenaugen: Die Facettenaugen bestehen aus zahlreichen Einzelaugen (Ommatidien) und ermöglichen ein breites Sichtfeld sowie die Wahrnehmung von Farben. Bienen können Farben im Bereich von Gelb, Blau und Ultraviolett unterscheiden, wobei sie Rot als Schwarz wahrnehmen. Die zwischen den Facettenaugen liegenden drei Punktaugen dienen insbesondere der Orientierung.

  • Antennen: Die Antennen sind mit Sinneshaaren und Poren ausgestattet, die als Tast- und Geruchsorgane dienen. Bienen können mit ihren Antennen Duftstoffe, Luftströmungen und Vibrationen wahrnehmen. Das Johnstonsche Organ im Wendeglied der Antennen dient als Geschwindigkeitsmesser während des Fluges.

  • Mundwerkzeuge: Die Mundwerkzeuge sind mit Geschmacksnerven ausgestattet, die es der Biene ermöglichen, den Zuckergehalt von Nektar zu bestimmen.

  • Beine: Die Beine sind mit Sinneshaaren und Sensillen versehen, die als Tast- und Vibrationssensoren dienen. Das Subgenualorgan in den Beinschienen dient der Wahrnehmung von Vibrationen des Untergrundes.

Funktion des Nervensystems

Das Nervensystem der Honigbiene steuert eine Vielzahl von Funktionen, die für ihr Überleben und ihre soziale Organisation unerlässlich sind. Zu den wichtigsten Funktionen gehören:

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  • Sensorische Wahrnehmung: Das Nervensystem ermöglicht es der Biene, ihre Umwelt wahrzunehmen und Informationen über Nahrungsquellen, Gefahren und Artgenossen zu sammeln.

  • Motorische Steuerung: Das Nervensystem steuert die Bewegung der Muskeln und ermöglicht es der Biene, zu fliegen, zu laufen, zu sammeln und andere Aufgaben auszuführen.

  • Kommunikation: Das Nervensystem spielt eine wichtige Rolle bei der Kommunikation zwischen Bienen. Bienen kommunizieren durch chemische Signale (Pheromone), Tänze und Berührungen.

  • Lernen und Gedächtnis: Das Nervensystem ermöglicht es der Biene, Informationen zu lernen und zu speichern. Bienen können sich an Nahrungsquellen, Landmarken und andere wichtige Informationen erinnern.

  • Soziales Verhalten: Das Nervensystem steuert das komplexe soziale Verhalten der Bienen, einschließlich der Arbeitsteilung, der Brutpflege und der Verteidigung des Bienenstocks.

Das Nervensystem und das Verhalten der Honigbiene

Das Nervensystem beeinflusst stark das Verhalten der Honigbiene und die Art und Weise, wie sie mit ihrer Umwelt interagiert. Durch ihr Nervensystem sind Honigbienen in der Lage, ihre kollektive Intelligenz zu nutzen, um sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden und effizient als Kollektiv zu agieren. Das Verhalten einer Biene ist oft das Ergebnis von schnell verarbeiteten Informationen; beispielsweise analysiert sie Düfte oder visuelle Reize, um ihre Entscheidungen zu treffen. Diese Effizienz im Verhalten ist nicht nur essenziell für das Überleben der Art, sondern auch für die Aufrechterhaltung des gesamten Ökosystems, in dem die Bienen leben.

Die Rolle der Pheromone

Die Arbeitsteilung der Bienen erfordert eine gute Koordination innerhalb des Bienenstaates. Das erfolgt durch von den Bienen in kleinen Mengen selbst abgegebene chemische Signale (Pheromone oder Sozialhormone). Die sogenannte Königinnensubstanz, welche in der Oberkieferdrüse der Königin gebildet wird, erreicht über das Futter alle Mitglieder des Bienenvolkes. Diese Substanz verhindert, dass Arbeiterinnen weitere Königinnen heranziehen und Geschlechtsorgane ausgebildet werden. Wenn eine Königin stirbt, kommt es durch das Fehlen der Substanz zur „Weiselunruhe“. Durch den Umbau von normalen Brutzellen in Weiselzellen versuchen die Arbeiterinnen, eine neue Königin heranzuziehen.

Der Bienentanz

Honigbienen kommunizieren miteinander auf bemerkenswerte Weise durch die sogenannte Tanzsprache. Diese komplexe Form der Kommunikation ermöglicht es ihnen, Informationen über Futterquellen und deren Entfernung zum Bienenstock zu übermitteln. Die Tanzsprache besteht aus verschiedenen Bewegungen, wie z.B. dem Schwänzeltanz und dem Rundtanz. Wenn eine Biene eine gute Nahrungsquelle findet, führt sie einen Schwänzeltanz auf, der Signale über die Distanz zur Nahrungsstelle in Relation zur Sonne sendet. Darüber hinaus gibt die Intensität und Dauer des Tanzes Hinweise auf die Qualität des Futters.

Magnetischer Sinn

Honigbienen besitzen vor dem Hinterleib eine magnetisch beeinflussbare Region, die aus magnetischen Kristallen (Magnetit) besteht, deren Pole gleich ausgerichtet sind. Auf diese Weise können Bienen das Erdmagnetfeld wahrnehmen. Dieser Reiz dient der Biene in Verbindung mit ihrem Zeitgedächtnis als Orientierungshilfe bei ungenügender Sicht, vor allem im Dunkel der Bienenwohnung.

Bedeutung der Honigbiene

Honigbienen sind von enormer Bedeutung für die Landwirtschaft und die Umwelt. Sie bestäuben einen Großteil der Nutzpflanzen und tragen so zur Sicherung der Welternährung bei. Ohne ihre Bestäubungshilfe könnten sich viele Früchte nicht entwickeln. Honig und Wachs, die für uns eine wichtige Bedeutung erlangt haben, stünden uns nicht zur Verfügung.

Gefährdung der Honigbiene

In den letzten Jahren sind die Honigbienenvölker weltweit stark gefährdet. Pestizide, Habitatverlust, klimatische Veränderungen und Krankheiten bedrohen die Gesundheit und das Überleben der Bienen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, Maßnahmen zum Schutz der Honigbienen zu ergreifen, um ihre wichtige Rolle im Ökosystem zu erhalten.

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