Das Rückenmark ist ein lebenswichtiger Teil des zentralen Nervensystems und spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbindung von Gehirn und Körper. Es ermöglicht die Kommunikation zwischen Gehirn und Körperperipherie, steuert Reflexe und ist an der Verarbeitung sensorischer Informationen beteiligt. In diesem Artikel werden wir den Aufbau, die Funktion und die möglichen Erkrankungen des Rückenmarks genauer betrachten.
Was ist das Rückenmark?
Das Rückenmark (Medulla spinalis) ist ein etwa 40 bis 50 cm langer Nervenstrang, der sich innerhalb des knöchernen Wirbelkanals der Wirbelsäule erstreckt. Es beginnt am unteren Ende des Gehirns, genauer gesagt am Hirnstamm, und endet beim Erwachsenen etwa auf Höhe des ersten oder zweiten Lendenwirbels. Beim Kind reicht es noch etwas weiter nach kaudal. Es besteht aus Nervenzellen und ihren Fortsätzen und ist von drei schützenden Rückenmarkshäuten (Meningen) umgeben. Gemeinsam mit dem Gehirn bildet es das zentrale Nervensystem (ZNS) und dient als Hauptleitungsweg für die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper.
Anatomie des Rückenmarks
Das Rückenmark ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die den Körperregionen zugeordnet sind:
- Halsmark (Zervikalmark): Versorgt den Hals, die Arme und die Hände.
- Brustmark (Thorakalmark): Versorgt den Brustkorb und die Bauchregion.
- Lendenmark (Lumbalmark): Versorgt das Becken und die Beine.
- Kreuzbeinmark (Sakralmark): Versorgt den Genitalbereich und den Enddarm.
Aufbau im Querschnitt
Im Querschnitt lässt sich das Rückenmark in zwei Hauptbereiche unterteilen: die graue und die weiße Substanz.
- Graue Substanz: Sie liegt im Zentrum des Rückenmarks und hat eine schmetterlingsförmige Gestalt. Hier befinden sich die Nervenzellkörper (Neuronen) und ihre Dendriten. Die graue Substanz ist in verschiedene Hörner unterteilt:
- Vorderhorn: Enthält motorische Neuronen, die für die Steuerung der Muskeln verantwortlich sind.
- Seitenhorn: Enthält vegetative Neuronen, die das autonome Nervensystem steuern (z. B. Herzfrequenz, Atmung, Verdauung).
- Hinterhorn: Enthält sensorische Neuronen, die Informationen aus der Peripherie empfangen und an das Gehirn weiterleiten.
- Weiße Substanz: Sie umgibt die graue Substanz und besteht hauptsächlich aus Nervenfasern (Axonen), die von einer Myelinschicht umgeben sind. Die Myelinschicht isoliert die Nervenfasern und ermöglicht eine schnelle Weiterleitung der Nervenimpulse. Die weiße Substanz ist in verschiedene Stränge unterteilt:
- Vorderstrang: Enthält aufsteigende Bahnen für Schmerz- und Temperaturwahrnehmung.
- Seitenstrang: Enthält aufsteigende Bahnen für Berührung, Druck und Vibration sowie absteigende Bahnen für die Steuerung der Muskeln.
- Hinterstrang: Enthält aufsteigende Bahnen für feine Berührung, Druck undPropriozeption (Wahrnehmung der Körperposition im Raum).
Nervenwurzeln und Spinalnerven
Aus jedem Rückenmarkssegment treten beidseitig Nervenwurzeln aus. Die vorderen Nervenwurzeln enthalten motorische Nervenfasern, die Signale vom Rückenmark zu den Muskeln transportieren. Die hinteren Nervenwurzeln enthalten sensorische Nervenfasern, die Informationen aus dem Körper zum Rückenmark leiten. Die vorderen und hinteren Nervenwurzeln vereinigen sich zu den Spinalnerven. Es gibt 31 Paare von Spinalnerven, die jeweils einen bestimmten Bereich des Körpers versorgen.
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Rückenmarkshäute (Meningen)
Das Rückenmark wird von drei schützenden Membranen umhüllt, den Rückenmarkshäuten (Meningen):
- Dura mater: Die äußere, harte Rückenmarkshaut.
- Arachnoidea: Die mittlere, spinnwebartige Rückenmarkshaut.
- Pia mater: Die innere, zarte Rückenmarkshaut, die direkt dem Rückenmark aufliegt.
Zwischen der Arachnoidea und der Pia mater befindet sich der Subarachnoidalraum, der mit Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) gefüllt ist. Der Liquor schützt das Rückenmark vor Stößen und versorgt es mit Nährstoffen.
Blutversorgung des Rückenmarks
Das Rückenmark wird von drei Hauptarterien versorgt:
- Arteria spinalis anterior: Verläuft entlang der Vorderseite des Rückenmarks und versorgt den vorderen Teil des Rückenmarks.
- Arteriae spinales posteriores: Verlaufen entlang der Rückseite des Rückenmarks und versorgen den hinteren Teil des Rückenmarks.
Diese Arterien erhalten Zuflüsse aus segmentalen Arterien entlang der Wirbelsäule. Eine Unterbrechung der Blutversorgung kann zu einem Rückenmarkinfarkt führen.
Funktion des Rückenmarks
Das Rückenmark erfüllt wichtige Funktionen im Nervensystem:
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- Weiterleitung von Nervenimpulsen: Das Rückenmark leitet Nervenimpulse zwischen Gehirn und Körper. Sensorische Informationen aus der Peripherie werden über aufsteigende Bahnen zum Gehirn geleitet, wo sie verarbeitet werden. Motorische Befehle aus dem Gehirn werden über absteigende Bahnen zu den Muskeln geleitet, um Bewegungen auszulösen.
- Reflexe: Das Rückenmark ist an der Steuerung von Reflexen beteiligt. Reflexe sind unwillkürliche Reaktionen auf bestimmte Reize. Ein bekanntes Beispiel ist der Kniesehnenreflex, bei dem das Bein unwillkürlich nach vorne schnellt, wenn auf die Kniesehne geklopft wird. Reflexe ermöglichen schnelle Reaktionen auf gefährliche Situationen, ohne dass das Gehirn beteiligt ist.
- Autonomes Nervensystem: Das Rückenmark enthält vegetative Neuronen, die das autonome Nervensystem steuern. Das autonome Nervensystem reguliert lebenswichtige Funktionen wie Herzfrequenz, Atmung, Verdauung und Blutdruck.
Aufsteigende und absteigende Bahnen
Die aufsteigenden und absteigenden Bahnen im Rückenmark ermöglichen die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper.
Aufsteigende Bahnen (sensorisch):
- Hinterstrangbahnen: Leiten Informationen über feine Berührung, Druck, Vibration und Propriozeption zum Gehirn.
- Spinothalamische Bahnen: Leiten Informationen über Schmerz, Temperatur und grobe Berührung zum Gehirn.
- Spinozerebelläre Bahnen: Leiten Informationen über die Muskelspannung und Körperposition zum Kleinhirn.
Absteigende Bahnen (motorisch):
- Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis): Steuert willkürliche Bewegungen der Extremitäten.
- Extrapyramidale Bahnen: Steuern unwillkürliche Bewegungen, Muskeltonus und Gleichgewicht.
Erkrankungen des Rückenmarks
Erkrankungen des Rückenmarks können zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen, wie z.B. Muskelschwäche, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und Funktionsstörungen von Blase und Darm.
Einige häufige Erkrankungen des Rückenmarks sind:
- Querschnittslähmung: Eine Schädigung des Rückenmarks, die zu Lähmungen und Sensibilitätsverlust unterhalb der Verletzungshöhe führt. Ursachen können Verletzungen, Tumore, Entzündungen oder Gefäßerkrankungen sein.
- Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Myelinschicht der Nervenfasern angegriffen wird. Dies führt zu einer gestörtenSignalübertragung und verschiedenen neurologischen Symptomen.
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu Muskelschwäche, Lähmungen und schließlich zum Tod führt.
- Spina bifida (offener Rücken): Eine angeborene Fehlbildung, bei der sich das Neuralrohr während der Embryonalentwicklung nicht vollständig schließt. Dies kann zu verschiedenen neurologischen Defiziten führen.
- Syringomyelie: Eine seltene Erkrankung, bei der sich mit Flüssigkeit gefüllte Zysten (Syringen) im Rückenmark bilden. Diese Zysten können auf das umliegende Gewebe drücken und neurologische Symptome verursachen.
- Myelitis: Eine Entzündung des Rückenmarks, die durch Infektionen, Autoimmunerkrankungen oder andere Ursachen ausgelöst werden kann.
- Bandscheibenvorfall: Eine Vorwölbung oder ein Riss einer Bandscheibe, die auf das Rückenmark oder die Nervenwurzeln drücken und Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und Muskelschwäche verursachen kann.
- Tumore: Tumore im Rückenmark können auf das umliegende Gewebe drücken und neurologische Symptome verursachen.
Diagnostik
Zur Diagnose von Rückenmarkserkrankungen werden verschiedene Untersuchungsmethoden eingesetzt:
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt untersucht dieMotorik, Sensibilität, Reflexe und Koordination des Patienten.
- Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) können das Rückenmark und die umliegenden Strukturen darstellen und helfen, Ursachen für Rückenmarkserkrankungen zu identifizieren (z. B. Tumore, Bandscheibenvorfälle, Entzündungen).
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG) messen die elektrische Aktivität von Muskeln und Nerven und können helfen, Nervenschäden zu identifizieren.
- Lumbalpunktion: Bei einer Lumbalpunktion wird Liquor aus dem Subarachnoidalraum entnommen und untersucht. Dies kann helfen, Entzündungen, Infektionen oder andere Erkrankungen des zentralen Nervensystems zu diagnostizieren.
Behandlung
Die Behandlung von Rückenmarkserkrankungen richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung. Mögliche Behandlungsoptionen sind:
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- Medikamentöse Therapie: Entzündungshemmende Medikamente, Schmerzmittel, Muskelrelaxantien und andere Medikamente können zur Linderung von Symptomen und zur Behandlung der Grunderkrankung eingesetzt werden.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, dieMuskulatur zu kräftigen, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu lindern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, dieFunktionsfähigkeit im Alltag zu verbessern undHilfsmittel anzupassen.
- Operation: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um das Rückenmark zu entlasten (z. B. bei Tumoren oder Bandscheibenvorfällen) oder um die Wirbelsäule zu stabilisieren (z. B. bei Verletzungen).
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