Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz stellt eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zur Kommunikation mit Kindern, bei der Argumentation möglich ist, erfordert der Umgang mit Demenzerkrankten eine Anpassung der Kommunikationsregeln. Bezugspersonen müssen sich auf die veränderte Realität der Betroffenen einstellen.
Herausforderungen in der Kommunikation mit Demenzerkrankten
Im Umgang mit Demenzpatienten sind vielfältige Schwierigkeiten an der Tagesordnung. Einige Betroffene wiederholen Erzähltes, laufen weg, zeigen Ängstlichkeit oder Aggressivität. Andere halluzinieren, vergessen Gegenstandsnamen, können Gesprächen nicht folgen oder erkennen Gesprächspartner nicht wieder, sind misstrauisch und äußern Beschuldigungen.Dennoch muss die Kommunikation nicht zwangsläufig schwierig sein. Es ist wichtig zu verstehen, dass man Menschen mit Demenz nicht in die eigene Welt zurückholen kann. Stattdessen ist es erforderlich, den Blickwinkel zu ändern und in die Welt der Demenzpatienten einzutauchen, anstatt sie ständig zu korrigieren.
Grundlagen der Kommunikation: Empathie, Authentizität und Akzeptanz
Eine hilfreiche Kommunikationstheorie im Umgang mit dementen oder verwirrten Menschen ist die klientenzentrierte Gesprächsführung, entwickelt von Carl R. Rogers. Sie basiert auf drei Säulen: Empathie, Authentizität und Akzeptanz. Diese wurden von Naomi Feil und Nicole Richard um die Validation erweitert, die dazu auffordert, Verhaltensweisen und Äußerungen von verwirrten und dementen Menschen wertzuschätzen und einfühlsam zu akzeptieren. Durch knappe, klare und personenbezogene Formulierungen vermittelt man Kontinuität und Sicherheit.
Die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl R. Rogers
Die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers ist ein Ansatz, der im Umgang mit Menschen mit Demenz besonders wertvoll ist. Diese Methode betont die Bedeutung von Empathie, Authentizität und Akzeptanz in der Kommunikation. Empathie bedeutet, sich in die Gefühlswelt des Gegenübers hineinzuversetzen und seine Perspektive zu verstehen. Authentizität erfordert, dass die kommunizierende Person ehrlich und aufrichtig ist, ohne sich zu verstellen. Akzeptanz bedeutet, den anderen Menschen so anzunehmen, wie er ist, ohne Vorurteile oder Bewertungen.
Im Kontext der Demenzkommunikation bedeutet dies, dass man versucht, die Welt aus den Augen des Betroffenen zu sehen, seine Gefühle und Bedürfnisse ernst nimmt und ihm mit Respekt und Wertschätzung begegnet. Dies kann dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen und eine positive Beziehung zu fördern.
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Validation nach Naomi Feil
Die Validation, entwickelt von Naomi Feil, ist eine Methode, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnitten ist. Sie baut auf den Prinzipien der klientenzentrierten Gesprächsführung auf und erweitert diese um den Aspekt der Wertschätzung und Akzeptanz der Äußerungen und Verhaltensweisen der Betroffenen.
Validation bedeutet, die Realität des Menschen mit Demenz anzuerkennen und seine Gefühle und Bedürfnisse als gültig zu betrachten, selbst wenn sie für Außenstehende nicht logisch oder verständlich erscheinen. Dies kann dazu beitragen, Angst, Unruhe und Frustration zu reduzieren und das Selbstwertgefühl des Betroffenen zu stärken.
Ein wichtiger Aspekt der Validation ist die Verwendung von einfühlsamen und bestätigenden Aussagen, die dem Betroffenen zeigen, dass er verstanden und akzeptiert wird. Dies kann beispielsweise durch das Wiederholen oder Paraphrasieren seiner Aussagen geschehen, um ihm zu signalisieren, dass man ihm aufmerksam zuhört und seine Gefühle ernst nimmt.
Fallbeispiele zur praktischen Anwendung
Ein demenziell erkrankter Patient möchte beim Mittagessen aufstehen, um seine Frau am Bahnhof abzuholen, obwohl diese bereits verstorben ist. Anstatt ihn zu belehren, sollte die Bezugsperson seine Emotionen und Gewohnheiten wertschätzend anerkennen, z.B. mit den Worten: "Sie sind sehr unruhig und besorgt, das Treffen zu verpassen. Zu spät kommen sollte man nicht. Sie sind gerne pünktlich. Auf Sie ist Verlass." Der Fokus sollte auf den positiven Eigenschaften liegen, anstatt auf den Defiziten.
Vom Defizit zur Ressource
Kirsten Tammen ist davon überzeugt, dass sich durch die Fokussierung auf positive Eigenschaften Defizite in Ressourcen verwandeln können. So wird die "Wegläuferin" zur fürsorglichen Mutter, der "Wühler" zum Ordnungsliebenden, der nervige "Frager" zum Interessierten, die "laute Brüllerin" zur liebesuchenden Frau und die "Unruhige" zur pünktlichen Dame.
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Schlüsselreize zur Angstlösung
Bleibt die Angst das vorherrschende Gefühl, sollten keine Notlügen eingesetzt werden. Stattdessen können Schlüsselreize ein positives Grundgefühl auslösen. Dabei thematisiert man Ereignisse, an die sich der Patient erinnert und die er mit seinem Leben assoziieren kann. Voraussetzung ist, dass der Betreuer den Patienten und seine Geschichte kennt. Hatte dieser eine Leidenschaft für Wandern, Musik oder einen Fußballverein, kann eine entsprechende Aussage die Angst nehmen und die Gedanken auf positive Ereignisse lenken.
Emotionale Verständigung in späteren Krankheitsphasen
In späteren Krankheitsphasen gewinnt die nonverbale Kommunikation an Bedeutung. Wie Bezugspersonen Demenzpatienten berühren und wie nahe sie ihnen kommen, vermittelt ihnen, ob sie gemocht werden. Demenziell veränderte Menschen kommunizieren sehr emotionsbezogen und spiegeln oft das Verhalten ihres Gegenübers wider. Körpersprachliche Signale, die gute Laune, Wut oder Unruhe ausdrücken, wirken ansteckend.
Monika Wagemester rät, die Patienten immer von vorne anzusprechen, sie dabei anzusehen und das Gesagte durch Mimik, Gestik und Berührungen zu unterstreichen. Der Klang der Stimme und die Körperhaltung verraten Demenzpatienten, ob der Betreuer entspannt oder gestresst ist. Eine entgegengestreckte Hand wird als willkommenheißende Geste gedeutet, ein Winken als Gruß.
Kommunikation am Lebensende
Eine besondere Kommunikation ist bei Demenzpatienten angebracht, wenn sie im Sterben liegen. Auch sie ahnen, dass der Tod naht, und spüren die Hilflosigkeit der Begleiter. Es ist wichtig, sich immer wieder in die Situation der betroffenen Person zu versetzen und die eigene Kommunikationsweise an ihre aktuelle Auffassungsgabe anzupassen. Dann finden sich Wege, um im Gespräch oder wenigstens im emotionalen Kontakt miteinander zu bleiben.
Praktische Tipps für den Umgang mit Menschen mit Demenz
- Verständnis aufbringen: Sich auf die nachlassenden sprachlichen Fähigkeiten und Verhaltensveränderungen von Menschen mit Demenz einzustellen.
- Sprachliche Besonderheiten berücksichtigen: Die Schwierigkeiten der Betroffenen, die richtigen Worte zu finden, verstehen und akzeptieren. Umschreibungen, Wortneuschöpfungen und Wortverwechslungen sind Teil ihrer Kommunikation.
- Sinnesbotschaften erkennen: Auch wenn die verbale Kommunikation eingeschränkt ist, enthalten die Äußerungen der Betroffenen oft eine sinnvolle Botschaft.
- Gesprächsverhalten anpassen: Geduld zeigen, wenn Menschen mit Demenz sich wiederholen oder das Thema wechseln. Es liegt meistens daran, dass sie die Fragen nicht verstanden haben.
- Realitätsebenen respektieren: Sich ein Stück weit auf die Realität der Betroffenen einlassen, anstatt zu versuchen, sie in die eigene Realität zurückzuholen.
- Nonverbale Kommunikation nutzen: Körpersprache, Mimik, Gestik und Berührungen spielen eine wichtige Rolle bei der Verständigung.
- Erinnerungsstützen anbieten: Kleine Zettel mit Informationen zum Alltagsablauf oder Antworten auf häufig gestellte Fragen können hilfreich sein.
- Wichtige Kommunikationsregeln beachten: Blickkontakt herstellen, Dialekt verwenden, Fach- und Fremdwörter vermeiden, langsam und deutlich sprechen, kurze Sätze verwenden, Wiederholungen einplanen, Ironie vermeiden, positive Formulierungen wählen und Redewendungen erläutern.
- Bestätigung geben: Dinge loben, die gut gemacht wurden, und Kritik vermeiden.
- Nicht korrigieren: Seltsame Ausdrücke oder falsche Wörter kommentarlos hinnehmen.
- Diskussionen vermeiden: Rechthaberei führt zu nichts.
Nonverbale Kommunikation als Schlüssel zur Verständigung
Da die meisten Menschen mit Demenz die Körpersprache länger beherrschen als die Wortsprache, ist die nonverbale Kommunikation ein wichtiger Schlüssel zur Verständigung.
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- Eigene Körpersprache bewusst einsetzen: Worte gestisch und pantomimisch untermalen und das Gemeinte vormachen.
- Emotionale Botschaften nonverbal vermitteln: Berührungen, Streicheln und in den Arm nehmen können Nähe erzeugen.
- Stimmungen wahrnehmen: Menschen mit Demenz haben ein feines Gespür für die Stimmungen ihrer Bezugspersonen.
- Eigene Ausstrahlung reflektieren: Laute und höhere Stimmen können als aggressiv wahrgenommen werden.
Erinnerungsstützen im Alltag
- Kleine Zettel: Informationen zum Alltagsablauf oder Antworten auf häufig gestellte Fragen auf Zettel schreiben und anbringen.
- Familienposter: Fotos aller Haushaltsmitglieder mit kurzen Informationen versehen.
- Erinnerungsbuch: Ein Fotoalbum mit schönen Momenten erstellen und mit kurzen Sätzen und Anekdoten versehen.
Die Bedeutung der Validation in der Demenzkommunikation
Die Validation ist eine Kommunikationsmethode, die sich aus verschiedenen verbalen und non-verbalen Techniken zusammensetzt und darauf abzielt, eingefahrene Reaktionsmuster im Umgang mit von Demenz betroffenen Menschen zu durchbrechen. Statt unbewusst auf irritierende oder schwierige Verhaltensweisen zu reagieren, ermöglicht sie es, die Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten - einem, der von Verständnis, Mitgefühl und einer wertschätzenden Haltung geprägt ist.
Techniken der Validation
- Zentrieren: Sich innerlich sammeln und auf den Kontakt mit der erkrankten Person vorbereiten.
- Klare und liebevolle Stimme: Vertrauen aufbauen und eine positive Atmosphäre schaffen.
- Emotionen spiegeln: Bewegungen und Emotionen aufmerksam beobachten und einfühlsam spiegeln.
Fallbeispiel zur Validation
Eine demenzkranke 80-jährige Frau möchte unbedingt zu ihrer Mutter, die bereits verstorben ist. Statt zu sagen: "Ihre Mutter lebt nicht mehr" oder die Frau zu vertrösten, ist es besser, mit Hilfe von Validation auf die Frau einzugehen und ihre Gefühle als real anzuerkennen. Eine Möglichkeit ist es, ein Gespräch über die Familie zu beginnen und ihr zu zeigen, dass sie ihre Wünsche ernst nehmen.
Positive Veränderungen durch Validation
Die Anwendung der Validation führt zu weniger Frustration, mehr emotionaler Verbindung und einer besseren Pflegequalität.
Fallbeispiele aus der Praxis
- Herr Huber: Ein ehemaliger Bäcker, der im Seniorenheim weiterhin seinem Tagewerk nachgehen möchte.
- Frau Müller: Eine an Alzheimer leidende Frau, die sich beruhigt, wenn man ihre Angst anerkennt, anstatt sie ihr auszureden.
- Herr Bauer: Ein Mann, der sich oft zurückzog, sich aber öffnete, als seine Pflegeperson den Blickkontakt aufbaute, bevor sie ihn versorgte.
Weiterbildung und Schulungen
Um die kommunikativen Fähigkeiten im Umgang mit Demenzerkrankten zu verbessern, sind spezifische Trainings und Schulungen empfehlenswert. Das Konzept Kommunikation ohne Worte- KoW® ist ein Beispiel für einen Ansatz, der sich vollständig auf die Körpersprache konzentriert und deren unendliche Möglichkeiten differenziert.
Die Rolle der Angehörigen
Angehörige tragen den Hauptanteil an der Versorgung von Menschen mit Demenz und übernehmen damit eine sehr schwere und verantwortungsvolle Aufgabe. Wissen über die Krankheit verleiht Sicherheit im Zusammenleben und im Umgang mit den Erkrankten. Es kann vor Enttäuschungen aber auch vor unnötiger Resignation bewahren.
Strategien für den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen
- Aggressivität: Versuchen Sie herauszufinden, was der Auslöser für das aggressive Verhalten war, und bleiben Sie gelassen.
- Unruhe: Finden Sie heraus, was die Unruhe verursacht, und gestalten Sie die Umgebung ruhig.
- Wiederholungen: Reagieren Sie geduldig auf Wiederholungen und lenken Sie das Gespräch auf ein anderes Thema.
Aktivierung und Beschäftigung
Finden Sie die Stärken und Vorlieben der oder des Kranken heraus und suchen Sie nach Spielen, Liedern und Beschäftigungen, die aus der Vergangenheit bekannt sind. Beziehen Sie die Betroffenen in den Alltag ein und ermöglichen Sie ihnen, sich nützlich zu fühlen.
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