Nervensystem und Bewegungssteuerung: Grundlagen für komplexe motorische Fähigkeiten

Unser Körper ist ständig in Bewegung, eine Fähigkeit, die uns so selbstverständlich erscheint. Doch hinter jeder Bewegung verbirgt sich ein komplexes Zusammenspiel von Gehirn, Rückenmark und den über 650 Muskeln des menschlichen Körpers. Dieses Zusammenspiel verleiht uns komplexe motorische Fähigkeiten.

Die Kommandozentrale für Bewegungen: Gehirn, Rückenmark und Muskeln im Zusammenspiel

Bewegungsabläufe werden von den motorischen Zentren im Gehirn geplant und initiiert. Die motorischen Signale gelangen über das Rückenmark und die Motoneurone zu den Muskeln und werden dort in Bewegungen umgesetzt. Sensorische Rückmeldungen helfen dabei, die erfolgreiche Umsetzung der Bewegungen zu koordinieren. Ob Fahrradfahren oder Skilaufen - einmal erlernt, laufen viele Bewegungen unbewusst und automatisch ab.

Schon die Anzahl der Muskeln in unserem Körper spricht für sich: Gut 650 sind insgesamt dafür zuständig, einen Menschen zu bewegen, etwa 30 davon kümmern sich allein um die Mimik. Und auch im Gehirn ist ein großer Teil des Cortex mit der Kontrolle der Motorik assoziiert.

Ohne die gezielte Bewegung von Muskeln wären wir gar nicht lebensfähig. Nicht nur Arme, Beine oder die Hände werden von den gebündelten Muskelzellen gelenkt. Auch die Bewegungen der Augen, der Lippen beim Sprechen, die gerade Körperhaltung und der regelmäßige Atem erfolgen dank koordinierter Kontraktion und Entspannung der Muskeln. Der Schlag des Herzens ist Muskelarbeit, die Bewegungen des Darms - und selbst Blutdruck und Durchblutung werden durch Muskeltätigkeit entscheidend beeinflusst. Erst die Motorik ermöglicht es, Gedanken in Taten zu verwandeln, auf die Umwelt zu reagieren oder mit anderen in Kontakt zu treten.

Bereits in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts fasste der englische Neurophysiologe und Wegbereiter der Motorik-​Forschung Charles Sherrington (1857 - 1952) die Bedeutung der motorischen Fähigkeiten für unser Leben in einem Satz zusammen.

Lesen Sie auch: Enterisches Nervensystem vs. Vegetatives Nervensystem: Ein detaillierter Vergleich

Motoneurone: Die Dirigenten der Muskelkontraktion

Gesteuert wird eine Bewegung durch bestimmte Nervenzellen, die so genannten Motoneurone, von denen man zwei Arten unterscheidet:

  • Die unteren Motoneurone reizen über ihre Zellfortsätze - die Axone - die Muskelfasern der Skelettmuskulatur und sorgen so für deren Kontraktion. Ihre Zellkörper befinden sich im Rückenmark, der Medulla spinalis. Deshalb werden sie auch spinale Motoneurone genannt. Manche Reflexe werden direkt von den unteren Motoneuronen initiiert, so etwa der bekannte Patellarsehnenreflex, bei dem ein leichter Schlag auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe das Hochschwingen des Unterschenkels auslöst. Weil die verantwortlichen Nervenzellimpulse gar nicht ins Gehirn gelangen müssen, sind sie besonders schnell und können Schutzfunktionen übernehmen.
  • Für willentliche Bewegungen ist das zentrale motorische System zuständig, das auch über unsere Körperhaltung wacht. Dazu gehören bestimmte Bahnen in Hirnstamm und Rückenmark, das Kleinhirn sowie ein erheblicher Teil der Hirnrinde - dem Sitz höherer Hirnfunktionen. Im motorischen Cortex befinden sich Zellkörper der zweiten Gruppe der motorischen Neurone, die oberen Motoneurone. Etwa eine Million an der Zahl entsenden sie von dort lange Axone in das Rückenmark. Die oberen Motoneurone reizen niemals selbst einen Muskel.

Strategie, Taktik, Ausführung: Die Netzwerke der Bewegungskontrolle

Im motorischen System herrscht eine gewisse Arbeitsteilung:

  1. Die oberste Kontrolle, sozusagen die Befehlsgewalt über das Vorziehen des Arms oder das Schwingen des Tanzbeins, haben die motorischen Assoziationsfelder, die sich vor allem im Parietal- und im Präfrontalcortex befinden. Hier wird das Bewegungsziel festgelegt, also zum Beispiel, dass man das Messer greifen und damit sein Gemüse klein schneiden möchte, und die am besten geeignete Bewegungsstrategie, um dieses Bewegungsziel zu erreichen. Nachdem das „Was“ geklärt ist, übernehmen
  2. Motorcortex und Kleinhirn (Cerebellum) das „Wie“ des Bewegungsablaufs. Diese beiden Hirnareale sind die Taktiker bei der Bewegungskontrolle, sie bestimmen, welche Muskeln in welcher Abfolge kontrahiert werden sollen.
  3. Mit der konkreten Ausführung des Plans werden dann der Hirnstamm und das Rückenmark betraut. Dort befinden sich die Motoneurone, von denen aus die Muskelzellen letztlich gereizt werden.

Wie diffizil dies in der Praxis sein kann und wie viele Parameter dabei bedacht werden müssen, wird möglicherweise am besten in der modernen Robotik deutlich. Dort arbeiten Ingenieure oft monatelang daran, einem humanoiden Roboter genau die Bewegungsabläufe einzuprogrammieren, die wir innerhalb von Sekundenbruchteilen umsetzen. Vor allem das Bestimmen der nötigen Kraft und der Feinmotorik stellt sie vor Probleme: Wie fest darf ein Roboter zupacken, damit das Glas in seiner Hand nicht zerbricht, wie genau müssen die Finger einen Stift umfassen, damit der Automat eine Zeichnung anfertigen kann? Im menschlichen Körper bestimmen die Entladungsrate der Motoneuronen oder die Kombination der gereizten Muskelfasern diese Feinabstimmungen. Sie werden dabei maßgeblich von sensorischen Rückmeldungen beeinflusst und geleitet, die das zentrale Nervensystem vor und während der Bewegungsausführung erhält.

Motorisches Lernen: Automatisierung für mehr Kapazität

Dass wir anders als die Robotik-​Ingenieure darüber nicht weiter nachdenken müssen, verdanken wir unter anderem auch unserer Fähigkeit zum motorischen Lernen. Denn die meisten der täglichen Bewegungen laufen, wenn man sie sich einmal angeeignet hat, automatisch und unbewusst ab. Das Gehen zum Beispiel, oder die Kraulzüge im Schwimmbad. Auch der kurze Blick in den Rückspiegel oder das Schalten des Blinkers ist bei routinierten Autofahrern keinen Gedanken mehr wert - während Fahranfänger sich dabei noch konzentrieren müssen.

Der Vorteil des motorischen Lernens liegt auf der Hand: Laufen die Bewegungen unbewusst ab, hat das Hirn mehr Kapazitäten, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Aus Sicht der Evolution macht das Sinn, weil es unseren Vorfahren half zu überleben: Sind Rennen und Klettern automatisiert, muss man sich nicht mehr darauf konzentrieren, wenn die Aufmerksamkeit besser auf anderes gerichtet wäre: einen wütenden Bären etwa, der uns nach dem Leben trachtet. Heute sind Begegnungen mit Bären zum Glück selten.

Lesen Sie auch: Wie das vegetative Nervensystem die Blase beeinflusst

Motorik: Mehr als nur willkürliche Bewegungen

Die Motorik beschreibt sämtliche willkürliche und kontrollierte Muskelbewegungen des menschlichen Körpers. Hierzu zählen sowohl große Bewegungsabläufe wie das Gehen als auch die Mimik des Gesichts. Auch die motorischen Anteile des Nervensystems zur Steuerung und Wahrnehmung von Bewegungen werden unter dem Begriff Motorik zusammengefasst.

Spinale Motorik ist Bewegungskoordination auf Rückenmarksebene mit der einfachsten Bewegungsantwort auf einen Reiz - dem Reflex.

Neurologische Untersuchung und Sensorik

Die Aufnahme von Reizen aus dem Körperinneren durch Mechanorezeptoren spielt eine grundlegende Rolle. Muskelspindeln sind Dehnungssensoren der Arbeitsmuskulatur und messen Muskellänge und Dehnungsgeschwindigkeit. Sie bestehen aus intrafusalen Fasern (spezialisierten Muskelzellen), umgeben von einer bindegewebigen Kapsel und sind parallel zur Arbeitsmuskulatur angeordnet. Sie kommen in jedem Muskel mehr oder weniger häufig vor. Auch Sehnenorgane sind Dehnungssensoren der Arbeitsmuskulatur, die jedoch den Spannungszustand der Muskulatur messen. Jedes Gelenk besitzt Gruppen von Sensoren für die verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten in den Gelenkachsen. Motoneurone liegen im Vorderhorn des Rückenmarks. Nervensystem: Histologie verzweigen sich in den verschiedenen Muskeln unterschiedlich stark, je nachdem, wie präzise der Muskel arbeitet. Statokinetische Reflexe: Reflexe, die durch Bewegungen ausgelöst werden und dafür sorgen, dass das Gleichgewicht aufrechtgehalten wird.

Die Rolle von Kleinhirn, Thalamus und Basalganglien

Die Kleinhirnhemisphären erstellen Bewegungsprogramme für schnelle Zielbewegungen, auf der Grundlage von Informationen aus den assoziativen Rindenfeldern und der vom Großhirn geplanten Bewegungsentwürfe. Der Thalamus dient der Kontrolle und Modulation komplexer Bewegungen.

Die Basalganglien (Stammganglien) erhalten Informationen aus verschiedenen Teilen der Hirnrinde. Sie beeinflussen die Bewegungsprogramme bezüglich ihrer Geschwindigkeit, ihres Bewegungsausmaß, der Kraft und Bewegungsrichtung. Basalganglien (Stammganglien) haben jeweils eine eher hemmende oder eher erregende Wirkung auf die Motorik. Der Nucleus subthalamicus steht über Afferenzen (hemmend) und über Efferenzen (erregend) in Verbindung mit dem Pallidum. Basalganglien (Stammganglien) stehen über Funktionsschleifen mit der Großhirnrinde in Verbindung.

Lesen Sie auch: Sympathikus und Parasympathikus detailliert erklärt

Motorcortex und Pyramidenbahn

Der Motorcortex ist die in der Hierarchie am höchsten stehende Funktionsebene der Motorik, die Informationen aus den untergeordneten Hirnregionen erhält, verarbeitet und sozusagen als „General“ letztendlich den Befehl zur Bewegungsausführung gibt. Der Motorcortex veranlasst über die Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) die Bewegungsausführung. Die Pyramidenbahn führt über eine Million efferente Fasern. Der größte Anteil läuft direkt zu den Motoneuronen des Rückenmarks. Diese Fasern kreuzen zu ca. 90 % zur Gegenseite.

Extrapyramidales System und Hirnstamm

Das extrapyramidale System mit seinen Kerngebieten unterhalb der Großhirnrinde besitzt die Aufgabe, die unwillkürlichen Bewegungen zu modifizieren und die unbewussten Muskelbewegungen und den Grundtonus der Muskulatur selbstständig zu steuern.

Schädigungen und Erkrankungen des motorischen Systems

Eine Schädigung des Cerebellums (z. B. auch als Folge von chronischem Alkoholabusus) führt zu Störungen in der Feinabstimmung und Koordination von Bewegungen. Schädigungen der Basalganglien (Stammganglien) führen zu Störungen im harmonischen Bewegungsablauf. Morbus Parkinson ist eine degenerative Erkrankung der Substantia nigra mit Untergang der Dopamin-produzierenden Zellen. Läsionen des Tractus corticospinalis (Pyramidenbahn) im Bereich der Capsula interna führen zu Lähmungen. Wegen der topografischen Anordnung der Pyramidenbahnfasern in der Capsula interna sind je nach Schädigungsort verschiedene Muskelgruppen von der Lähmung betroffen (Hemiplegie der Arme oder Beine).

Bewegungssteuerung im Gehirn: Ein komplexes Zusammenspiel

Die Bewegungssteuerung im Gehirn ist ein faszinierendes Thema, bei dem die Prozesse im Mittelpunkt stehen, die die Bewegungen des Körpers regulieren und anpassen. Das Zusammenspiel verschiedener Strukturen im Gehirn ist entscheidend für diese komplexen Funktionen.

Hauptkomponenten des Gehirns bei der Bewegungssteuerung

Das Gehirn besteht aus mehreren Schlüsselkomponenten, die wichtig für die Steuerung von Bewegungen sind:

  • Motorischer Kortex: Verantwortlich für die Ausführung willkürlicher Bewegungen. Ein Bereich im Frontallappen des Gehirns, der die Kontrolle über willkürliche Bewegungen wie Gehen, Laufen, Heben und Greifen übernimmt.
  • Basalganglien: Beteiligt an der Bewegungsinitiation und der Regulation des Muskeltonus.
  • Kleinhirn: Essenziell für die Feinmotorik und das Gleichgewicht. Es integriert Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan des Innenohrs, der Propriozeption und dem visuellen System, um die Körperhaltung und das Timing für geschickte Bewegungen zu optimieren.
  • Thalamus: Eine Station, die motorische Signale filtert und weiterleitet.

Wie Bewegungen geplant werden

Bevor eine Bewegung tatsächlich ausgeführt wird, erfolgt eine Phase der Planung und Vorbereitung. Hierbei spielen kognitive Prozesse eine wesentliche Rolle:

  1. Erkennen des Bewegungsziels
  2. Auswahl der benötigten Muskelgruppen
  3. Vorhersage der künftigen Positionen
  4. Anpassung der motorischen Befehle

Der präfrontale Kortex interagiert intensiv mit dem motorischen Kortex, um Entscheidungen für die Bewegungsinitiation zu treffen. Ein Beispiel für Bewegungsplanung ist das Fangen eines Balls. Das Gehirn berechnet die Flugbahn, aktiviert die erforderlichen Muskelgruppen und passt die Handposition an, um den Ball zu greifen.

Bedeutung der Sensorik in der Bewegungssteuerung

Die sensorischen Systeme spielen eine wesentliche Rolle bei der Bewegungssteuerung:

  • Die Propriozeption liefert Informationen über die Position und Bewegung der Gliedmaßen.
  • Visuelle Eingaben helfen bei der Orientierung und Bewegungsanpassung.
  • Auditive Signale können bei der Synchronisierung von Bewegungen von Bedeutung sein.

Ohne diese sensorischen Rückmeldungen wäre die Präzision und Anpassungsfähigkeit der Bewegungen stark eingeschränkt.

Ablauf der Bewegungssteuerung: Ein integrierter Prozess

Die Steuerung von Bewegungen ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Systeme im Körper integriert. Dabei spielt das Nervensystem eine zentrale Rolle, da es die Signale sendet, die für Muskelaktivierungen notwendig sind.

Nervensystem und Bewegungssteuerung

Das Nervensystem ist unverzichtbar für die Kontrolle und Koordination von Bewegungen. Es besteht aus:

  • Dem Zentralnervensystem (ZNS), das das Gehirn und das Rückenmark umfasst.
  • Dem Peripheren Nervensystem (PNS), das die Nerven außerhalb des ZNS beinhaltet.

Im ZNS erfolgt die Verarbeitung von sensorischen Informationen sowie die Planung und Ausführung motorischer Befehle. Das Periphere Nervensystem (PNS) umfasst sämtliche Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks verlaufen. Es überträgt Signale von den Sinnesorganen zum ZNS und die Befehle vom ZNS zu den Muskeln.

Ein einfaches Beispiel für die Nervensystemsteuerung ist der Kniescheibenreflex. Wenn die Sehne unterhalb der Kniescheibe leicht geschlagen wird, schickt das PNS ein Signal an das ZNS, das wiederum eine schnelle Bewegung des Beins auslöst.

Einfluss des vegetativen Nervensystems

Ein bemerkenswertes Detail ist der Einfluss des Vegetativen Nervensystems auf passive Bewegungssteuerung. Es reguliert unbewusste Funktionen wie Herzschlag und Atmung, die indirekt die körperliche Leistungsfähigkeit und die Reaktionszeiten beeinflussen.

Langfristige motorische Fertigkeiten, wie das Spielen eines Musikinstruments, können die Plastizität des Gehirns fördern und dessen Fähigkeit zur Bewegungssteuerung verbessern.

Beispiele für Bewegungssteuerung in der Biologie

In der Biologie gibt es zahlreiche faszinierende Beispiele für Bewegungssteuerung. Diese beinhalten nicht nur menschliche Bewegungen, sondern auch solche im Tierreich und in der Pflanzenwelt.

Bewegungssteuerung bei Tieren

Tiere weisen eine Vielfalt an Bewegungsmechanismen auf, die sie nutzen, um in ihrer Umgebung zu agieren. Einige Beispiele umfassen:

  • Flugbewegungen bei Vögeln: Der koordinierte Einsatz von Flügeln und Schwanz, um Balance und Vortrieb zu gewährleisten. Während des Flugs justiert das Tier ständig Flügel und Schwanz, um genau zu bremsen und sicher zu landen. Diese Bewegungssteuerung erfordert eine feine Abstimmung der Muskelaktivität und sensorischen Rückmeldungen.
  • Sprünge bei Fröschen: Nutzung ihrer kraftvollen Hinterbeine zur Fortbewegung über weite Distanzen.
  • Schwimmen bei Fischen: Verwendung von Flossen und Muskulatur zur Navigation im Wasser.

Tiere haben spezielle Nervensysteme entwickelt, um diese vielfältigen Bewegungen präzise zu steuern. Die Elastizität der Sehnen bei Kängurus ermöglicht es ihnen, durch Energieeinsparung extrem weite Strecken zu springen. Diese Sehnen wirken wie eine Feder, die bei der Landung Energie speichert und beim Absprung freigibt. Dies ist ein Paradebeispiel für die Evolution von Anpassungen zur Bewegungssteuerung.

Bewegungssteuerung bei Pflanzen

Obwohl Pflanzen sesshaft erscheinen, zeigen sie dennoch beeindruckende Formen der Bewegungssteuerung. Diese umfassen:

  • Tropismus: Bewegung oder Wachstum als Reaktion auf äußere Reize wie Licht oder Schwerkraft. Ein klassisches Beispiel für Tropismus ist die Sonnenblume, die ihre Blüte von Osten nach Westen bewegt, um der Sonne zu folgen.
  • Nastische Bewegungen: Reaktionen auf nicht gerichtete Reize, etwa das Schließen von Blumen bei Nacht.
  • Wachstumsbewegungen: Veränderung der Zelllänge, um Richtung des Wachstums zu bestimmen.

Anders als bei Tieren wird die Bewegungssteuerung bei Pflanzen durch chemische Signale wie Hormone vermittelt.

Neuroathletik: Gehirntraining für optimierte Bewegungssteuerung

Ein Fußballer verschießt einen Elfmeter, weil sein Blick den Fixpunkt verliert. Eine Läuferin stolpert, obwohl ihre Muskulatur bestens trainiert ist. Oft liegt die Ursache nicht in der Kraft oder Ausdauer, sondern in der Art und Weise, wie das Gehirn Bewegungssteuerung ausführt. Solchen Fällen kann man jedoch mit neuroathletischem Training gegensteuern.

Neuroathletik ist ein gezieltes Training des Gehirns zur Verbesserung von Bewegungsabläufen und zur Linderung von Schmerzen. Als Grundlage dient die Erkenntnis, dass jeder Bewegung eine Informationsverarbeitung im Gehirn vorausgeht. Durch gezieltes neurologisches Training bestimmter Hirnareale lassen sich Koordination, Wahrnehmung und Bewegungssteuerung optimieren.

Neurowissenschaftler in den USA stellten fest, dass optimale körperliche Leistungen nur dann möglich sind, wenn das Gehirn hochwertige Informationen aus den drei zentralen Steuerungssystemen erhält: den Augen (visuelles System), dem Körper (propriozeptives System) und dem Gleichgewichtssinn (vestibuläres System). Auf dieser Basis entwickelte der US-Arzt Dr. Erik Cobb Anfang der 2000er Jahre das Neuroathletiktraining. Sein Ziel war es, das Nervensystem gezielt zu stärken, da es bereits vor der eigentlichen Bewegung die entscheidenden Prozesse im Hintergrund steuert.

Tatsächlich hat das Gehirn bereits 90 Prozent der kognitiven Leistung erbracht, bevor der Körper sich bewegt. Das Training des Nervensystems verbessert somit die Informationsaufnahme und -verarbeitung, wodurch die Steuerung von Bewegungen präziser ausfällt.

Hemmfaktoren für optimale Bewegungssteuerung

Viele Menschen trainieren gezielt ihre Muskulatur, ihr Herz-Kreislauf-System oder ihre Ausdauer - doch oft bleiben trotz intensiven körperlichen Trainings Defizite bestehen. Bewegungen wirken nicht rund, Schmerzen treten auf oder die gewünschte Leistungssteigerung bleibt aus. Der Grund dafür liegt häufig nicht in mangelnder Kraft oder Kondition, sondern in der Art und Weise, wie das Gehirn und das Nervensystem Bewegungen steuern.

Ein entscheidender Faktor ist die Qualität der Informationen, die das Gehirn aus dem Körper erhält. Visuelle Wahrnehmung, Gleichgewichtssinn und Körpergefühl beeinflussen maßgeblich die Bewegungssteuerung. Werden diese Systeme durch Stress, Verletzungen oder unbewusste Schonhaltungen gestört, kann es zu Bewegungseinschränkungen, Unsicherheiten und Leistungseinbußen kommen.

Typische Hemmfaktoren sind:

  • Fehlgeleitete Wahrnehmung: Das Gehirn verarbeitet unklare oder widersprüchliche Signale, was zu unpräzisen Bewegungen führt.
  • Eingeschränkte sensorische Systeme: Wenn Augen, Innenohr oder Muskelsensoren nicht optimal arbeiten, leidet die Bewegungssteuerung.
  • Chronische Schonhaltung: Nach Verletzungen oder Schmerzen gewöhnt sich der Körper unbewusst an schützende Bewegungsmuster, die langfristig zu Dysbalancen führen.
  • Stress und mentale Blockaden: Psychische Belastungen beeinflussen das Nervensystem und können Reflexe sowie Reaktionsgeschwindigkeit verschlechtern.

Für wen ist Neuroathletik geeignet?

Neuroathletiktraining ist vielseitig einsetzbar und eignet sich für verschiedene Anwendungsbereiche. Ob zur Leistungssteigerung, zur Vorbeugung von Verletzungen oder zur Behandlung von Beschwerden - das Gehirntraining kann gezielt genutzt werden, um Bewegungsabläufe zu optimieren.

Neuroathletik eignet sich dabei für:

  • Patienten, deren Beschwerden auf fehlerhafte Bewegungen oder Haltungen zurückzuführen sind.
  • Professionelle Athleten, die aktiv ihre Leistungsfähigkeit verbessern wollen.
  • Trainer, die ihre Trainingsmethoden optimieren wollen.
  • Hobbysportler, bei denen fehlerhafte Bewegungsmuster oder falsche Körperhaltungen zu stagnierendem Fortschritt, Verspannungen oder sogar Verletzungen führen.
  • Personen mit Beschwerden wie Schmerzen, Verspannungen oder Gangunsicherheiten, die ihren Ursprung in fehlerhaften Bewegungen oder einer gestörten Wahrnehmungsverarbeitung haben. Auch Symptome wie Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen lassen sich durch Neuroathletik oft verbessern.

Wie funktioniert Neuroathletiktraining?

Zu Beginn eines neuroathletischen Trainings erfolgt eine detaillierte Anamnese, bei der körperliche Verspannungen, Bewegungseinschränkungen oder neurologische Auffälligkeiten erfasst werden. Auf dieser Grundlage wird ein individueller Trainingsplan mit gezielten Korrekturübungen erstellt.

Ein zentraler Bestandteil der Neuroathletik ist die Optimierung der Reizverarbeitung. Dazu gehören Übungen zur Stärkung der drei wichtigsten neurologischen Systeme:

  • Visuelles System: Spezielle Augenübungen verbessern die Informationsverarbeitung im Kopf, was die Bewegungssteuerung optimiert.
  • Vestibuläres System: Übungen für den Gleichgewichtssinn fördern eine stabile Körperhaltung und eine präzise Bewegungskoordination.
  • Propriozeptives System: Durch gezielte Reize und Bewegungen wird das Körpergefühl geschult, um Haltungs- und Bewegungsfehler zu korrigieren.

Im neuronalen Training selbst beanspruchen die Patientinnen und Patienten dann gezielt das Gehirn und das Nervensystem.

Das Ziel der Neuroathletik ist es, die Funktionsweise und Interaktion zwischen dem zentralen und peripheren Nervensystem zu überprüfen und gezielt zu optimieren. Durch neuronales Training lassen sich nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch Schmerzen lindern und das Verletzungsrisiko senken.

Beispiele für Übungen im Neuroathletiktraining

  • Augenübungen: Die visuelle Wahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewegungssteuerung. Durch gezielte Fixpunkt- und Blicksprungübungen kann das Gehirn lernen, Bewegungen präziser zu koordinieren. Eine Verbesserung der Augenbeweglichkeit hilft zudem, Verspannungen im Nackenbereich und Fehlhaltungen zu reduzieren.
  • Gleichgewichtstraining: Das vestibuläre System beeinflusst maßgeblich die Haltung und Stabilität. Übungen auf instabilen Untergründen, Kopfbewegungen oder gezieltes Training der Gleichgewichtsnerven verbessern die Koordination und Körperkontrolle.
  • Atemtraining: Die Atmung beeinflusst nicht nur die Sauerstoffversorgung des Körpers, sondern auch die Spannung der Muskulatur und die Stabilität der Gelenke. Atemtechniken, wie zum Beispiel die bewusste Bauchatmung oder das Training des Zwerchfells, können Verspannungen lösen und die Leistungsfähigkeit steigern.
  • Propriozeptives Training: Die Körperwahrnehmung wird durch spezielle Reize geschult. Übungen mit gezieltem Druck auf bestimmte Körperstellen oder das bewusste Ansteuern einzelner Gelenke helfen, Bewegungsfehler zu korrigieren und präzisere Abläufe zu ermöglichen.
  • Reflex- und Reaktionsübungen: Durch bestimmte Impulse, wie plötzliche Lichtreize oder unerwartete Gleichgewichtsverlagerungen, wird das Nervensystem dazu trainiert, Bewegungen schneller und effizienter anzupassen.

Während des Trainings wird die korrekte Ausführung der Übungen überwacht, um die bestmöglichen Effekte zu erzielen.

Dauer des Neuroathletiktrainings

Das Training der Neuroathletik kann dabei helfen, plötzliche sowie sporadische Probleme des Körpers in wenigen Tagen zu verbessern. Bei chronischen Beschwerden kann es nötig sein, das Athletiktraining zur Verbesserung der Symptome über mehrere Monate hinweg wahrzunehmen. Die Neuroathletik ist allerdings keine lebenslange Therapie.

Wissenschaftliche Bewertung der Neuroathletik

Erste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen vielversprechende Ansätze - insbesondere im Bereich der Wahrnehmungs- und Bewegungssteuerung. Während die Forschung zu Neuroathletik noch jung ist, gibt es bereits Hinweise darauf, dass gezieltes Training des Nervensystems eine positive Wirkung auf Reaktionsfähigkeit, Koordination und Bewegungsmuster haben kann.

tags: #Nervensystem #und #Bewegungssteuerung #Grundlagen