Kryoneurolyse: Eine wirksame Therapie bei Genitofemoralisneuralgie und anderen Nervenschmerzen

Die Kryoneurolyse, auch Kryoanalgesie oder Kryoablation genannt, ist eine spezielle Technik zur langfristigen Schmerzlinderung in der interventionellen Schmerztherapie, wenn Schmerzen nachweislich von sensorischen Nerven verursacht werden. Sie stellt eine wirksame Methode zur Behandlung von Neuralgien, Nervenschmerzen und Neuromschmerzen dar.

Grundlagen der Kryoneurolyse

Um die Wirkungsweise der Kryoneurolyse zu verstehen, ist es wichtig, sich die Neuranatomie und Neurophysiologie sowie die Pathophysiologie der Nerven vor Augen zu führen.

Nervenanatomie

Jeder Nerv besteht aus einem Bündel von Axonen. Jedes Axon ist von einem Bindegewebe, dem Endoneurium, umgeben. Diese Axone sind zu Faszikeln zusammengefasst und vom Perineurium als bindegewebiger Struktur umgeben. Letztendlich bilden mehrere Faszikel zusammen den Nerv und sind mit dem Epineurium als äußerste Schicht umhüllt.

Man unterscheidet myelinisierte Nerven, deren Axone mit den Myelinscheiden der Schwannschen Zellen umgeben sind. Myelinisierte Axone leiten die elektrischen Nervenimpulse schneller als nicht myelinisierte Nerven.

Klassifikation der Nervenverletzungen

Nach Seddon und Sunderland unterscheidet man mehrere Schweregrade der Nervenverletzung, die die Verletzung der Nervenanatomie beschreiben und in Relation zur möglichen Regeneration darstellen. Auch wird eine Relation von Kälte und Nervenschädigung darstellbar:

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  • Neuropraxie: Die geringste Schädigung, die eine kurzzeitige Leitungsunterbrechung beschreibt (wie bei "eingeschlafenen Beinen"). Sie entspricht einer Kälteexposition von +10°C bis -20°C und ist vollständig reversibel.
  • Axonotmesis: Beschreibt den Verlust der Kontinuität des Axons mit Wallerscher Degeneration distal der Verletzung, aber mit erhaltenen Hüllstrukturen von Endoneurium, Perineurium und Epineurium. Dies ist ebenfalls vollständig reversibel, die Regeneration dauert jedoch je nach Länge des Nervs bis zu 24 Monate. Die Regeneration von Axon und Myelinscheide findet entlang der Hüllstrukturen statt (ca. 1-2 mm/Tag). Die Axonotmesis entspricht einer Kälteexposition von -20°C bis -100°C.
  • Neurotmesis: Beschreibt die anatomische Unterbrechung der Axone sowie des Peri- und Epineuriums, auch wenn eventuell das Endoneurium noch erhalten bleibt. Dies ist nicht mehr reversibel und tritt bei Temperaturen unter -140°C auf. Eine vollständige Transektion der Nerven ist mit Kälte nicht möglich.

Es ist wichtig, die Kryoneurolyse von der Kryoablation abzugrenzen, bei der flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur unter -198°C zur Anwendung kommt. Dies ist in der Anwendung an Nerven nur noch historisch von Bedeutung.

Geschichte der Kälteanwendung in der Medizin

Die Erkenntnis, dass Kälte Schmerzen lindert und entzündungshemmend wirkt, ist bereits seit der Zeit vor Hippokrates (460-377 v. Chr.) bekannt und wurde in Griechenland, Ägypten und Persien angewandt. Während des napoleonischen Krieges wurde festgestellt, dass halberfrorene Soldaten in Russland die notwendigen Amputationen deutlich besser tolerierten, was zur Verwendung von kalten Solemischungen zur Schmerzlinderung führte.

Seit 1899 wurden Kältemittel medizinisch genutzt. Im Jahr 1950 wurde flüssiger Stickstoff in der Medizin eingeführt, und 1961 wurde die erste Kryosonde mit flüssigem Stickstoff und Temperaturen unter -190°C medizinisch eingesetzt. Kurz darauf wurde von dem Augenchirurgen Amoils eine Kryosonde entwickelt, die mit Lachgas und Kohlendioxid bei -70°C betrieben wurde.

Technik der Kryoneurolyse

Die heute verwendeten kryochirurgischen Apparate nutzen entweder Lachgas (Stickoxydul N2O) oder Kohlendioxid (CO2). Einige Zentren haben früher Lachgas als Kältemittel verwendet, verzichten aber inzwischen darauf, da das Gas während des Eingriffs in die Umgebung abgegeben wird.

Moderne Geräte verfügen über die Möglichkeit, Nervenstrukturen durch elektrische Stimuli mit Hilfe eines "Nervsearchers" zu verifizieren. Die aktuellen Sonden haben eine Größe von 1,4 bis 2 Millimetern. Die meisten haben einen eingebauten Nervenstimulator zur Lokalisierung des Nervs und einen Thermistor zur Ermittlung der Temperatur an der Spitze.

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Funktionsweise:

  1. Abkühlung: Durch die Expansion des Gases an der Sondenspitze entsteht ein Joule-Thompson-Effekt, der zu Temperaturen von bis zu -89°C führt. Es bildet sich eine Eiskugel mit Temperaturen im Bereich von -70°C.
  2. Geschlossenes System: Das Gas wird durch ein äußeres Rohr zurück in die Maschine geleitet und durch einen belüfteten Auslass gespült, wodurch ein Entweichen in das Gewebe des Patienten verhindert wird.
  3. Eisballgröße: Die Größe der Eiskugel variiert je nach Sondengröße (z.B. 5,5 mm bei einer 2,0-mm-Sonde und 3,5 mm bei einer 1,4-mm-Sonde).
  4. Nervenstimulation: Ein eingebauter Nervenstimulator ermöglicht die präzise Lokalisierung des Zielnervs durch sensorische und motorische Reaktionen.
  5. Leitungsblockade: Die Anwendung von Kälte auf das Gewebe erzeugt eine Leitungsblockade, ähnlich der Wirkung von Lokalanästhetika. Größere myelinisierte Fasern hören bei 10°C auf zu leiten, während alle Nervenfasern bei -20°C blockiert werden.

Langfristige Schmerzlinderung:

Die langfristige Schmerzlinderung durch Nervengefrieren beruht darauf, dass Eiskristalle eine vaskuläre Schädigung der Vasa nervorum verursachen, was zu einem schweren endoneuralen Ödem führt. Dadurch wird die Nervenstruktur gestört und es kommt zur Waller'schen Degeneration, wobei die Myelinscheide und das Endoneurium intakt bleiben. Die Basallamina der Schwann-Zellen bleibt erhalten und dient als Struktur für die Regeneration.

Indikationen für die Kryoneurolyse

Die Kryoneurolyse kann bei verschiedenen Schmerzzuständen in Betracht gezogen werden:

  • Occipitalisneuralgie
  • Trigeminusneuralgie
  • Facettenschmerzen der Wirbelsäule (HWS/BWS/LWS)
  • Schulterschmerzen (Vereisung des Nervus suprascapularis)
  • Intercostalneuralgien
  • Ilioinguinale Neuralgie
  • Iliohypogastrische Neuralgie
  • Genitofemorale Neuralgie
  • Subgastrische Neuralgie
  • Pudendusneuralgie
  • Schmerzen im unteren Rücken und in den unteren Extremitäten sekundär zu lumbalen Facettengelenkspathologien, Pseudosciatica, Schmerzen mit Beteiligung des intraspinösen Bandes oder des supraglutealen Nervs, Schmerzen im Iliosakralgelenk, Neuralgie der Cluneal Nerven, Obturator-Neuralgie und verschiedene Arten von peripherer Neuropathie
  • Schmerzen in den oberen Extremitäten sekundär zu suprascapularer Neuritis und anderen Zuständen peripherer Neuritis

Faktoren, die den Erfolg der Kryoneurolyse beeinflussen

Das Ausmaß der Vereisung und der anschließenden Nervenschädigung hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Nähe der Sonde zum Nerv
  • Größe der Kryosonde
  • Größe des gebildeten Eisballs
  • Vollständigkeit der Vereisung (Rate und Dauer)
  • Temperatur des Gewebes in der Nähe der Sonde (beeinflusst durch lokale Wärmesenken wie Liquor/Blutfluss)

Die Intensität und Dauer der Analgesie ist abhängig vom Grad der Nervenschädigung durch die Eiskugel.

Wichtige Hinweise zur Durchführung

  • Die Verwendung eines Nervenstimulators und die sorgfältige Lokalisierung des Nervs sind entscheidend für den Erfolg.
  • Die Verwendung der größten geeigneten Sonde und geeigneter Gefrier- und Auftauzyklen erhöhen den Grad der Nervenunterbrechung.
  • Wiederholte Zyklen senken die Temperatur an Stellen, die weiter von der Sonde entfernt sind, erhöhen die Größe des gebildeten Eisballs und vergrößern die Länge des in den Eisball eingeschlossenen Nervs.
  • Die Verwendung von Kochsalzlösung mit Epinephrin in der Nähe des eingeklemmten Nervs kann die "Wärmesenke" des nahegelegenen warmen Blutflusses verringern und gleichzeitig potenziell den Bluterguss durch die Platzierung der Sonde verringern, was zu einer Verringerung der Schmerzen nach dem Eingriff führen dürfte.
  • Die Kryosonde sollte in der Regel erst herausgezogen werden, nachdem die Eiskugel aufgetaut ist, da der Versuch, die Sonde bei vorhandener Eiskugel herauszuziehen, das anliegende Gewebe zerreißen und ein Nervensegment verletzen könnte.

Differentialdiagnose und weitere Therapieansätze

Es ist wichtig, andere Ursachen für Leistenschmerzen und Nervenkompressionssyndrome auszuschließen. Dazu gehören:

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  • Weiche Leiste/Sportlerleiste: Eine beginnende Ausdünnung und Vorwölbung der Hinterwand des Leistenkanals.
  • Gilmore-Hernie: Eine fasziale Ausdünnung der Externusaponeurose lateral des äußeren Leistenrings.
  • Nervenkompressionssyndrome der Leiste: Betreffen den N. iliohypogastricus, den N. ilioinguinalis und den N. genitofemoralis.
  • Meralgia paraesthetica: Eine Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis (NCFL), die zu Schmerzen und Gefühlsstörungen im ventrolateralen Oberschenkel führt.

Weitere Therapieansätze bei chronischen neuropathischen Schmerzen umfassen:

  • Intravenöse Gabe von Lokalanästhetika (z.B. Lidocain): Kann bei peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen zu deutlicher und anhaltender Schmerzlinderung führen.
  • Leitungsanästhesien, Sympathikusblockaden und lokale Infiltrationen: Können häufig eine dauerhafte Schmerzlinderung bewirken.
  • Periphere und rückenmarknahe Applikation neurolytischer Substanzen (Alkohol, Phenol): Eine wirksame Methode bei Patienten mit unstillbaren Schmerzen und eingeschränkter Lebenserwartung.

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