Der Skandal in Graz: Neurochirurgin lässt Tochter im OP-Saal assistieren – Kritik und rechtliche Konsequenzen

Der Fall einer Neurochirurgin in Graz, die ihre minder­jäh­rige Tochter während einer Notoperation im Januar 2024 im OP-Saal assistieren ließ, hat in Österreich für großes Aufsehen und Kritik gesorgt. Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt gegen die Ärztin und einen weiteren Chirurgen wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung.

Der Vorfall im Detail

Im Januar 2024 wurde ein Landwirt nach einem schweren Forstunfall mit einem Schädel-Hirn-Trauma in das Landeskrankenhaus Graz eingeliefert und notoperiert. Während dieser Operation soll die damals 12-jährige Tochter der Neurochirurgin anwesend gewesen sein und sogar aktiv am Eingriff teilgenommen haben. Laut Medienberichten und Aussagen des Anwalts des Unfallopfers soll das Mädchen unter Anleitung ihrer Mutter ein Loch in den Schädel des Patienten gebohrt haben.

Die Ermittlungen und Anklage

Nach einer anonymen Anzeige im April 2024 wurden die Chirurgin und ein weiteres Mitglied des ärztlichen Operationsteams Ende Mai vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte die Ermittlungen wegen Körperverletzung. Inzwischen wurde Anklage gegen die beiden Ärzte erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, es zugelassen zu haben, dass eine ungeschulte Person einen Patienten behandelt, was als Beteiligung an einer Körperverletzung gewertet wird. Im Falle einer Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Die Aussagen der Beteiligten

Die angeklagte Chirurgin räumte ein, dass ihre Tochter im OP-Saal anwesend war, bestritt jedoch, dass sie aktiv am Eingriff teilgenommen habe. Sie erklärte, ihre Tochter habe sie an diesem Tag in die Klinik begleitet, um dort Englischvokabeln zu lernen, und habe dann darum gebeten, bei einer Operation zusehen zu dürfen. Dies zu erlauben, sei "sicherlich ein Fehler" gewesen. Der mitangeklagte Chirurg gab zu, dass das Kind seine Hand auf das Bohrgerät oder auf seine Hand gelegt habe, betonte jedoch, dass er das Gerät bedient und immer die volle Kontrolle gehabt habe. Die Chirurgin selbst gab an, dass sie ihren Teil der Operation bereits abgeschlossen hatte und mit Telefonaten über weitere geplante Operationen beschäftigt war, sodass sie nicht mitbekommen habe, was ihre Tochter genau getan habe.

Widersprüchliche Aussagen und "saublöder Mutterstolz"

Zeugenaussagen zufolge soll die Chirurgin nach dem Eingriff gegenüber Klinik-Kolleginnen sinngemäß berichtet haben, ihre Tochter habe soeben ihr erstes Bohrloch gesetzt. Vor Gericht erklärte sie, dies wohl nur "aus saublödem Mutterstolz" gesagt zu haben, ohne damit eine aktive Beteiligung an der Operation zu meinen.

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Kritik und Konsequenzen

Der Vorfall hat breite Kritik ausgelöst. Die Staatsanwältin betonte, dass der Eingriff wegen der Beteiligung des Kindes "wirklich schlimm" hätte ausgehen können, und sprach von einer "unglaublichen Respektlosigkeit vor dem Patienten". Das Krankenhaus hat sich mittlerweile von den beiden Angeklagten getrennt. Der Anwalt des Unfallopfers kritisiert das Verhalten der Uni-Klinik-Leitung nach Bekanntwerden des Skandals: „Es gab keinen Kontakt, keine Erklärung oder Entschuldigung, gar nichts. Das ist einfach unwürdig.“

Rechtliche und ethische Fragen

Der Fall wirft eine Reihe von rechtlichen und ethischen Fragen auf. Darf eine ungeschulte Person, selbst unter Aufsicht, an einer Operation teilnehmen? Welche Verantwortung tragen die beteiligten Ärzte und das Krankenhaus? Wie ist mit dem Schutz der Patientenwürde und dem Vertrauen in das medizinische Personal umzugehen?

Der Patient als "Versuchskaninchen"?

Der betroffene Landwirt erfuhr erst aus der Zeitung von der Beteiligung der zwölfjährigen Tochter an seiner Notoperation. Er schilderte sein Entsetzen und das Gefühl, als "Versuchskaninchen" behandelt worden zu sein.

Parallelen zu einem ähnlichen Fall in Paderborn

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich im vergangenen Jahr in einer Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie in Paderborn, wo ein Oberarzt seinen damals 16-jährigen Sohn ohne medizinische Ausbildung als „Helfer“ im OP mitwirken ließ.

Die Reaktion der Uni-Klinik Graz

Die Uni-Klinik Graz äußerte sich auf Nachfrage und betonte, dass die Operation komplikationslos verlaufen sei. Die Kontaktaufnahme zum Patienten sei unterblieben, da dieser sich als Privatbeteiligter an das Strafverfahren angeschlossen habe und damit Partei des Strafverfahrens sei.

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