Die Debatte um die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und deren Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung ist in Deutschland von großer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat die Initiative "Mensch vor Profit" eine bemerkenswerte Resonanz gefunden. Mehr als 2800 Ärztinnen und Ärzte haben einen Appell unterzeichnet, der im Magazin Stern veröffentlicht wurde. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe und Forderungen dieser Initiative und analysiert die potenziellen Auswirkungen wirtschaftlicher Zwänge auf ärztliche Entscheidungen.
Die Initiative "Mensch vor Profit": Ein Überblick
Die Initiative "Mensch vor Profit" wurde von Medizinern ins Leben gerufen, die sich Sorgen um den wachsenden Einfluss wirtschaftlicher Interessen im Gesundheitswesen machen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Stern-Titelgeschichte "Mensch vor Profit" am 5. September 2019 gab es mehr als 200 Mediziner als Einzelunterzeichner und 19 Organisationen. Bis zum 3. Februar 2020 stieg die Zahl der namentlich erfassten Ärztinnen und Ärzte auf über 2800, und das Postfach quillt immer noch über. Die Zahl der im Gesundheitswesen aktiven Organisationen stieg auf 75.
Der Appell richtet sich an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, um auf die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung medizinischer und ethischer Aspekte bei der Gestaltung des Gesundheitssystems hinzuweisen. Die Unterzeichner fordern eine Abkehr von rein wirtschaftlich orientierten Zielsetzungen und eine Rückbesinnung auf den Patienten als Mittelpunkt des medizinischen Handelns.
Wer steht hinter der Initiative?
Der Ärzte-Appell wurde von Medizinern unterzeichnet, die an ganz unterschiedlichen Punkten ihrer beruflichen Laufbahn stehen: mutige Jungärztinnen und -ärzte, die in Hierarchieverhältnissen stecken und besonders viel riskieren, Ruheständler bis hin zu Präsidenten von Ärzteorganisationen. Alle verbindet die Erkenntnis: So darf es nicht weitergehen. Rechnet man nur die Mitgliederzahlen der ärztlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände zusammen - elf insgesamt - vertreten diese mehr als 130.000 Mediziner. Doppeltmitgliedschaften sind bei dieser Rechnung weitgehend ausgeschlossen, aber natürlich wurde nicht jedes Mitglied befragt, entschieden haben gewählte Repräsentanten.
Auch viele Nichtärzte meldeten sich: Diplom-Psychologen, Pflegekräfte, Krankenhausseelsorger, die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Hebammen, die Deutsche Gesellschaft für Patientenwürde und natürlich auch Patienten. Jede einzelne Zuschrift wird geprüft.
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Zu den Organisationen, die den Appell unterstützen, gehören unter anderem:
- Adipositaschirurgie-Selbsthilfe Deutschland e.V. (AcSD)
- Adipositas Verband Deutschland e.V.
- Arbeitsgemeinschaft Leitender gastroenterologischer Krankenhausärzte e.V (ALGK)
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
- Arbeitskreis der Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern (ACKPA)
- Arbeitsgemeinschaft leitender gastroenterologischer Krankenhausärzte e.V. (Vorstand)
- Ärztekammer Berlin
- Ärztekammer Westfalen-Lippe
- Ärztekammer Niedersachsen
- Ärztekammer Hamburg (Vorstand)
- Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
- Attac - AG Soziale Sicherungssysteme
- Bayerische Landesärztekammer (BLÄK)
- Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V.
- Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.
- Berufsverband Deutscher Internisten e. V. (Präsidium)
- Berufsverband Deutscher Neuroradiologen e.V.
- Bezirksärztekammer Nordbaden (Vorstand)
- Bezirksärztekammer Südwürttemberg (Vorstand)
- Bundesdirektorenkonferenz als Verband der Leitenden Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK) e.V.
- Bundesverband für Ambulantes Operieren e. V. (BAO)
- Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschland (BVMD)
- Deutsche Adipositas-Gesellschaft
- Deutscher Ärztinnenbund e. V. (DÄB)
- Deutsche Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG)
- Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG)
- Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)
- Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)
- Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)
- Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)
- Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN)
- Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall und Akutmedizin e.V. (DGINA)
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH)
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ)
- Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V. (DGKL)
- Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie
- Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e.V.
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Rehabilitation und Prävention e.V. (DGPRP)
- Deutsche Gesellschaft für Patientenwürde e.V.
- Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRäC)
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN)
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh)
- Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP)
- Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.
- Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI, Präsidium)
- Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. (DNEbM)
- Deutsche Psychotherapeutenvereinigung e.V.
- Deutsche Schlaganfallgesellschaft (DSG)
- Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (DVMB)
- diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe
- Förderverein Existenzielle Psychotherapie (FVEP)
- Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI)
- Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e.V. (GAÄD)
- German Brain Council e.V.
- German Society of Residents in Urology (GeSRU)
- Kassenärztliche Vereinigung Hessen
- Kommission des Erzbistums Hamburg für Medizin- und Gesundheitsethik
- Konvent der Krankenhaus-, Kur- und Reha-Seelsorgenden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
- Konvent der der leitenden Krankenhauschirurgen
- Liste Junge Ärztinnen & Ärzte (Ärztekammer Nordrhein)
- Marburger Bund Berlin/Brandenburg
- Marburger Bund Hamburg
- Marburger Bund Niedersachsen
- Marburger Bund Schleswig-Holstein
- Medizin und Menschlichkeit e. V. (MUM)
- Mezis e. V. - Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte
- Rheinisch Westfälische Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (RWGIM)
- Verband der niedergelassenen Diabetologen Niedersachsens e.V.
- Verein der Demokratischen Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ)
- Vereinigung der Gefäßchirurgen des Landes Brandenburg e. V.
- Verein Pflegestimme- Bündnis aller Pflegekräfte e.V.
- Verein #twankenhaus
- Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V.
Diese breite Unterstützung aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens unterstreicht die Relevanz der Thematik.
Beispiele für wirtschaftliche Zwänge und ihre Auswirkungen
Wirtschaftliche Zwänge können sich auf vielfältige Weise auf ärztliche Entscheidungen auswirken. Einige Beispiele sind:
- Verkürzung der Behandlungszeiten: Um die Effizienz zu steigern, werden Behandlungszeiten verkürzt, was zu einer weniger umfassenden Betreuung der Patienten führen kann.
- Einschränkung der Therapieauswahl: Aus Kostengründen werden möglicherweise nicht alle Therapieoptionen angeboten, obwohl diese medizinisch indiziert wären.
- Erhöhung der Fallzahlen: Um die Rentabilität zu steigern, werden möglicherweise mehr Patienten behandelt, was zu einer höheren Arbeitsbelastung und einer geringeren Qualität der Versorgung führen kann.
- Falsche Anreize: Das System der Fallpauschalen (DRG) setzt Anreize, bestimmte Leistungen zu erbringen, die möglicherweise nicht immer im besten Interesse des Patienten sind.
Die Forderungen der Initiative
Die Initiative "Mensch vor Profit" fordert eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems, die folgende Punkte berücksichtigt:
- Stärkere Berücksichtigung medizinischer und ethischer Aspekte: Bei der Gestaltung des Gesundheitssystems müssen medizinische und ethische Aspekte Vorrang vor rein wirtschaftlichen Interessen haben.
- Förderung einer patientenorientierten Versorgung: Die Bedürfnisse und Interessen der Patienten müssen im Mittelpunkt des medizinischen Handelns stehen.
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen für medizinisches Personal: Eine angemessene Personalausstattung und eine faire Bezahlung sind notwendig, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten.
- Transparenz und Kontrolle: Die Entscheidungen im Gesundheitswesen müssen transparent und nachvollziehbar sein. Es bedarf einer unabhängigen Kontrolle, um sicherzustellen, dass wirtschaftliche Interessen nicht die medizinische Versorgung beeinträchtigen.
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