Einführung in die neurologische Funktionsdiagnostik
Die neurologische Funktionsdiagnostik umfasst verschiedene elektrophysiologische Messverfahren, die dazu dienen, die Funktionstüchtigkeit des Nervensystems zu untersuchen. Zu diesen Verfahren gehören die Visuell Evozierten Potentiale (VEP), die Akustisch Evozierten Potentiale (AEP), die Somatosensorisch Evozierten Potentiale (SSEP) und die Motorisch Evozierten Potentiale (MEP). Diese Untersuchungen liefern wertvolle Informationen über den Zustand der sensorischen und motorischen Systeme und helfen bei der Diagnose verschiedener neurologischer Erkrankungen. Allen diesen Methoden ist gemein, dass elektrische Antwortsignale des Nervensystems auf bestimmte Reize gemessen werden. Da diese Signale sehr klein sind, werden die Reize mehrfach wiederholt und die abgeleiteten Signale elektronisch gemittelt.
Was sind Visuell Evozierte Potentiale (VEP)?
Visuell Evozierte Potentiale (VEP) sind elektrische Antwortsignale des Gehirns, die durch visuelle Reize ausgelöst werden. Sie werden verwendet, um die Funktion der Sehbahn zu überprüfen, die sich von der Netzhaut des Auges über den Sehnerv bis zur Sehrinde im Gehirn erstreckt. Das Schachbrettmuster-VEP ist eine spezielle Form der VEP-Untersuchung, bei der ein Schachbrettmuster als visueller Reiz verwendet wird.
Das Schachbrettmuster-VEP im Detail
Der Ablauf der Untersuchung
Bei einem Schachbrettmuster-VEP wird dem Patienten auf einem Monitor ein Schachbrettmuster präsentiert, bei dem in kurzen Abständen eine Kontrastumkehr stattfindet, d.h. die schwarzen und weißen Felder wechseln sich ab. Der Patient sitzt oder liegt in einem verdunkelten Raum vor dem Bildschirm. Auf dem Monitor befindet sich zudem ein roter Punkt, auf den der Patient während der gesamten Untersuchung fixieren soll. Dies ist wichtig, um eine optimale Messung zu gewährleisten und zu verhindern, dass die Augen auf dem Schachbrettmuster umherwandern. Die Untersuchung wird im Sitzen oder Liegen durchgeführt.
Die Rolle der Makula
Aufgrund der Notwendigkeit einer hohen Auflösung kann der Musterreiz nur in der Makula erkannt werden. Die Makula ist der Bereich der Netzhaut mit der höchsten Sehschärfe und ermöglicht uns, scharf zu sehen. Somit wird mit dem VEP auch die Funktion der Makula gemessen.
Ableitung der Potentiale
Die elektrischen Signale, die durch die visuelle Stimulation entstehen, werden mittels feiner Nadelelektroden von der Kopfhaut abgeleitet. Diese Elektroden werden in der Regel über dem Hinterkopf platziert, da sich dort die Sehrinde befindet. Die abgeleiteten Signale werden verstärkt und gemittelt, um Störungen zu reduzieren und die eigentlichen Antwortsignale des Gehirns sichtbar zu machen.
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Voraussetzungen für eine erfolgreiche Messung
Für eine verlässliche Messung ist eine ausreichende Sehschärfe erforderlich. Patienten sollten daher ihre Brille oder Kontaktlinsen zur Untersuchung mitbringen. Wenn die Sehschärfe sehr schlecht ist oder die klaren Gewebe des Auges (Hornhaut, Linse, Glaskörper) getrübt sind, kann das VEP nicht beurteilt werden. Außerdem ist es wichtig, dass der Patient während der Untersuchung entspannt liegen kann, da Muskelüberlagerungen die Messung stören können.
Wann wird ein Schachbrettmuster-VEP durchgeführt?
Ein VEP wird immer dann durchgeführt, wenn der Verdacht auf eine Erkrankung des Sehnervs besteht, bei ungeklärten Sehstörungen oder bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Einige spezifische Indikationen umfassen:
- Verdacht auf Optikusneuritis: Eine Entzündung des Sehnervs, die häufig bei Multipler Sklerose auftritt.
- Abklärung von Sehstörungen: Bei unklarer Ursache, z.B. bei Verdacht auf eine Schädigung der Sehbahn.
- Beurteilung der Sehfunktion bei Kindern: Insbesondere bei Verdacht auf Sehbehinderungen, die nicht durch eine normale Augenuntersuchung festgestellt werden können.
- Überwachung des Krankheitsverlaufs: Bei Erkrankungen, die die Sehbahn betreffen können, wie z.B. Multiple Sklerose.
- Makuladegeneration: Erkrankungen, die die Makula betreffen.
Durch die Schachbrettmusterreizung (Bildschirm) werden nacheinander beide Augen bzw. beide Sehnerven untersucht.
Weitere elektrophysiologische Untersuchungsmethoden
Neben dem VEP gibt es noch weitere wichtige elektrophysiologische Untersuchungsmethoden, die im Folgenden kurz erläutert werden.
Akustisch Evozierte Potentiale (AEP)
Ein AEP erfolgt immer dann, wenn eine ungeklärte Hörstörung oder Schwindel vorliegen, ferner bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems besteht. Durch akustische Klickreize (Kopfhörer) werden nacheinander beide Ohren bzw. beide Hörnerven und die entsprechenden Nervenbahnen des Gehirns untersucht. Die Messung wird mittels zweier feiner Nadelelektroden von der Kopfhaut und hinter dem Ohr abgeleitet. Bei dieser Untersuchung sitzen die Patienten bequem in einem Stuhl und bekommen einen Kopfhörer aufgesetzt, aus dem sie erst rechts und dann links knackende Geräusche hören. Da immer Seite allein untersucht werden soll, wird die Hörfähigkeit des anderen gerade nicht untersuchten Ohres durch ein andauerndes Rauschen blockiert. Vor Beginn der Untersuchung werden Metallplättchen über den Knochen hinter jedem Ohr aufgeklebt und auf die Mitte des Kopfes.
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Somatosensorisch Evozierte Potentiale (SSEP)
Ein SSEP erfolgt bei ungeklärten sensiblen Symptomen und bei Verdacht auf eine Erkrankung der Nerven oder des zentralen Nervensystems, insbesondere bei einer Funktionsstörung des Rückenmarks. Durch schwache, nicht beeinträchtigende Stromimpulse z.B. an den Armen oder Beinen werden Nervenfasern stimuliert. Die Messung wird mittels zweier feiner Nadelelektroden von der Kopfhaut abgeleitet. Bei der Untersuchung liegen die Patienten auf einer Untersuchungsliege und sollten möglichst entspannt sein. Die Gefühlsnerven werden durch sehr kurze und schwache elektrische Reize aktiviert. Die Reize sind gerade so stark, daß sie sie fühlen und daß eine geringe Zuckung in den zugehörigen Muskeln auftritt. Die Reize werden hinter dem rechten und linken Knöchel sowie am rechten und linken Handgelenk gegeben, um die Bahnen für beide Beine und Arme untersuchen zu können.
Motorisch Evozierte Potentiale (MEP)
Ein MEP erfolgt bei ungeklärten motorischen Symptomen und bei Verdacht auf eine Erkrankung der motorischen Nervenbahnen oder des zentralen Nervensystems. Durch eine auf den Kopf aufgesetzte Magnetspule wird ein nicht schmerzhafter Stromimpuls ausgelöst, der motorische Nervenfasern stimuliert (TKMS). Die Messung wird mittels Oberflächenelektroden von Muskeln an den Händen, Unterschenkeln oder Füssen abgeleitet. Bei besonderen Fragestellungen wird zusätzlich auch in Höhe der Hals- oder Lendenwirbelsäule stimuliert. Bei der Untersuchung liegen die Patienten auf eine Untersuchungsliege. Es werden Oberflächenelektroden über die Muskelbäuche der zu untersuchenden Muskeln an Händen und Unterschenkeln geklebt. Bei der Untersuchung zur Zunge oder Wange sind die Oberflächenelektroden in eine Vorrichtung eingebettet, die auf die Zunge bzw. in die Wangen gelegt wird. Die Nervenzellen der Hirnrinde werden mit Hilfe einer Stimulationsspule, die über den Kopf gehalten wird, gereizt. Dabei entsteht durch die Entladung des Kondensators ein kurzes Klopfgeräusch. Durch die Gehirnaktivierung werden Impulse über das Rückenmark und die peripheren Nerven zur Gesichts-, Arm- und Beinmuskulatur fortgeleitet, wo es zu einer kurzen Zuckung kommt. Im weiteren Verlauf werden die Nervenbahnen erneut nach ihrer Umschaltung zur peripheren Nervenbahn (über der Halswirbelsäule für die Arme und über der Lendenwirbelsäule für die Beine) magnetisch gereizt. Vor Beginn der Untersuchung werden Metallplättchen (oder ganz dünne sterilisierte Akupunkturnadeln) rechts und links am Kopf und an der Stirn angeklebt oder bei bestimmten Fragestellungen auch am Nacken und der Schulter.
Wer führt die Untersuchung durch?
Die Untersuchungen werden von medizinischen Fachangestellten und einer/einem MTA-F in der neurologischen Funktionsdiagnostik durchgeführt.
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