Neurologische Reha mit Trachealkanüle: Therapie und Schwerpunkte

Die neurologische Rehabilitation ist ein entscheidender Schritt für Patienten nach akuten neurologischen Ereignissen. Besonders bei Patienten mit Trachealkanülen erfordert die Therapie einen spezialisierten und interdisziplinären Ansatz. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der neurologischen Rehabilitation mit Trachealkanüle, von den Zielen und Behandlungsmethoden bis hin zu den spezifischen Herausforderungen und Therapieangeboten.

Neurologische Frührehabilitation Phase B: Aufnahme und Ziele

In der neurologischen Frührehabilitation (Phase B) werden Patienten direkt nach der Akutversorgung im Krankenhaus aufgenommen. Diese Phase konzentriert sich auf die Stabilisierung und Frühmobilisierung von Patienten, die oft noch intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Bis zu 15 Behandlungsplätze stehen für beatmungspflichtige Patienten zur Verfügung. Die besondere Ausstattung ermöglicht eine frühe Aufnahme von schwerverletzten Patienten.

Das interdisziplinäre Team besteht aus Ärzten verschiedener Fachrichtungen, Therapeuten, Neuropsychologen und spezialisierten Pflegekräften. Gemeinsam arbeiten sie an der Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten.

Das oberste Ziel der neurologischen Frührehabilitation ist die Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustandes, um Folgeschäden zu verhindern oder zu minimieren und die Pflegebedürftigkeit zu reduzieren. Intensiv wird am Wiederaufbau verloren gegangener Fähigkeiten gearbeitet.

Diagnostische Verfahren

Um die spezifische Diagnose zu erfassen und die geeigneten Rehabilitationsmaßnahmen auszuwählen, werden modernste diagnostische Verfahren eingesetzt. Zu den wichtigsten gehören:

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  • Neurophysiologische Verfahren: Evozierte Potentiale, Elektroencephalografie, Elektroneurografie, Elektromyografie, Bewegungsanalyse, Reaktionszeitmessungen.
  • Bildgebende Verfahren: Radiologie, Computertomografie, Magnetresonanztomografie, Sonografie.
  • Schluckdiagnostik (FEES): Fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes.
  • Labor: Liquordiagnostik.
  • Weitere diagnostische Verfahren: Urodynamik, Hörtests, Sehtests (u.a. Hess-Schema), Diätberatung, Bronchioskopie, Gastroskopie, Echokardiografie, Ergometrie, Langzeit-EKG und -Blutdruckmessung.

Behandlungsmethoden in der neurologischen Reha

Die Behandlungsmethoden in der neurologischen Reha sind vielfältig und werden individuell auf den Patienten abgestimmt.

Ärztliche Therapie

Die ärztliche Therapie umfasst die Leitung des Rehabilitationsteams, die Steuerung des Rehabilitationsprozesses, die Neuropharmakologie der Rehabilitation und die Umsetzung des bio-psycho-sozialen Ansatzes in der neurologischen Frührehabilitation. Eine engmaschige fachübergreifende ärztliche Versorgung (internistisch, orthopädisch) ist im Hause gesichert.

Physiotherapie

Physiotherapie ist eine individuell geplante aktive oder passive Bewegungstherapie zur Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung von Körperfunktionen. In der neurologischen Frührehabilitation zielt sie auf Kreislaufstabilisierung, Anbahnung physiologischer Atmung, Verbesserung von Vigilanz, Wahrnehmung und Willkürmotorik sowie Anbahnung von Bewegungsübergängen und Erarbeitung von funktionellen Bewegungsabläufen ab. Eine Verbesserung der Mobilität im Rahmen der motorischen Möglichkeiten des Patienten wird angestrebt.

Ergotherapie

Im Mittelpunkt der Ergotherapie steht die Wiedererlangung und der Erhalt der Handlungsfähigkeit im alltäglichen Leben, die größtmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Hilfe und Hilfspersonen. Die Behandlung orientiert sich an den wichtigen Alltagsfunktionen und soll Aktivitäten des täglichen Lebens (Essen, Ankleiden, Körperpflege) anbahnen und wenn möglich normalisieren oder Kompensationen mit Patient und Angehörigen erarbeiten.

Logopädie

In der logopädischen Therapie werden Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen sowie Schluckstörungen diagnostiziert und behandelt. Im Vordergrund stehen die Atmung und Atemtraining, basale kommunikative Stimulation, oro-faciale Therapie und eine Verbesserung der Kommunikation. Es können erworbene Sprachstörungen, Störungen der Bewegungsplanung im Mund-/Gesichtsbereich und der Atmung, Störungen des Schluckens, der Stimme und der Gesichtsmotorik speziell behandelt werden.

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Schlucktherapie und Trachealkanülenmanagement

Die exakte Diagnostik der Ursache der Schluckstörung steht im Vordergrund. Hierzu stehen spezielle diagnostische Tests und Verfahren (FEES) zur Verfügung. Logopäden und Patholingustinnen sind speziell weitergebildet, um Patienten adäquat zu behandeln, die Mund-, Zungen- und Schluckmotorik zu stimulieren und den Schluckreflex auszulösen.

Bei Vorliegen einer Trachealkanüle (TK) wird diese adäquat versorgt und gepflegt. Das "Abtrainieren" dieses Atemhilfsmittels bei schweren Schluck- und Atemstörungen kann in vielen Fällen erreicht werden. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Therapie von Schluckstörungen bei Personen mit Tracheostoma. Um zu vermeiden, dass Speichel, Nahrung oder Erbrochenes in die Lunge gelangt, ist eine Trachealkanüle notwendig. Ziel ist es, die Schluckfunktion soweit zu verbessern, dass die Trachealkanüle wieder entfernt werden kann.

Physikalische Therapie

Die physikalische Therapie umfasst Wärme- und Kälteanwendungen, Hydrotherapie, Elektrotherapie und Massagen. Bewegungsbäder im Schwimmbad können in die Therapie einbezogen werden. Neben klassischen Massagen werden auch manuelle Lymphdrainage und Reflexzonenbehandlungen einbezogen. Spezifisch Elektrotherapieanwendungen im 4-Zellenbad, Ultraschall und Fangoanwendungen stehen zur Verfügung.

Medizinische Trainingstherapie

Durch Ergometer- und Motomed-Geräte für Training der oberen und unteren Extremität sollen früh die Eigenaktivität und Leistungsfähigkeit gefördert werden. Ein Laufband mit Gewichtsentlastung im Fallschirmgurt und andere maschinengestützte Trainingsverfahren stehen in großen Therapieräumen zur Verfügung. Die Therapiegeräte dienen zur Verbesserung von konditionellen und koordinativen Fähigkeiten der Patienten.

Neuropsychologie und Psychotherapie

Die neuropsychologische Diagnostik ermöglicht die Erfassung der bestehenden Störungen (Hirnleistungsstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen) und ermöglichen so eine spezifische Behandlung dieser Störungen. Dazu gehören das Trainieren der Wahrnehmungsfunktionen, Orientierungsfähigkeit, des Gedächtnisses, der Konzentrationsfähigkeit und des Denkvermögens. Eine psychotherapeutische Begleitung im Krankheitsprozess (Gesprächs- und Verhaltenstherapie) steht ebenfalls, wie auch Entspannungs- und Gesprächsgruppen, zur Verfügung.

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Roboterunterstütztes Gangtraining

Speziell zur Erreichung des Stehens und Gehens werden modernste Geräte eingesetzt.

Behandlungsschwerpunkte in der neurologischen Frührehabilitation

Die Behandlungsschwerpunkte in der neurologischen Frührehabilitation umfassen:

  • Zerebrale Durchblutungsstörungen (Schlaganfälle, Hirnblutungen)
  • Hirnschäden unter Sauerstoffmangel (nach Herzstillstand)
  • Schädelhirntrauma
  • Rückenmarkserkrankungen
  • Zustand nach operativen Eingriffen
  • Tumoren
  • Muskelerkrankungen
  • Entzündungen (Multiple Sklerose)
  • Degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Parkinson)
  • Polyneuropathie (Schädigung von peripheren Nerven)

Spezielle Therapieangebote

Einige Kliniken bieten spezielle Therapieangebote an, die auf die Bedürfnisse von Patienten mit neurologischen Erkrankungen zugeschnitten sind:

  • BIG-Therapie bei M. Parkinson: Durch Physiotherapeuten können Bewegungseinschränkungen gezielt therapiert werden, um den Patienten den Alltag langfristig zu erleichtern.
  • Spiegeltherapie: Durch die Beobachtung des Spiegelbildes des gesunden Armes wird dem Patienten das Gefühl vermittelt, sein kranker Arm bewege sich, was die Beweglichkeit beeinflussen kann.
  • Gleichgewichtstraining mit dem Wii Balance-Board: Ergänzend zu den konventionellen Maßnahmen der Physiotherapie trainieren Patienten Haltung, Gleichgewicht, Muskelkraft und Koordination.
  • Behandlung von Patienten mit Trachealkanülen: Ein spezialisiertes Behandlungsteam aus Logopädie, Pflege und Ärzten arbeitet an der Entwöhnung von der Trachealkanüle.
  • Intensive Sprachtherapie in der Kleingruppe (ILAT) für aphasische Patienten: Mit Hilfe einer Art Kartenspiel werden alltagsnahe sprachliche Äußerungen gebahnt und die Kommunikation mit anderen Menschen verbessert.
  • Gerätegestützte Lokomotionstherapie: Laufband-Training mit Gewichtsentlastung oder der elektromechanische Gangtrainer simulieren die Stand- und Schwungbeinphase des Gehens.

Kriterien für den Übergang von Phase B zu Phase C

In Anlehnung an die BAR Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C vom 2. November 1995, sind folgende Kriterien für den Übergang von Phase B in Phase C relevant:

  • Patient ist kommunikations- und interaktionsfähig
  • Patient ist teilmobilisiert (z.B. kontinuierlich zwei bis vier Stunden im Rollstuhl verbringend)
  • Bei den alltäglichen Verrichtungen ist der Patient noch weitgehend auf pflegerische Hilfe angewiesen
  • Patient bedarf keiner intensivmedizinischen Überwachung / Therapie mehr (vital-vegetative Stabilität)

Interdisziplinäres Schluckzentrum

Die Diagnostik und Behandlung von Schluckstörungen ist bei vielen neurologischen Erkrankungen notwendig. In interdisziplinären Schluckzentren arbeiten HNO-Ärzte und Logopäden zusammen, um alle Formen der Schluckstörung zu diagnostizieren und zu behandeln. Die klinische Schluckdiagnostik steht am Anfang jeder Therapie. Nach deren Auswertung wird festgelegt, ob weiterführend die instrumentelle Schluckdiagnostik, die sog. FEES durchgeführt werden soll.

Herausforderungen und Komplikationen

Bei der Behandlung von Patienten mit Trachealkanülen können verschiedene Komplikationen auftreten, wie z.B. Lungenentzündungen durch Aspiration. Daher ist eine sorgfältige Überwachung und Anpassung der Therapie notwendig.

Informationen für Angehörige

Angehörige spielen eine entscheidende Rolle im Therapieerfolg. Schritt für Schritt gehen Therapeuten und Angehörige gemeinsam den Weg. Die Aufenthaltsdauer in der neurologischen Frührehabilitation ist unterschiedlich lang und hängt von der Schwere der Ausgangskrankheit und den erzielten Rehabilitationserfolgen ab.

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