Eine neurologische Untersuchung während der Schwangerschaft ist ein detaillierter Prozess zur Beurteilung des Nervensystems der werdenden Mutter. Sie umfasst verschiedene Tests und Verfahren, um mögliche neurologische Probleme zu identifizieren und die Gesundheit von Mutter und Kind zu gewährleisten. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte einer solchen Untersuchung.
Einleitung
Die Schwangerschaft ist eine Zeit großer physiologischer Veränderungen im Körper einer Frau. Diese Veränderungen können sich auf das Nervensystem auswirken und zu verschiedenen neurologischen Symptomen führen. Eine neurologische Untersuchung hilft, diese Symptome zu bewerten und festzustellen, ob eine weitere Behandlung erforderlich ist.
Ablauf einer neurologischen Untersuchung
Eine neurologische Untersuchung umfasst in der Regel die folgenden Schritte:
- Anamnese: Ein ausführliches Gespräch über die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden der Patientin.
- Psychischer Befund: Beurteilung der Bewusstseinslage und der kognitiven Funktionen.
- Allgemeine körperliche Untersuchung: Tasten der Pulse und Messung des Blutdrucks.
- Untersuchung der Hirnnerven: Überprüfung der Funktion der zwölf Hirnnerven, die direkt dem Gehirn entspringen.
- Motorische Untersuchung: Beurteilung von Kraft, Sensibilität, Reflexen und Koordination des Körpers.
- Gleichgewicht und Gang: Überprüfung von Stand, Gang und Gleichgewicht.
Detaillierte Untersuchung einzelner Bereiche
1. Prüfung von Wachheit, Sensibilität und Motorik:
- Wachheit (Vigilanz): Der Arzt beurteilt die Wachheit des Patienten durch gezielte Fragen nach dem Geburtsdatum, Vornamen oder Aufenthaltsort. Korrekte Antworten deuten auf einen wachen und orientierten Zustand hin.
- Sensibilität: Die Sensibilität des gesamten Körpers wird überprüft, einschließlich des Berührungs-, Schmerz-, Temperatur- und Vibrationsempfindens sowie der Wahrnehmung von Lageveränderungen.
- Motorik: Der Arzt untersucht die Motorik und teilt die Muskelkraft des Patienten in verschiedene Grade ein, um Lähmungen oder Verkrampfungen (Spastiken) zu erkennen.
2. Prüfung von Koordination, Stand und Gleichgewicht:
- Koordination: Die Koordination wird oft mit dem Finger-Nase-Versuch getestet, bei dem der Patient mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen den Zeigefinger zur Nase führt.
- Stand und Gleichgewicht: Der Romberg-Stehversuch wird verwendet, um Stand und Gleichgewicht zu überprüfen. Der Patient steht dabei mit geschlossenen Augen, ausgestreckten Armen und eng nebeneinander stehenden Füßen.
- Unterberger-Tretversuch: Dieser Test überprüft Stand, Gang und Gleichgewicht, indem der Patient mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen auf der Stelle tritt.
3. Überprüfung der Hirnnerven:
Die zwölf Hirnnerven werden einzeln überprüft, um ihre jeweilige Funktion zu beurteilen:
- Nervus olfactorius (Riechen): Überprüfung durch Riechtests.
- Nervus opticus (Sehen): Erkennen von Gegenständen oder Buchstaben aus einer bestimmten Entfernung und Überprüfung der Pupillenreaktion.
- Nervus oculomotorius, trochlearis und abducens (Augenbewegung): Der Patient folgt den Bewegungen des Arztes mit den Augen.
- Nervus trigeminus (Kauen und Sensibilität im Gesicht): Überprüfung der Sensibilität im Gesicht und der Fähigkeit zu kauen.
- Nervus facialis (Mimik und Geschmack): Der Patient bläst die Backen auf, runzelt die Stirn und macht einen Kussmund. Das Geschmacksempfinden wird ebenfalls überprüft.
- Nervus vestibulocochlearis (Hören und Gleichgewicht): Überprüfung des Gehörs und des Gleichgewichts.
- Nervus glossopharyngeus (Schlucken): Inspektion des Rachens und Überprüfung des Schluckvermögens.
- Nervus vagus (Steuerung innerer Organe): Fragen nach Auffälligkeiten beim Herzschlag, der Atmung oder der Verdauung.
- Nervus accessorius (Teil der Kopfmuskulatur): Überprüfung der Fähigkeit, die Schultern hochzuziehen und den Kopf gegen Widerstand zu drehen.
- Nervus hypoglossus (Zunge): Der Patient streckt die Zunge heraus und bewegt sie zu allen Seiten.
4. Prüfung der Reflexe:
Die neurologische Untersuchung umfasst auch die Prüfung der Reflexe mit einem Reflexhammer. Es werden sowohl Muskeleigenreflexe als auch Fremdreflexe getestet.
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- Muskeleigenreflexe: Zum Beispiel der Bizepssehnenreflex, bei dem der Arzt auf die Bizepssehne schlägt, um eine Beugung des Unterarms auszulösen.
- Fremdreflexe: Zum Beispiel das Bestreichen des Oberschenkels, das beim Mann zu einer Hebung des Hodens führen sollte.
- Primitivreflexe: Diese Reflexe sollten beim Gesunden nicht mehr auslösbar sein und sind nur bei Neugeborenen und Kleinkindern vorhanden (z. B. Babinski-Reflex).
Ergänzende diagnostische Verfahren
Neben der körperlichen Untersuchung können verschiedene diagnostische Verfahren eingesetzt werden, um neurologische Erkrankungen während der Schwangerschaft zu erkennen oder auszuschließen.
1. Elektrophysiologische Untersuchungen
- Elektromyographie (EMG): Bei dieser Untersuchung wird die elektrische Aktivität von Muskeln gemessen, indem eine dünne Nadel-Elektrode in einen Muskel injiziert wird. Die Nadelelektrode überträgt die elektrische Aktivität des Muskels über ein Kabel an das EMG-Gerät, das sie sichtbar auf einem Bildschirm und hörbar über einen Lautsprecher darstellt. Die Untersuchung dient dazu, Schädigungen am zuführenden Nerven festzustellen. Myo- heißt auf deutsch Muskel.
- Nervenleitgeschwindigkeit (NLG): Bei dieser Untersuchung wird die Geschwindigkeit der Nervenleitung bestimmt. Durch elektrische Reizung von Nerven in den Armen oder Beinen mit sehr niedrigen Stromstärken, wird im Nerven ein elektrisches Potential erzeugt, dessen Ausbreitung in der Zeit gemessen werden kann. Eine Verlangsamung der Nervenleitung bedeutet meist eine Schädigung der Hülle des Nerven (Myelinscheide) und weniger der Nervenfasern selbst.
- Evozierte Potentiale (EP): Hierbei wird die Hirnstromaktivität gemessen, die durch einen Sinnesreiz ausgelöst wird. Dies ermöglicht die objektive Darstellung von Störungen im sensiblen System.
- Sensibel evozierte Potentiale (SEP): Untersuchen die Leitung im sensiblen System durch elektrische Impulse an Armen, Beinen oder im Gesicht.
- Visuell evozierte Potentiale (VEP): Messen die Hirnstromaktivität als Reaktion auf einen Sehreiz, wie ein wechselndes Schachbrettmuster auf einem Monitor.
- Akustisch evozierte Potentiale (AEP): Untersuchen die Nervenbahn vom Innenohr über den Hörnerven bis zu den Gehirnzentren durch Klickgeräusche über Kopfhörer.
- Elektroenzephalographie (EEG): Das EEG wird zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns eingesetzt. Die Untersuchung ist schmerzfrei. Eine Haube aus Gummischläuchen wird auf den Kopf aufgesetzt, darunter werden Oberflächenelektroden geklemmt, die die hirneigene elektrische Aktivität aufnehmen.
2. Bildgebende Verfahren
- Ultraschall (Sonographie):
- Doppler-Sonographie: Diese Methode nutzt den Doppler-Effekt, um die Blutströmung in verschiedenen Bereichen des Körpers zu beurteilen. Durch hochfrequente Ultraschallwellen können Ärzte genaue Informationen über die Geschwindigkeit und Richtung des Blutflusses erhalten, was z. B. bei der Diagnose und Behandlung von Gefäßerkrankungen und fetalen Durchblutungsstörungen von unschätzbarem Wert ist. Die Dopplersonographie wird deshalb häufig in der Radiologie, Kardiologie, Gefäßchirurgie und Geburtshilfe eingesetzt.
- Duplex-Sonographie: Bei der Duplex-Sonographie lässt sich ein Blutgefäß mit seinem Hohlraum direkt darstellen. Verengungen und Ablagerungen (Plaque) werden direkt bildhaft sichtbar. Der Blutfluß innerhalb des Gefäßes lässt sich farbig darstellen („farbkodiert“).
- Nervensonographie: Die Nervensonographie kann Nervenverletzungen, Nerventumoren oder Einklemmungen von Nerven sichtbar machen.
- Fetale Echokardiographie: Untersucht das fetale Herz, um angeborene Herzfehler zu erkennen.
- Magnetresonanztomographie (MRT):
- Fetale MRT: Eine hilfreiche und moderne Ergänzung der Pränataldiagnostik bei auffälligen Ultraschallbefunden. Sie dient der Abklärung von Auffälligkeiten am zentralen Nervensystem oder Veränderungen an Lungen oder Bauchorganen des ungeborenen Kindes. Die Untersuchung erfolgt ohne Röntgenstrahlung.
3. Liquordiagnostik
- Lumbalpunktion: Die Entnahme von Nervenwasser aus dem Wirbelsäulenkanal in Höhe der Lendenwirbelsäule. Das entnommene Nervenwasser kann auf seine Bestandteile, insbesondere Zellen und Eiweiße untersucht werden. Diese Untersuchung ist geeignet, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B.
4. Psychometrische Tests
- MMSE (Mini-Mental State Examination), Uhrentest oder DemTect: Hilfreich bei der Diagnosestellung und zur Überprüfung des Verlaufs einer Demenz.
5. Nicht-invasive Pränataltests (NIPT)
- NIPT Trisomie: Testet auf Fehlverteilungen ausgewählter Chromosomen beim ungeborenen Kind.
- NIPT Monogen: Testet auf genetisch bedingte Krankheiten des ungeborenen Kindes.
Bedeutung der Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft
Die Ultraschalluntersuchung spielt eine zentrale Rolle bei der Überwachung der Schwangerschaft. Laut den Mutterschaftsrichtlinien stehen Schwangeren drei Ultraschalluntersuchungen als Kassenleistung zu - eine in jedem Trimenon. Diese Untersuchungen dienen dazu, die körperliche Entwicklung des Fötus zu kontrollieren, Auffälligkeiten zu erkennen, den Geburtstermin zu bestimmen und Mehrlingsschwangerschaften zu identifizieren.
Feindiagnostik
Bei Auffälligkeiten oder Risikoschwangerschaften übernehmen die Krankenkassen die Kosten für feindiagnostische Untersuchungen. Diese ermöglichen die frühzeitige Erkennung möglicher kindlicher Fehlbildungen. Die DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) fordert die Aufnahme dieser Leistungen in den Regelkatalog der Krankenkassen, da ohne diese Untersuchung potenzielle Fehlbildungen beim Feten - wie etwa Herzfehler - unentdeckt bleiben könnten.
Beratung und Aufklärung
Laut Mutterschaftsrichtlinien soll die Schwangere nicht nur ausreichend ärztlich untersucht, sondern auch beraten werden. Dies umfasst:
- Gesundheitsbewusstes Verhalten: Beratung hinsichtlich der Einnahme von Medikamenten, Drogen oder Alkohol sowie Rauchen und Freizeitverhalten.
- Ernährungsmedizinische Empfehlungen: Empfehlungen zur Ernährung während der Schwangerschaft.
- Zahnärztliche Kontrolle: Empfehlung einer zahnärztlichen Kontrolle in der Früh- und Spätschwangerschaft.
- Folsäure: Die Zuführung von Folsäure, einem Vitamin der Vitamin-B-Familie, wird empfohlen, um Fehlbildungen des Nervensystems zu verhindern.
- HIV-Test: Beratung über die Risiken einer HIV-Infektion und das Angebot eines HIV-Tests.
- Gestationsdiabetes: Information über Gestationsdiabetes und die entsprechende Testung.
Risiken und Sicherheit der Untersuchungen
Die meisten neurologischen Untersuchungen sind sicher und ungefährlich für Mutter und Kind. Ultraschalluntersuchungen verwenden keine ionisierende Strahlung und gelten als unbedenklich. Bei der MRT wird ebenfalls keine Röntgenstrahlung eingesetzt, und eine MRT ohne Kontrastmittelverstärkung gilt als unbedenklich im 2. und 3. Trimester der Schwangerschaft.
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