Juvenile Neuronale Ceroid Lipofuscinose (Morbus Batten): Eine umfassende Übersicht

Die Juvenile Neuronale Ceroid Lipofuscinose (JNCL), auch bekannt als Morbus Batten, ist eine autosomal-rezessive, neurodegenerative Erkrankung, die hauptsächlich Kinder betrifft. Sie ist durch die Akkumulation von autofluoreszierendem Material in den Lysosomen der Zellen gekennzeichnet, was zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führt. Die Krankheit betrifft verschiedene Organe, wobei das Gehirn am stärksten betroffen ist, was zu neuronalen Dysfunktionen führt.

Ursachen und Genetik

JNCL wird durch Mutationen im CLN3-Gen verursacht. Das CLN3-Gen kodiert für ein Protein mit sechs Transmembran-Domänen, das sich hauptsächlich in späten endosomalen/lysosomalen Kompartimenten befindet. Die genaue Funktion von CLN3 ist bis heute unbekannt.

Die neuronalen Ceroid-Lipofuszinosen (NCL) stellen wahrscheinlich die häufigste Gruppe fortschreitender neurodegenerativer Krankheiten im Kindesalter dar. Alle in der Kindheit auftretenden NCL-Formen werden autosomal-rezessiv vererbt.

Klinische Manifestation und Diagnose

Bei der juvenilen NCL (CLN3) entwickeln sich die betroffenen Kinder zunächst ganz normal. Etwa im Alter von 8 Jahren beginnt ein geistiger Abbau (Demenz). Die Kinder verlieren bereits erlernte Fähigkeiten wie Rechnen und Schreiben. Neben dem Verlust von Fähigkeiten kommt es auch zu Wesensveränderungen. Ab dem 11. Lebensjahr ist die Sehfähigkeit vollständig verschwunden. Ein weiteres Symptom ist das Auftreten einer Epilepsie, zudem kann es zu kardiologischen Problemen kommen. Noch vor dem 20. Lebensjahr versterben die NCL-Patienten, meist durch Austrocknung oder Atemlähmung.

Typischerweise sind die Kinder anfangs völlig gesund und psychomotorisch normal entwickelt. Meist in der ersten Schulklasse wird eine Sehschwäche entdeckt. Die Verordnung von Brillen bessert allerdings nichts, vielmehr nimmt der Visus rasant weiter ab bis zur Erblindung mit durchschnittlich zehn Jahren. Augenärzte diagnostizieren aufgrund von Fundoskopie und ausgelöschtem Elektroretinogramm häufig fälschlich eine "Retinitis pigmentosa", die sich in Wirklichkeit kaum in dieser Altersgruppe manifestiert.

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Die Verdachtsdiagnose ergibt sich leicht aus progredienter Amaurose und Demenz und wird gestützt durch schon im üblichen Blutausstrich erkennbare Lymphozytenvakuolen. Zur entscheidenden elektronenmikroskopischen Bestätigung siehe unten. Weitere klinische Befunde bestehen in den Anfangsjahren nicht, und Hilfsuntersuchungen (bildgebende Verfahren, Lumbalpunktion, biochemische Untersuchungen) tragen nicht zur Diagnose bei. Das EEG läßt oft multifokale oder generalisierte Krampfaktivität erkennen.

Die infantile ("finnische") NCL wurde in Deutschland nur vereinzelt beobachtet. Die Kinder sind im ersten Lebensjahr vollkommen gesund und erleiden im zweiten Jahr einen dramatischen Verlust bereits erworbener Fähigkeiten. Innerhalb von zwei bis drei Jahren werden die Kinder vollkommen hilflos, steif und reglos. Sehr kennzeichnend ist die Abflachung des EEG, die rasch zu einem "Null-Linien-EEG" wie bei Hirntod führt und damit die Vermutungsdiagnose stellen läßt.

Leitsymptome der beiden in Deutschland am häufigsten vorkommenden NCL-Formen sind im Falle der juvenilen NCL die initiale Retinopathie, im Falle der spätinfantilen NCL die im Kleinkindalter ohne erkennbares Korrelat auftretende schwere Epilepsie.

Trotz des typischen klinischen Bildes und den Möglichkeiten der molekulargenetischen Analyse wird die Diagnose einer NCL im Kindesalter heute noch weitestgehend morphologisch mit Hilfe des Elektronenmikroskops gestellt.

Pathophysiologie

Die NCL sind gekennzeichnet durch einen fortschreitenden Verlust von zerebrokortikalen und retinalen Nervenzellen, der wahrscheinlich verantwortlich ist für die klinische Symptomatik, sowie eine ubiquitär stattfindende Bildung und Ablagerung von exzessiven Mengen von Lipopigmenten, die vielfach eine spezifische Ultrastruktur aufweisen. Der Nachweis dieser Lipopigmente und ihrer krankheitsspezifischen Feinstruktur ist für die Diagnostik von entscheidender Bedeutung.

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Die Lipopigmente sind lysosomale Residualkörperchen, vergleichbar den lysosomalen Residualkörperchen anderer lysosomaler Krankheiten, so daß die NCL auch zur Gruppe der lysosomalen Krankheiten zu rechnen sind.

Forschung und Therapieansätze

In vorherigen Studien wurde Pen2 als Interaktionspartner von CLN3 identifiziert. Pen2 ist eine Untereinheit des γ-Sekretase Komplexes. Es wird angenommen, dass eine Dysfunktion der γ-Sekretase die Entstehung von Morbus Alzheimer begünstigen kann. In dieser Arbeit wurde die Co-Lokalisation und Interaktion von unterschiedlich markierten Versionen von CLN3 und Pen2 in HeLa und COS-7 Zellen demonstriert. Weiterhin wurden isogene CLN3 und Pen2 knockout HeLa Zellen mit Hilfe des CRISPR/Cas9 Systems generiert, um die zelluläre Funktion beider Proteine zu untersuchen.

Es wurde eine reduzierte β-Hexosaminidase A Aktivität in beiden knockout Zelllinien beobachtet. Weiterhin wurde eine Zunahme von Autophagosomen gefunden. Um diese Veränderungen zu evaluieren, wurden unterschiedliche Schritte des Autophagie-Pfads experimentell betrachtet.

Die Resultate dieser Arbeit weisen sehr deutlich darauf hin, dass die CLN3 und Pen2 Interaktion einer von der γ-Sekretase unabhängige Funktion unterliegt. Weiterhin verdeutlichen die hier durchgeführten Analysen zum ersten Mal, dass die Deletion von Pen2 lysosomale und autophagosomale Funktionen verändert. Zusätzlich sind die Ergebnisse im Einklang mit früheren Studien, welche für CLN3 eine funktionale Rolle in Lysosomen und Autophagosomen nahegelegt haben. Aufgrund des gemeinsamen Phänotyps und ihrer Interaktion könnten beide Proteine wichtig für die lysosomale Funktionalität sein. Eine Aufhebung dieser Interaktion scheint Veränderungen in der lysosomalen enzymatischen Aktivität und im Autophagie Pfad zu bedingen.

Zurzeit gibt es keine kurative Behandlung. Die NCL-Patienten verlieren die Kontrolle über ihre Körperfunktionen, sie müssen künstlich ernährt werden und sind 24-Stunden pflegebedürftig.

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Anästhesiologische Aspekte

Anästhesiologische Erfahrungen bei dieser Erkrankung sind selten. Die Empfehlungen orientieren sich v. a. an der vorherrschenden Befundkonstellation und beruhen weniger auf Erfahrung. Wichtige Befunde sind die eingeschränkte Kooperationsfähigkeit, die Kachexie, respiratorische Infekte und die neurologischen Symptome. Benzodiazepine sind geeignet für eine betont sedierende Prämedikation, die allerdings auf den Allgemeinzustand des Patienten zugeschnitten sein sollte. Die vorbestehende antiepileptische Medikation sollte weitergeführt werden. Auf eine geeignete Lagerung ist unbedingt zu achten. Die erhöhte Aspirationsgefahr rechtfertigt eine H2-Rezeptorenblockade 60 min vor Narkoseeinleitung oder eine orale Pufferung mit 30 ml 0,3-molarem Natrium citricum unmittelbar vor Anästhesiebeginn.

Aufgrund der erhöhten Krampfneigung sind Barbiturate und Inhalationsanästhetika geeignet. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass Krampfanfälle nicht medikamentös durchbrochen werden können. Die Anwendung von Succinylcholin bei kachektischen Patienten erscheint problematisch (Kaliumfreisetzung), andererseits ist eine schnelle und sichere Einleitung vorteilhaft; welchem Prinzip der Vorzug gegeben wird, ist individuell zu entscheiden. Bei der Ausleitung besteht das gleiche Aspirationsrisiko wie bei der Einleitung. Deshalb empfiehlt es sich, vorher den Magen abzusaugen. Von einer ausgeprägten Neigung zur intraoperativen Hypothermie trotz Maßnahmen zum Wärmeerhalt wurde berichtet, was möglicherweise auf eine gestörte zentrale Thermoregulation hinweist. Häufig assoziiert wurden anhaltende Sinusbradykardien beschrieben, welche benigne waren und auf die Therapie mit Anticholinergika ansprachen. Aktiver Wärmeerhalt und Temperaturüberwachung sind sehr zu empfehlen.

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