Das Nervengewebe besteht aus zwei Hauptzelltypen: Neuronen und Gliazellen. Während Neuronen für die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -weiterleitung verantwortlich sind, übernehmen Gliazellen eine unterstützende Rolle, die für die ordnungsgemäße Funktion des Nervensystems unerlässlich ist. Lange Zeit wurden Gliazellen als bloßer "Nervenkitt" betrachtet, doch die moderne Forschung hat gezeigt, dass sie vielfältige und wichtige Funktionen im Nervensystem erfüllen.
Was sind Gliazellen?
Gliazellen, auch Neuroglia genannt, bilden das Stützgewebe im Nervensystem. Der Begriff "Glia" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Leim", was auf die frühe Annahme hindeutet, dass ihre Hauptfunktion darin besteht, die Nervenzellen zusammenzuhalten. Gliazellen füllen den Raum zwischen den Nervenzellen und umgebenden Strukturen wie Blutgefäßen aus und bilden die Markscheiden um die Nervenfasern. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass es im Gehirn etwa 86 Milliarden Neurone und ebenso viele Gliazellen gibt.
Arten von Gliazellen und ihre Funktionen
Es gibt verschiedene Arten von Gliazellen, die sich in ihrer Struktur und Funktion unterscheiden. Man unterscheidet zwischen Gliazellen im zentralen Nervensystem (ZNS) und im peripheren Nervensystem (PNS).
Gliazellen im zentralen Nervensystem (ZNS)
- Astrozyten (Astroglia): Astrozyten sind die häufigsten Gliazellen im ZNS und gehören zur Makroglia. Sie haben eine sternförmige Gestalt mit strahlenförmigen Fortsätzen und sind vor allem in der grauen Substanz des Gehirns zu finden. Astrozyten üben vielfältige Funktionen aus, darunter:
- Stützfunktion: Sie bilden ein Stützgerüst für die Neuronen und geben dem Nervengewebe Halt.
- Ernährung: Sie versorgen die Neuronen mit Nährstoffen, indem sie eine Verbindung zu den Blutgefäßen herstellen und die Blut-Hirn-Schranke aufrechterhalten.
- Homöostase: Sie regulieren den pH-Wert und die Elektrolyt-Konzentration im Extrazellulärraum, insbesondere die Kaliumkonzentration.
- Abfallentsorgung: Sie entsorgen Abfallprodukte im ZNS.
- Informationsverarbeitung: Sie beeinflussen die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen und können Neuronen durch Glutamat-Ausschüttung aktivieren.
- Narbenbildung: Nach Verletzungen im Gehirn bilden sie Glianarben, um den leeren Raum auszufüllen.
- Oligodendrozyten (Oligodendroglia): Oligodendrozyten gehören ebenfalls zur Makroglia und sind sowohl in der grauen als auch in der weißen Substanz des Hirngewebes zu finden. Ihre Hauptfunktion ist die Bildung von Myelin, einer lipidreichen Substanz, die die Axone der Nervenzellen umhüllt. Die Myelinscheide wirkt wie eine Isolierschicht und beschleunigt die Weiterleitung elektrischer Impulse entlang der Axone.
- Mikroglia: Mikroglia-Zellen haben nur kurze Fortsätze und können sich im Gewebe bewegen. Sie sind die Immunzellen des ZNS und gehören zu den Fresszellen (Makrophagen). Bei Verletzungen oder Entzündungen werden sie aktiviert und nehmen Fremdkörper und Zellreste durch Phagozytose auf. Sie können auch Entzündungsreaktionen auslösen oder hemmen und die Astrozyten-Proliferation nach Verletzungen anregen.
- Ependymzellen: Ependymzellen kleiden die inneren Hohlräume von Gehirn und Rückenmark aus und trennen das Nervenwasser (Liquor) vom Nervengewebe. Sie übernehmen eine epithelähnliche Funktion und kommen nur im ZNS und in kleinen Subarachnoidalräumen vor.
Gliazellen im peripheren Nervensystem (PNS)
- Schwannsche Zellen: Schwannsche Zellen umgeben die Nervenfasern im PNS und bilden deren Markscheide. Sie erfüllen damit die gleiche Funktion wie die Oligodendrozyten im ZNS. Im Gegensatz zu den Oligodendrozyten kann eine Schwannsche Zelle jedoch nur ein Axon myelinieren. Zwischen zwei Schwannschen Zellen befindet sich immer ein kleiner Freiraum, der als Ranvierscher Schnürring bezeichnet wird und für die saltatorische Erregungsweiterleitung essentiell ist. Schwannsche Zellen sind auch in der Lage, bei der Regeneration von Axonen mitzuhelfen, was die Regeneration von Neuronen im PNS ermöglicht.
- Mantelzellen (Satellitenzellen): Mantelzellen umgeben die Nervenzellkörper in Ganglien, vor allem in den Spinalganglien, die nahe dem Rückenmark liegen. Sie grenzen die Neuronen im PNS ab und regulieren deren Stoffwechsel.
Neuronen: Die Hauptakteure der Informationsverarbeitung
Neuronen, auch Nervenzellen genannt, sind die grundlegenden Einheiten des Nervensystems. Sie sind spezialisiert auf die Aufnahme, Verarbeitung und Weiterleitung von Informationen in Form von elektrischen und chemischen Signalen. Ein typisches Neuron besteht aus drei Hauptteilen:
- Dendriten: Dendriten sind verzweigte Fortsätze, die Signale von anderen Neuronen empfangen.
- Zellkörper (Soma): Der Zellkörper enthält den Zellkern und die Organellen und ist für den Stoffwechsel des Neurons verantwortlich.
- Axon: Das Axon ist ein langer, dünner Fortsatz, der Signale an andere Neuronen oder Zielzellen weiterleitet. Das Axon kann beim Menschen bis zu einem Meter lang sein.
Die Informationsübertragung zwischen Neuronen erfolgt über Synapsen, spezialisierte Verbindungen, an denen chemische Botenstoffe (Neurotransmitter) freigesetzt werden, um das Signal an das nächste Neuron weiterzugeben.
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Interaktion zwischen Neuronen und Gliazellen
Früher ging man davon aus, dass Neuronen und Gliazellen im Gehirn strikt getrennte Aufgaben haben: Neuronen verarbeiten Signale, während Gliazellen unterstützende Funktionen übernehmen. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass Gliazellen aktiv an der synaptischen Funktion beteiligt sind und die neuronale Signalübertragung beeinflussen können.
Astrozyten können beispielsweise Neurotransmitter aufnehmen und freisetzen und so die Aktivität benachbarter Neuronen beeinflussen. Oligodendrozyten spielen eine Rolle bei der Anpassung der Myelinscheide an die Bedürfnisse der Neuronen und können so die Geschwindigkeit der Signalübertragung beeinflussen. Mikroglia sind an der synaptischen Plastizität beteiligt, indem sie Synapsen abbauen und so die Verbindungen zwischen Neuronen verändern.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Neuronen und Gliazellen in einem komplexen Zusammenspiel miteinander interagieren und dass Gliazellen eine viel wichtigere Rolle bei der Informationsverarbeitung im Gehirn spielen, als bisher angenommen.
Klinische Bedeutung von Gliazellen
Gliazellen spielen eine wichtige Rolle bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen.
- Gliome: Gliome sind Hirntumore, die von Gliazellen ausgehen. Je nachdem, von welcher Art von Gliazellen der Tumor abstammt, unterscheidet man verschiedene Formen wie Astrozytome, Glioblastome, Oligodendrogliome und Ependymome.
- Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der die Myelinscheide im ZNS zerstört wird. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Nervenleitgeschwindigkeit und zu neurologischen Ausfällen.
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): ALS ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Motoneuronen gekennzeichnet ist. Es gibt Hinweise darauf, dass auch Gliazellen, insbesondere Mikroglia und Astrozyten, bei der Entstehung und dem Fortschreiten der ALS eine Rolle spielen.
- Andere neurologische Erkrankungen: Gliazellen sind auch an anderen neurologischen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit, der Parkinson-Krankheit, der Schizophrenie und Autismus beteiligt.
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