Nonkonvulsiver Status epilepticus: Definition, Diagnose und Therapie

Der nichtkonvulsive Status epilepticus (NCSE) ist eine Form des Status epilepticus (SE), die sich von anderen Formen dadurch unterscheidet, dass sie nicht mit eindeutigen tonisch-klonischen Entäußerungen einhergeht. Dies kann die Erkennung erschweren, da die Symptome oft unspezifisch sind.

Definition und Klassifikation

Gemäß der Definition und Klassifikation der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) von 2015 beinhaltet der NCSE keine "prominenten motorischen Phänomene". Es können jedoch subtile klinische Zeichen wie periorbitale oder periorale Zuckungen, ein konjugierter Herdblick oder ein Hippus pupillae auftreten. Ohne diese subtilen Zeichen stützt sich die Diagnostik primär auf die Auswertung des Elektroenzephalogramms (EEG).

Die ILAE unterscheidet zwischen SE mit "prominenten motorischen Phänomenen" (einschließlich bilateral tonisch-klonischem SE, fokal motorischem SE, tonischem SE usw.) und dem NCSE mit allenfalls subtilen motorischen Phänomenen.

Klinische Erscheinung

Der NCSE manifestiert sich klinisch als qualitative oder quantitative Bewusstseinsstörung, Verhaltensabnormität, vegetative Reaktion oder als rein subjektive Wahrnehmung (Aura). Da diese Symptomatik unspezifisch ist und beispielsweise auch durch akute zerebrale Ischämien hervorgerufen werden kann, ist im Regelfall eine EEG-Ableitung zur Diagnosestellung erforderlich.

Die variablen und subtilen klinischen Symptome des NCSE, wie Starren, repetitives Blinzeln, Kauen, Schlucken, Automatismen, veränderter mentaler Status, subtile Gesichts- oder Gliedmaßenzuckungen, Sprachstörungen und extrapyramidale Zeichen, machen die Diagnose und Behandlung herausfordernd.

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EEG-Diagnostik

Die Diagnose des NCSE setzt sich aus klinischen und EEG-Kriterien zusammen. Die nachfolgenden EEG-Kriterien müssen in ihrer ausgeprägtesten Form für jeweils 10 Sekunden erfüllt werden, obwohl die EEG-Ableitung zur Gänze bzw. über weite Strecken pathologisch ist. Zur Diagnosestellung des NCSE sollen "die 10 Sekunden mit der stärksten Ausprägung" der Kriterien verwendet werden.

Es bestehen grundsätzlich zwei verschiedene Wege, das EEG auszuwerten:

  • Exemplarischer Weg: Hier werden aussagekräftige Beispiele gesammelt, die als Vorlage für zukünftige EEG-Befundungen herangezogen werden. In einem systematischen Review wurden 123 Artikel mit EEG-Mustern des NCSE gefunden. Dem Vorteil der Anschaulichkeit stehen die Nachteile gegenüber, dass die gesammelten Beispiele mehrdeutig sein oder nur die am stärksten ausgeprägten Muster zeigen können.
  • Operationalisierter Zugang: Hier werden Kriterien entwickelt, die eine objektive Auswertung des EEGs und die Reproduzierbarkeit des Ergebnisses sicherstellen sollen. Kriterien für epileptiforme Entladungen, rhythmische Aktivität, Evolutionsmuster sowie Ansprechen auf intravenöse Antiepileptika zur Diagnose nichtkonvulsiver Anfälle wurden formuliert und präzisiert.

Im Rahmen des London-Innsbruck Colloquium on Status epilepticus and Acute seizures wurde ein Set an Kriterien für den "möglichen NCSE" und den "NCSE" zusammengestellt ("Salzburg-Kriterien"). Dieser Kriteriensatz wurde retrospektiv an drei Zentren evaluiert, wobei es sich um die bisher einzige Evaluierungsstudie handelt.

Die Messung der epileptiformen Graphoelemente in einer 10-Sekunden-Epoche wird als zuverlässiger angesehen als die Messung der Graphoelemente pro Sekunde oder die Berechnung der Frequenz aus dem Kehrwert der Periodendauer, insbesondere wenn epileptiforme Aktivität mit variabler Periodendauer auftritt (somit "epileptiforme Aktivität über 25/10 s").

Subtile klinische Phänomene können mit epileptiformer Aktivität oder rhythmischer Aktivität einhergehen und meinen beispielsweise periorbitale oder periorale Zuckungen, subtile Zuckungen an den Extremitäten, Hippus pupillae oder forcierte konjugierte Blickwendung. Diese Phänomene treten nicht ausschließlich beim nichtkonvulsiven Status epilepticus auf, beispielsweise medikamenteninduzierte Myoklonien oder ein ischämisch bedingter Herdblick.

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Evolutionsmuster treten in der Domäne Frequenz als Dekrement- oder Inkrementreaktion auf. Gemäß Amerikanischer Klinisch Neurophysiologischer Gesellschaft (ACNS) sind auch die räumliche Ausbreitung und die Veränderung der Morphologie operationalisiert, um ein Maximum an einheitlicher Herangehensweise zu erzielen.

Während die Kriterien 1 bis 3 in einem normalen EEG wahrscheinlich niemals zu erwarten sind, kann fluktuierende epileptiforme Aktivität von 2,5/s oder weniger bzw. rhythmische Aktivität mit oder ohne Fluktuation sehr wohl bei pathologischen EEGs ohne NCSE vorkommen. Deshalb ist insbesondere bei Kriterium 4 die Einbeziehung der klinischen und paraklinischen Information von besonderer Bedeutung, da akutes Nieren- oder Leberversagen, Intoxikationen mit Lithium etc. oder ein Hirnstamminfarkt statusähnliche Muster bewirken können.

Manche Autoren definieren das Ansprechen sowohl klinisch als auch im EEG auf intravenöse Antiepileptika (ivAED) als "NCSE", während das alleinige Ansprechen im EEG als "möglicher NCSE" eingestuft wird. Das fehlende Ansprechen klinisch und im EEG lässt hierbei keine NCSE-Diagnose zu. Es wird jedoch empfohlen, jedwede Konstellation an Ansprechen potenziell zur Diagnose zuzulassen, jedoch dieses Phänomen als Mosaikstein in der klinischen Gesamtsituation zu interpretieren. Im Einzelfall kann eine probatorische Gabe von ivAED in Erwägung gezogen werden, jedoch darf wie angeführt bei fehlendem Ansprechen kein NCSE ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnose

Ein pathologisches EEG ohne jedwede neurologische Symptomatik kann nicht als NCSE diagnostiziert werden, sondern vielmehr als pathologisches Muster mit Hinweis auf erhöhte zerebrale Erregungsbereitschaft. Bei jeder wesentlichen Funktionsstörung des Gehirns ist ein Korrelat im EEG zu erwarten. Manche EEG-Muster repräsentieren somit die primäre Schädigung und nicht zwangsläufig einen zusätzlich ausgelösten Status epilepticus. Beispielsweise können Hirnstammblutungen eine weitstreckige bilaterale Delta-Aktivität hervorrufen, ohne dass dies als NCSE einzustufen ist, obwohl der Patient eine schwere Bewusstseinsstörung aufweisen kann.

Bildgebung

Neben dem EEG kann die Magnetresonanztomographie (MRT) eine nützliche neuroimaging-Technik sein, um Veränderungen im Zusammenhang mit anhaltender epileptischer Aktivität zu erkennen. Die diffusionsgewichtete Magnetresonanztomographie und die Karte des scheinbaren Diffusionskoeffizienten (ADC) der MRT sind genaue Definitionen der hämodynamischen/metabolischen Veränderungen in der klinischen Praxis, die die anhaltende elektrische Aktivität epileptischer Neuronen widerspiegeln und bei der Diagnose von partiellem NCSE helfen können. Die MRT-Befunde werden als transiente peri-iktale MRT-Anomalien (TPMA) betrachtet.

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Therapie

Die pharmakologische Therapie des SE orientiert sich am Stufenkonzept der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Stufe 1 - Drohender und etablierter SE: Im Stadium des drohenden (prolongierter Anfall/Anfallsserie < 5 Minuten Dauer) sowie des etablierten SE (Anfall bzw. Anfallsserie > 5 Minuten Dauer) stellen Benzodiazepine die Basistherapie des SE dar. Gemäß der Leitlinie sollte hierbei primär Lorazepam intravenös (i. v.) verabreicht werden, bei fehlender Verfügbarkeit kann auf Diazepam i. v., Clonazepam i. v. oder Midazolam i. v. zurückgegriffen werden.

Stufe 2 - Benzodiazepin-refraktärer SE: Bei fehlendem Ansprechen auf Benzodiazepine erfolgt eine Therapie mit i. v. applizierbaren Antikonvulsiva wie Valproinsäure, Levetiracetam, Phenobarbital, Lacosamid und Phenytoin. Aufgrund der geringen Interaktion mit anderen Medikamenten sowie eines günstigen Nebenwirkungsprofils wird hierbei zunehmend häufig auf Levetiracetam, Valproinsäure und Lacosamid zurückgegriffen.

Stufe 3 - Refraktärer SE (RSE): Bei fehlendem Ansprechen auf mindestens zwei Antikonvulsiva der Stufe 2 ist von einem RSE auszugehen und gemäß DGN-Leitlinie eine weitere Behandlung auf der Intensivstation mit EEG-gesteuerter Intubationsnarkose anzustreben. Zur Narkoseeinleitung und Aufrechterhaltung sollte auf eine perfusorgesteuerte kontinuierliche Gabe von Midazolam i. v., Propofol i. v. und nachrangig Thiopental i. v. zurückgegriffen werden.

Stufe 4 - Superrefraktärer SE (SRSE): Wenn die EEG-Anfallsaktivität durch Arzneimittel der Stufe 3 nicht durchbrochen werden kann oder bei erneutem Auftreten von klinischen oder EEG-Anfallsmustern ist von einem SRSE auszugehen. Für therapeutische Optionen des SRSE gibt es wenig Evidenz aus randomisierten Studien. Neben einer Intensivierung der antikonvulsiven Therapie ist auch die Hinzunahme oder Umstellung der i. v. Sedativa auf Ketamin oder auf eine Inhalationsnarkose mittels Isofluran eine potenzielle Option. Bei Verdacht auf eine autoimmune Ätiologie kann auch die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie evaluiert werden.

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