Novaminsulfon, dessen Wirkstoff Metamizol ist, ist ein nicht-opioides Analgetikum. Es wirkt fiebersenkend (antipyretisch), schmerzlindernd (analgetisch) und krampflösend (spasmolytisch). Hauptsächlich wird es zur Behandlung starker Schmerzen und hohem Fieber eingesetzt. Die Anwendung erfolgt in der Regel oral oder rektal, aber auch eine parenterale Gabe ist möglich.
Anwendungsgebiete von Metamizol
Metamizol wird bei verschiedenen Indikationen eingesetzt, darunter:
- Koliken, insbesondere der Gallen- und ableitenden Harnwege
- Tumorschmerzen
- Akute und chronische Schmerzen, beispielsweise nach Operationen oder Verletzungen
- Hohes Fieber, das nicht durch andere Maßnahmen gesenkt werden kann
Aufgrund möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen sollte Metamizol nur bei strenger Indikation und vorzugsweise oral angewendet werden.
Wirkmechanismus von Metamizol
Analgetischer Effekt
Der analgetische Effekt von Metamizol beruht vermutlich auf der Inhibition einer zentralen Cyclooxygenase (COX)-3. Allerdings ist der genaue Mechanismus noch nicht vollständig geklärt. Cyclooxygenasen sind an der Synthese von Prostaglandinen beteiligt, die die Erregungsschwelle von Schmerzfasern herabsetzen. Durch die Hemmung der Prostaglandin-Synthese im Hinterhorn des Rückenmarks werden Nozizeptoren gegenüber Schmerzmediatoren weniger empfindlich.
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Metamizol-Metaboliten auch an Cannabinoid-Rezeptoren vom Typ 1 binden können. Diese Rezeptoren sind Teil des absteigenden antinozizeptiven Systems und reduzieren GABAerge Transmissionen in der Substantia grisea periaquaeductalis. In Tiermodellen wurde eine analgetische Beteiligung des TRPA1-Kanals nachgewiesen.
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Bei gleichzeitiger Gabe von Metamizol und Morphin kann Metamizol die analgetische Wirkung von Morphin verstärken, was postoperativ die notwendigen Morphindosen reduzieren kann. Der genaue Mechanismus ist jedoch auch hier noch nicht abschließend geklärt.
Antipyretischer Effekt
Die Ursache des antipyretischen Effekts von Metamizol ist ebenfalls nicht vollständig erforscht. Studienergebnisse legen nahe, dass Metamizol Fieber sowohl Prostaglandin-abhängig als auch -unabhängig senkt. Es wird vermutet, dass dieser zweigeteilte Wirkmechanismus dafür verantwortlich ist, dass Metamizol wirken kann, wenn andere antipyretische Medikamente nicht mehr greifen.
Spasmolytischer Effekt
Der entkrampfende und kolikschmerzlindernde Effekt von Metamizol ist vermutlich auf eine gehemmte intrazelluläre Phospholipase C zurückzuführen. Dies führt zu einer verminderten Inositolphosphat-Synthese, wodurch weniger Calcium in glatten Muskelzellen freigesetzt wird und Muskelkontraktionen nachlassen.
Pharmakokinetik von Metamizol
Metamizol ist ein sogenanntes Pro-Drug. Bei oraler Gabe wird es im Verdauungstrakt nichtenzymatisch zu 4-Methylaminophenazon hydrolysiert. Die Bioverfügbarkeit von 4-Methylaminophenazon beträgt zwischen 83 und 90%. Der aktive Metabolit wird vollständig im Verdauungstrakt resorbiert und unter anderem zum ebenfalls aktiven 4-Aminophenazon weiter metabolisiert.
Metamizol ist plasmagängig, und seine Metaboliten konnten in der Muttermilch nachgewiesen werden. Die Elimination erfolgt renal. Bei oraler Gabe beträgt die Plasmahalbwertszeit ca. drei bis vier Stunden, bei intravenöser Gabe nur vierzehn Minuten.
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Dosierung von Metamizol
Metamizol kann als Tabletten, Tropfen oder Zäpfchen oral oder rektal verabreicht werden. Alternativ kann es langsam unter Puls-, Atem- und Blutdruckkontrolle auch parenteral durch intravenöse oder intramuskuläre Injektionen appliziert werden. Bei parenteraler Gabe sollte jedoch bedacht werden, dass das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen höher ist.
- Einzeldosis: Die Einzeldosis beträgt 500-1.000 mg für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren sowie 250-500 mg für Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren.
- Tageshöchstdosis: Die Tageshöchstdosis beträgt 4.000 mg für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren sowie 2.000 mg für Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren.
30 bis 60 Minuten nach der Einnahme kann eine deutliche Wirkung erwartet werden.
Dosierung bei speziellen Patientengruppen
- Ältere Patienten, Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand/mit eingeschränkter Nierenfunktion: Bei diesen Patientengruppen sollte die Dosis vermindert werden, da die Ausscheidung der Abbauprodukte von Metamizol verzögert sein kann.
- Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion: Bei diesen Patienten sollte die Dosis reduziert werden, und mehrfache hohe Dosen sollten vermieden werden.
Die Dauer der Anwendung richtet sich nach Art und Schwere der Erkrankung und wird vom Arzt festgelegt. Es wird empfohlen, Schmerzmittel nicht länger als 3 bis 5 Tage anzuwenden, ohne erneut einen Arzt oder Zahnarzt zu konsultieren.
Überdosierung
Zeichen einer Überdosierung können sein:
- Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
- Verringerte Nierenfunktion bis zu akutem Nierenversagen
- Schwindel, Schläfrigkeit, Bewusstlosigkeit
- Krämpfe
- Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufversagen
- Herzrasen
Bei Verdacht auf eine Überdosierung sollte sofort ein Arzt informiert werden. Nach sehr hohen Dosen kann die Ausscheidung eines harmlosen Stoffwechselprodukts (Rubazonsäure) eine Rotfärbung des Urins verursachen.
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Nebenwirkungen von Metamizol
Metamizol ist in einigen Ländern aufgrund des Potenzials für schwere, lebensbedrohliche Komplikationen nicht mehr zugelassen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft warnte 2017 erneut vor einer Agranulozytose als gefährlicher Nebenwirkung von Metamizol, da diese häufig tödlich verläuft.
Warnsignale für Agranulozytose
- Entzündliche Schleimhautulzerationen, später nekrotische Veränderungen
- Angina tonsillaris, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden
- Fieber, gegebenenfalls Schüttelfrost
- Schwäche, Leistungseinschränkung
Bei längerer Gabe von Metamizol werden regelmäßige Blutbildkontrollen empfohlen, und bei ersten Warnsignalen sollte sofort eingegriffen werden.
Weitere Nebenwirkungen
Weitere Nebenwirkungen sind nach ihrer Häufigkeit aufgelistet:
- Gelegentlich: Hypotensive Reaktionen, fixes Arzneimittelexanthem, harmlose Rotfärbung des Urins
- Selten: Leukopenie, anaphylaktoide oder anaphylaktische Reaktionen, Ausschlag (z. B. makulopapulöses Exanthem)
- Sehr selten: Agranulozytose (einschließlich Todesfälle), Thrombozytopenie, Analgetika-induziertes Asthma-Syndrom, Stevens-Johnson-Syndrom oder toxische epidermale Nekrolyse, akute Verschlechterung der Nierenfunktion, akute interstitielle Nephritis
- Häufigkeit unbekannt: Aplastische Anämie, anaphylaktischer Schock, Panzytopenie (einschließlich Todesfälle), Kounis-Syndrom, gastrointestinale Blutungen
Patientenhinweise zu Nebenwirkungen
Patienten sollten über die Risiken einer Agranulozytose aufgeklärt werden und bei Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen oder schmerzhaften Schleimhautveränderungen unverzüglich medizinische Hilfe suchen. Bei Verdacht auf Agranulozytose soll die Behandlung sofort beendet und ein Blutbild erstellt werden. Gesundheitsfachkräfte sind angehalten, alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu melden.
Wechselwirkungen von Metamizol
Bei der Gabe von Metamizol sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:
- Gleichzeitige Gabe von Metamizol und Chlorpromazin kann zu schwerer Hypothermie führen.
- Eine gleichzeitige Therapie von Metamizol mit Methotrexat kann die Hämatotoxizität von Methotrexat verstärken.
- Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Behandlung mit Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung zur Prophylaxe von Herzerkrankungen, da die Wirkung von Acetylsalicylsäure auf die Thrombozytenaggregation abgeschwächt werden kann.
- Ebenso sollten Bupropion und Metamizol nur unter Vorsicht gleichzeitig angewendet werden, da es aufgrund von Wechselwirkungen zu einem erniedrigten Bupropionspiegel im Blut kommen kann.
- Für die Substanzklasse der Pyrazolone, zu denen auch Metamizol gehört, sind Wechselwirkungen mit oralen Antikoagulanzien, Captopril, Lithium und Triamteren sowie Antihypertensiva und Diuretika bekannt.
Kontraindikationen von Metamizol
Die Anwendung von Metamizol ist in folgenden Fällen kontraindiziert:
- Überempfindlichkeit gegen Metamizol oder andere Pyrazolone und Pyrazolidine
- Bekanntes Analgetika-Asthma-Syndrom oder bekannte Analgetika-Intoleranz vom Urtikaria-Angioödemtyp
- Störungen der Knochenmarkfunktion oder Erkrankungen des hämatopoetischen Systems
- Genetisch bedingter Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel (Hämolysegefahr)
- Akute intermittierende hepatische Porphyrie (Gefahr einer Porphyrie-Attacke)
- Letztes Trimenon der Schwangerschaft
- Stillzeit
- Kinder unter 10 Jahren
Bei bestehender Hypotonie und instabiler Kreislaufsituation darf Metamizol nicht parenteral appliziert werden.
Metamizol in Schwangerschaft und Stillzeit
Es liegen keine gesicherten Daten zur Nutzung von Metamizol in Schwangerschaft und Stillzeit vor. Deshalb sollte der Wirkstoff im ersten Trimenon nicht verabreicht werden. Im zweiten Trimenon ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich. Im dritten Trimenon ist Metamizol kontraindiziert, da es eine schwache prostaglindinsynthesehemmende Wirkung hat und so potentiell einen vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus auslösen könnte.
Da Metamizol plazentagängig ist und in der Muttermilch ausgeschieden werden kann, müssen zwischen der letzten Gabe und dem Stillen mindestens 48 Stunden liegen.
Verkehrstüchtigkeit
Bei empfohlener Dosierung sind keine Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit bekannt. Bei höheren Dosierungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich Metamizol auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen auswirkt. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit Alkohol.
Novaminsulfon und Epilepsie
Es gibt keine direkte Indikation für die Anwendung von Novaminsulfon (Metamizol) bei Epilepsie. Metamizol wird hauptsächlich zur Behandlung von Schmerzen und Fieber eingesetzt. Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Die Behandlung von Epilepsie erfolgt in der Regel mit spezifischen Antiepileptika.
Gabapentin und Pregabalin: Ursprünglich für Epilepsie entwickelt
Es ist wichtig zu erwähnen, dass einige Medikamente, die ursprünglich für die Behandlung von Epilepsie entwickelt wurden, auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden. So werden beispielsweise Pregabalin und Gabapentin, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt wurden, zunehmend bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt. Eine Studie hat jedoch gezeigt, dass ihre Wirksamkeit bei allgemeinen chronischen Schmerzen zweifelhaft ist, obwohl die Verschreibungszahlen steigen.
Studie zu Pregabalin und Gabapentin
Eine Studie analysierte Verschreibungsdaten von Krankenversicherungen und fand heraus, dass Pregabalin und Gabapentin häufig bei chronischen Schmerzen ohne neuropathische Komponente verschrieben werden. Die hohe Abbruchrate der Behandlung deutet darauf hin, dass die Medikamente in diesen Fällen möglicherweise keinen therapeutischen Nutzen haben oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten.
Schlussfolgerung
Obwohl Metamizol (Novaminsulfon) selbst nicht zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wird, ist es wichtig, die Anwendung von Medikamenten, die ursprünglich für Epilepsie entwickelt wurden, bei anderen Erkrankungen kritisch zu betrachten. Die Ergebnisse der Studie zu Pregabalin und Gabapentin verdeutlichen, dass eine sorgfältige Indikationsstellung und Nutzen-Risiko-Abwägung bei der Verschreibung von Medikamenten unerlässlich sind.
Wichtige Hinweise und Vorsichtsmaßnahmen (Rote-Hand-Brief Dezember 2024)
Basierend auf dem Rote-Hand-Brief vom Dezember 2024 sind folgende Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Metamizol zu beachten:
- Überwachung von Nebenwirkungen: Patienten sind über die Risiken einer Agranulozytose aufzuklären und müssen unverzüglich medizinische Hilfe suchen bei Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, schmerzhaften Schleimhautveränderungen oder anderen Anzeichen einer Infektion.
- Kontraindikationen: Metamizol darf nicht bei Patienten angewendet werden, die bereits eine Agranulozytose aufgrund von Metamizol, Pyrazolonen oder Pyrazolidinen erlebt haben sowie bei Vorliegen von Blutbildungsstörungen oder Knochenmarksdefekten.
- Symptomüberwachung: Besonders bei der Anwendung gegen Fieber ist Vorsicht geboten, da typische Symptome der Agranulozytose maskiert werden können.
- Therapieabbruch und Tests: Bei Verdacht auf Agranulozytose soll die Behandlung sofort beendet und ein Blutbild inklusive Differenzialblutbild erstellt werden.
- Meldung von Nebenwirkungen: Gesundheitsfachkräfte sind angehalten, alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu melden.
- Hinweis zur Applikationsform: Eine langsame kontinuierliche Infusion ist zu bevorzugen.
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