Novaminsulfon bei Nervenschmerzen: Anwendung, Wirkung und Risiken

Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol, bekannt unter den Medikamentennamen Novaminsulfon oder Novalgin, sind seit 100 Jahren in Deutschland weit verbreitet. Insbesondere in Krankenhäusern und Altersheimen erhalten über die Hälfte der Patienten dieses Analgetikum. Obwohl Metamizol als wirksam und gut verträglich gilt, gibt es immer wieder Diskussionen aufgrund möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Novaminsulfon bei Nervenschmerzen, seine Wirkungsweise, Risiken und alternative Behandlungsansätze.

Was sind Nervenschmerzen?

Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, entstehen durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Nervensystems. Diese können durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, wie z.B. Verletzungen, Entzündungen, Infektionen (z.B. Gürtelrose), Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus), Druck auf Nerven (z.B. durch einen Bandscheibenvorfall oder Karpaltunnelsyndrom) oder als Folge von Operationen. Im Gegensatz zu Gewebeschmerzen, die durch die Aktivierung von Schmerzrezeptoren in geschädigtem Gewebe entstehen, entstehen Nervenschmerzen direkt durch die Nervenschädigung selbst.

Die Symptome von Nervenschmerzen können vielfältig sein und werden oft als brennend, stechend, einschießend oder elektrisierend beschrieben. Zusätzlich zu den Schmerzen können auch neurologische Begleiterscheinungen wie Kribbeln, Taubheitsgefühle oder eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Berührungen auftreten.

Ursachen von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen können durch verschiedene Faktoren verursacht werden. Einige der häufigsten Ursachen sind:

  • Diabetes mellitus: Chronisch erhöhte Blutzuckerspiegel können Nervenschäden verursachen, insbesondere in den peripheren Nerven (diabetische Neuropathie).
  • Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann zu irreversiblen Nervenschäden führen, da Alkohol ein Nervengift ist.
  • Gürtelrose (Herpes zoster): Das Varizella-Zoster-Virus kann nach einer Windpockeninfektion im Körper verbleiben und später als Gürtelrose reaktiviert werden, was zu starken Nervenschmerzen führt.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, kann Nervenschmerzen verursachen.
  • Spinalkanalstenose und Neuroforamenstenose: Verengungen im Wirbelkanal oder in den Nervenaustrittsöffnungen können zu Druck auf das Rückenmark und die Nervenwurzeln führen, was Nervenschmerzen verursacht.
  • Nervenentzündungen: Entzündungen im Bereich von Nerven können Schmerzen verursachen.
  • Operationen und Unfälle: Nerven können während Operationen verletzt oder gereizt werden. Auch Unfälle können durch offene Wunden, Prellungen oder Quetschungen zu Nervenverletzungen führen.
  • Stress: Starker Stress kann ebenfalls Nervenschmerzen verursachen, obwohl der genaue Mechanismus noch nicht vollständig verstanden ist.
  • Fibromyalgie: Diese chronische Erkrankung ist durch weitverbreitete Schmerzen im Körper, Müdigkeit und Schlafstörungen gekennzeichnet. Es wird angenommen, dass eine Fehlfunktion des zentralen Nervensystems zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit führt.

Wo treten Nervenschmerzen besonders häufig auf?

Nervenschmerzen können prinzipiell überall im Körper auftreten, wo Nerven verlaufen. Häufige Lokalisationen sind:

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  • Extremitäten (Füße, Beine, Arme, Hände)
  • Gesicht (Wange)
  • Hals
  • Schulter

Novaminsulfon: Ein Überblick

Novaminsulfon, auch bekannt als Metamizol oder Novalgin®, ist ein nicht-opioides Analgetikum mit antipyretischen und spasmolytischen Eigenschaften. Es wird hauptsächlich zur Behandlung von starken Schmerzen und hohem Fieber eingesetzt, wenn andere Mittel nicht ausreichend wirken.

Wirkmechanismus

Der genaue Wirkmechanismus von Metamizol ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass es im zentralen Nervensystem die Cyclooxygenase (COX)-3 hemmt, ein Enzym, das an der Produktion von Prostaglandinen beteiligt ist. Prostaglandine sind Gewebshormone, die Entzündungen und Schmerzen fördern. Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese kann Metamizol die Schmerzempfindlichkeit reduzieren.

Studien deuten auch darauf hin, dass Metamizol-Metaboliten an Cannabinoid-Rezeptoren vom Typ 1 binden können, die Teil des absteigenden antinozizeptiven Systems sind. Darüber hinaus scheint Metamizol Fieber sowohl Prostaglandin-abhängig als auch -unabhängig zu senken. Der krampflösende Effekt wird vermutlich durch eine Hemmung der intrazellulären Phospholipase C erklärt.

Anwendungsgebiete von Novaminsulfon

Novaminsulfon wird zur Behandlung folgender Beschwerden eingesetzt:

  • Starke Schmerzen unterschiedlicher Ursache
  • Akute und chronische Schmerzen, z.B. Tumorschmerzen oder Schmerzen nach Operationen und Verletzungen
  • Hohes Fieber, wenn andere fiebersenkende Mittel nicht ausreichend wirken
  • Koliken der Gallen- und ableitenden Harnwege

Darreichungsformen und Dosierung

Novaminsulfon ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter:

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  • Tabletten
  • Tropfen
  • Zäpfchen
  • Injektionslösung

Die Dosierung richtet sich nach der Art und Stärke der Schmerzen sowie dem Alter und Gewicht des Patienten. Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren nehmen in der Regel eine Einzeldosis von 500 bis 1.000 mg ein, wobei die Tageshöchstdosis 4.000 mg beträgt. Bei Kindern zwischen 10 und 14 Jahren beträgt die Einzeldosis 250 bis 500 mg, die Tageshöchstdosis 2.000 mg. Die Dosierung für Kinder unter 10 Jahren sollte individuell vom Arzt festgelegt werden.

Anwendung von Novaminsulfon bei Nervenschmerzen

Obwohl Novaminsulfon hauptsächlich bei Gewebeschmerzen eingesetzt wird, kann es auch bei Nervenschmerzen eine gewisse Wirksamkeit zeigen. Insbesondere bei akuten Nervenschmerzen oder bei Schmerzen, die sowohl neuropathische als auch nozizeptive Komponenten haben, kann Novaminsulfon eine vorübergehende Linderung verschaffen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Novaminsulfon nicht die erste Wahl bei der Behandlung von Nervenschmerzen darstellt. In der Regel werden spezifischere Medikamente wie Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Duloxetin) oder Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin, Pregabalin) bevorzugt, da diese gezielter auf die Mechanismen der Nervenschmerzentstehung wirken.

Risiken und Nebenwirkungen von Novaminsulfon

Novaminsulfon kann, wie alle Medikamente, Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:

  • Hypotensive Reaktionen (Blutdruckabfall)
  • Hautreaktionen (z.B. fixes Arzneimittelexanthem)
  • Magen-Darm-Beschwerden (z.B. Übelkeit, Bauchschmerzen)

Agranulozytose: Eine seltene, aber gefährliche Nebenwirkung

Eine der gefürchtetsten Nebenwirkungen von Novaminsulfon ist die Agranulozytose, eine schwere Störung der Blutbildung, bei der die Anzahl der weißen Blutkörperchen (Granulozyten) stark abnimmt. Dies kann zu einer Schwächung des Immunsystems und einem erhöhten Risiko für schwere Infektionen führen.

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Erste Anzeichen einer Agranulozytose können unspezifisch sein und an einen grippalen Infekt erinnern, wie z.B.:

  • Fieber
  • Halsschmerzen
  • Schluckbeschwerden
  • Entzündliche Schleimhautveränderungen

Wenn solche Symptome nach der Einnahme von Novaminsulfon auftreten, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Die meisten Fälle von Agranulozytose treten innerhalb der ersten 13 Behandlungstage auf. Bei wiederholter Anwendung von Metamizol kann der Zeitraum bis zum Auftreten der Agranulozytose jedoch deutlich kürzer sein.

Leberschäden

In seltenen Fällen kann Novaminsulfon auch Leberschäden verursachen. Die Symptome einer Leberentzündung können unspezifisch sein, wie z.B.:

  • Müdigkeit
  • Übelkeit
  • Schwäche
  • Gelbfärbung der Haut und Augen (Gelbsucht)

Auch hier gilt: Bei Verdacht auf eine Leberschädigung sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden.

Weitere Risiken und Kontraindikationen

Novaminsulfon sollte nicht eingenommen werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegenüber Metamizol oder anderen Pyrazolonen
  • Bekanntem Analgetika-Asthma-Syndrom oder Analgetika-Intoleranz
  • Störungen der Knochenmarkfunktion oder Erkrankungen des hämatopoetischen Systems
  • Genetisch bedingtem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel
  • Akuter intermittierender hepatischer Porphyrie
  • Letztem Trimenon der Schwangerschaft
  • Stillzeit
  • Kindern unter 10 Jahren (Tablettenform)

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Novaminsulfon kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingehen, darunter:

  • Chlorpromazin (Antipsychotikum): Kann zu schwerer Hypothermie führen.
  • Methotrexat (Krebsmedikament): Kann die Hämatotoxizität von Methotrexat verstärken.
  • Acetylsalicylsäure (ASS): Kann die Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation abschwächen.
  • Bupropion (Antidepressivum): Kann den Bupropionspiegel im Blut senken.
  • Diuretika und Antihypertensiva: Die Wirkung dieser Medikamente kann abgeschwächt werden.

Alternativen zu Novaminsulfon bei Nervenschmerzen

Da Novaminsulfon nicht die erste Wahl bei der Behandlung von Nervenschmerzen ist und mit potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden sein kann, sollten alternative Behandlungsansätze in Betracht gezogen werden. Zu den gängigsten Alternativen gehören:

  • Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI, z.B. Duloxetin) können die Schmerzweiterleitung im Rückenmark hemmen und so Nervenschmerzen lindern.
  • Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin und Pregabalin, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt wurden, können ebenfalls bei Nervenschmerzen wirksam sein, indem sie die Aktivität der Nervenzellen beeinflussen.
  • Opioide: In schweren Fällen von Nervenschmerzen, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen, können Opioide eingesetzt werden. Diese Medikamente sind jedoch mit einem hohen Suchtpotenzial verbunden und sollten nur unter strenger ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
  • Lokale Behandlungen: Lidocain-Pflaster oder Capsaicin-Cremes können bei lokalisierten Nervenschmerzen eingesetzt werden, um die Schmerzweiterleitung zu blockieren oder die Nervenfasern zu desensibilisieren.
  • Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei dieser Methode werden Schmerzen mit elektrischen Impulsen behandelt.
  • Blockadeverfahren: Hierbei werden Nervenzellkörper mithilfe von Lokalanästhesien betäubt.
  • Physiotherapie und Bewegung: Regelmäßige Bewegung und gezielte Übungen können helfen, die Muskeln zu stärken, die Durchblutung zu verbessern und die Schmerzen zu lindern.
  • Alternative Therapien: Einige Patienten berichten von einer Linderung ihrer Nervenschmerzen durch alternative Therapien wie Akupunktur, Yoga oder Meditation.
  • Hausmittel: Wärme- oder Kälteanwendungen, sanfte Massagen, Quarkwickel, Vitamin B12, Kurkuma und Ingwer können ebenfalls zur Linderung von Nervenschmerzen beitragen.

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Es ist wichtig, einen Arzt aufzusuchen, wenn:

  • Nervenschmerzen neu auftreten oder sich verschlimmern.
  • Die Schmerzen trotz Behandlung nicht besser werden.
  • Zusätzliche Symptome wie Taubheitsgefühle, Schwäche oder Kribbeln auftreten.
  • Verdacht auf Nebenwirkungen von Medikamenten besteht.

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