Die Frage, ob Orangensaft eine Rolle bei der Prävention von Demenz spielen kann, ist Gegenstand aktueller Forschung und öffentlichen Interesses. Studien untersuchen die potenziellen Auswirkungen von Ernährung, insbesondere von bestimmten Inhaltsstoffen wie Flavonoiden und Hesperidin, auf die kognitive Gesundheit und das Demenzrisiko.
Der Zusammenhang zwischen Lebensstil, Ernährung und Demenz
Eine im Fachmagazin "Frontiers in Neuroendocrinology" veröffentlichte Studie der Australian National University (ANU) in Canberra untersuchte den Zusammenhang zwischen Lebensstil und Demenzrisiko. Die Forscher werteten rund 200 internationale Studien aus und kamen zu dem Ergebnis, dass eine übermäßige Zufuhr von Fett und Zucker in Kombination mit mangelnder Bewegung das Risiko für Typ-2-Diabetes und Demenz erhöht. Dies kann sogar zu einer Verkleinerung des Gehirns führen. Laut den Forschern sind weltweit etwa 30 Prozent der Erwachsenen übergewichtig, und es wird erwartet, dass bis 2030 jeder zehnte Erwachsene an Typ-2-Diabetes erkrankt sein wird. Professor Nicolas Cherubin, der Studienleiter, betonte, dass die Schäden durch ungesunde Ernährung bereits in jungen Jahren entstehen und im mittleren Alter "nahezu unumkehrbar" werden können.
Es ist seit langem bekannt, dass ein gesunder Lebensstil das Demenzrisiko erheblich senken kann. Dabei spielen die individuellen Essgewohnheiten und eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung eine wichtige Rolle.
Die Rolle von Flavonoiden
Eine Studie, die im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, ergab, dass eine flavonoidreiche Ernährung Demenz vorbeugen kann. Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, von denen es schätzungsweise über 8.000 verschiedene Sorten gibt. Sie kommen in verschiedenen Gemüse- und Obstsorten vor. Eine abwechslungsreiche Ernährung mit verschiedenen Gemüsesorten kann also dazu beitragen, ausreichend Flavonoide aufzunehmen.
Eine Langzeitstudie ergab, dass Personen, die jahrelang großzügig zu Beeren, Birnen und Äpfeln griffen, wesentlich seltener an einer Demenz erkrankten. Verantwortlich dafür scheinen die Flavonoide zu sein, die reichlich in einigen Obstsorten und im Tee enthalten sind. Im Detail erkannten die Forscher, dass Probanden, die mit fast 300 mg täglich die meisten Flavonoide zu sich nahmen, ein signifikant geringeres Risiko für eine alzheimerähnliche Demenz trugen als jene, die nur sehr geringe Mengen konsumierten (ca. 123 mg/d). Eine hohe Zufuhr von Flavonolen und Flavonoidpolymeren halbierte das Risiko im Vergleich nahezu, große Mengen an Anthozyanen gingen sogar mit einer um 76 % geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit einher. Hinter den beobachteten Zusammenhängen vermuten die Autoren weniger die einst postulierten antioxidativen Eigenschaften der Flavonoide. Vielmehr schützen die Stoffe Neurone womöglich vor Toxinen und Entzündungen. Zudem verbessern Flavonoide und einige ihrer Metaboliten den zerebrovaskulären Blutfluss und induzieren so eine Angio- und Neurogenese.
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Orangensaft und Hesperidin
Am Frühstücksbuffet von deutschen Hotels ist es ein Muss: das Glas Orangensaft. Doch wie gesund ist der Saft wirklich? Das soll eine europaweite Studie herausfinden, die gerade gestartet ist. In der sogenannten Hesper-Health-Untersuchung, an der sich zwei französische Forschungseinrichtungen und die hessische Hochschule Geisenheim beteiligen, nehmen die Wissenschaftler das Herz-Kreislauf-System in den Blick. Es handelt sich dabei um den Pflanzenstoff Hesperidin, ein bioaktives Polyphenol, das in Orangen und in deren Saft enthalten ist.
Es gibt einige Studien, die schon gezeigt haben, dass das Trinken von einem Glas Fruchtsaft am Tag etwa das Risiko für Schlaganfälle um 24 Prozent und das Risiko für koronare Herzkrankheiten um 20 Prozent senken könnte. Auch zeigen Daten, dass der tägliche Konsum von Orangensaft insbesondere die Blutwerte verbesserte, die als Gradmesser für die Elastizität von Blutgefäßen dienen. Nun wollen die deutschen Forscher zusammen mit ihren französischen Kollegen vom Nationalen Institut für Agronomieforschung und der Uniklinik in Clermont-Ferrand herausfinden, ob diese Effekte auf das Hesperidin zurückzuführen sind.
Dazu wurden 42 Erwachsene mit kardiovaskulären Risikofaktoren in die Studie aufgenommen: „Die Personen sind alle übergewichtig, aber noch unterhalb der Grenze zur krankhaften Fettleibigkeit, zudem sind alle 40 bis 65 Jahre alt“, sagt Schweiggert. Wichtig ist, dass alle gesund sind. Sie werden für jeweils sechs Wochen täglich entweder ein Glas Orangensaft trinken oder eines von zwei in Geisenheim entwickelten Placebo-Getränken. Davon enthält der eine Softdrink den gleichen Zuckergehalt wie im Orangensaft, der andere zusätzlich dazu reines Hesperidin. Um vergleichen zu können, werden alle Probanden alle drei Getränke in aufeinanderfolgenden Phasen konsumieren. „Wir messen dabei Risikomarker im Blut, im Urin oder direkt an den Arterien der Probanden - wie die Geschmeidigkeit der Arterien oder die Harnsäurespiegel, und wie diese sich durch einen akuten, einmaligen Orangensaftverzehr sowie nach einem regelmäßigen Konsum über sechs Wochen entwickeln“, sagt Schweiggert.
Doch macht der Zuckergehalt die gesundheitsfördernden Effekte des Orangensaftes nicht zunichte? Hierzu gaben Forscher der Universitäten Kiel und Stuttgart-Hohenheim schon im Jahr 2018 Entwarnung: Zu den Mahlzeiten genossen, wurde keine Gewichtszunahme durch Saft beobachtet. Ein Glas pro Tag könne empfohlen werden. Auch Schweiggert sagt: „Wegen des Zuckergehalts ist Orangensaft ganz sicher kein Durstlöscher, aber er ist natürlich trotzdem viel mehr als nur ein Zuckerwasser.“
Weitere Faktoren für die Demenzprävention
Neben einer gesunden Ernährung gibt es weitere Faktoren, die zur Vorbeugung von Demenz beitragen können. Dazu gehören:
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- Gehirntraining: Ein aktives Training des Gehirns kann zur Vorbeugung gegen Alzheimer beitragen.
- Omega-3-Fettsäuren: Eine Ernährung reich an Omega-3-Fettsäuren kann ebenfalls präventiv für Alzheimer wirken. Französische Wissenschaftler fanden in Kooperation mit amerikanischen Forschern heraus, dass der regelmäßige Fischkonsum den generellen Abbau der Denk- und Gedächtnisleistung verzögere.
- Ausreichend Flüssigkeit: Auch ausreichend Flüssigkeit ist sehr empfehlenswert für einen gesunden Lebensstil.
- Ketogene Ernährung und Intervallfasten: Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019 zeigte, dass sich auch die ketogene Ernährung positiv auf Alzheimer auswirken kann. Ähnliche Effekte treten natürlicherweise auch beim Intervallfasten ein.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Alles, was den Gefäßen schadet - wie Bluthochdruck, erhöhte Blutzucker- und Blutfettwerte - kann die Entwicklung einer Demenz begünstigen. Dementsprechend wird auch dazu geraten, die oben genannten Risikofaktoren zu vermeiden.
Kritik und Einschränkungen
Es ist wichtig zu beachten, dass viele Studien zu Ernährung und Demenzprävention Beobachtungsstudien sind. Das bedeutet, dass sie Zusammenhänge zeigen können, aber keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen beweisen. Zudem lassen sich die einzelnen Lebensstilfaktoren nicht klar voneinander trennen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont, dass es bisher keine ausreichende Evidenz für konkrete Ernährungsempfehlungen zur Demenzvorbeugung gibt. Wissenschaftliche Belege dafür, dass der Verzehr einzelner Nährstoffe oder Pflanzenstoffe einer Demenzerkrankung vorbeugen kann, gibt es nicht.
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