Parkinson als Berufskrankheit für Landwirte: Voraussetzungen und Anerkennung

Die Anerkennung des Parkinson-Syndroms durch Pestizide als Berufskrankheit ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der Gesundheit von Landwirten und anderen Berufsgruppen, die regelmäßig Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt sind. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit bei Landwirten und die damit verbundenen Aspekte.

Hintergrund: Parkinson und Pestizide

Es gibt viele Studien, die einen klaren Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber chemischen Pflanzenschutzmitteln und dem erhöhten Risiko, an Parkinson zu erkranken, zeigen. Eine Tübinger Professorin für Arbeits- und Sozialmedizin, Monika A. Rieger, sprach von einem „hohen Risiko“, die Krankheit häufiger und früher zu bekommen, wenn Personen den in der Landwirtschaft eingesetzten Pflanzenschutzmittel unzureichend geschützt in hoher Konzentration ausgesetzt sind. Der Ärztliche Sachverständigenrat für Berufskrankheiten hat Parkinson bei Landwirten deshalb 2023 unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt.

Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit

Die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit ist an mehrere Kriterien geknüpft und erfordert eine individuelle Einzelfallprüfung.

Diagnose: Liegt bei Ihrer Patientin bzw. Ihrem Patient eine der nachfolgend beschriebenen Diagnosen vor? G20-G26 Extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen Diagnosen.

Berufliche Exposition: War Ihre Patientin bzw. Ihr Patient einer der nachfolgend beschriebenen Einwirkungen bei der Arbeit ausgesetzt? Herbizide, Fungizide oder Insektizide wurden langjährig (100 ggf. trendkorrigierte Anwendungstage), häufig und selbst angewendet (eigene Vor- und Nacharbeit der Pestizid-Ausbringung oder eigene Pestizid-Ausbringung oder eigene Störungsbeseitigung im Rahmen der Pestizid-Ausbringungen).

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Mindestexpositionsdauer: Betroffene müssen nachweisen, Pflanzenschutzmitteln während der vergangenen Jahre mindestens 100 Tage ausgesetzt gewesen zu sein. Es spielt dabei keine Rolle, ob man nur kurz eine Handspritze betätigt hat oder den ganzen Tag sein Feld besprüht hat.

Art der Exposition: Besonders relevante Tätigkeiten sind solche, bei denen es zu einer dermalen und/oder inhalativen Exposition kommen kann.

Wenn keine der genannten Einwirkungen angegeben wird, lässt sich derzeit ein Verdacht auf eine Berufskrankheit oder Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Sinne der Wissenschaftlichen Begründung "Parkinson-Syndrom durch Pestizide" nicht begründen und es ist von einer Berufskrankheiten-Anzeige abzusehen.

Das Verfahren zur Anerkennung

  1. Verdachtsanzeige: Bei Vorliegen der genannten Diagnose und beruflicher Einwirkungen besteht der Verdacht auf eine Erkrankung im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Anzeige eines Verdachtes einer Erkrankung im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII erfordert die Zustimmung der versicherten Person.
  2. Prüfung durch die Berufsgenossenschaft: Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ist deutschlandweit zuständig, bei Landwirten im individuellen Fall zu prüfen, ob die Parkinson-Erkrankung auf den Beruf zurückgeht.
  3. Einzelfallprüfung: Für die individuelle Anerkennung braucht es eine an mehrere Kriterien geknüpfte Einzelfallprüfung. Geprüft wird, ob der genannte Pflanzenschutz für die angegebenen Kulturen und Einsatzzeiten plausibel sind und mit der damaligen Praxis vereinbar.

Mögliche Ursachen und Risikofaktoren

Christian Lechner, Chefarzt für Neurologie am Helios Amper-Klinikum in Dachau mit dem Spezialgebiet Parkinson, hob die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung hervor. Er stellte fest, dass es mehrere Unterarten einer Parkinson-Erkrankung gibt und nur das so genannte „primäre Parkinson“, unter dem etwa 70 Prozent der Erkrankten leiden, mit Pflanzenschutzmitteln in Verbindung zu bringen ist. Dieses äußere sich vor allem zu unkontrollierbares Zittern oder Muskellähmungen. Auslöser sei eine durch die Mittel ausgelöste Verminderung der Dopaminproduktion im Gehirn, die irreversibel sei. Aufgenommen werden könnten die Stoffe über die Haut, die Atemwege, die Mund- und Nasenschleimhäute sowie über den Verdauungstrakt.

Prävention und Schutzmaßnahmen

Eine Reduzierung der Fallzahlen ist nur durch konsequente Präventionsmaßnahmen zu erreichen.

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  • Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln: Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Stoffe über Wind- oder Wasserverfrachtung auch abseits der Felder in die Umwelt gelangen und dort auf eine ungeschützte Bevölkerung treffen.
  • Technische Schutzmaßnahmen: Dazu gehören zum Beispiel geschlossene und klimatisierte Traktorkabinen. Beim Nachfüllen der Substanzen oder deren kleinräumiger Ausbringung über Handspritzen sind Schutzkleidung und Atemschutz empfohlen.
  • Bessere Schulung von Arbeitsmedizinern: Um deren Kompetenz in der Früherkennung und im Umgang mit Parkinson zu verbessern.

Der Schutz läuft nach dem STOP-Prinzip. STOP meint abgekürzt Substitution, technische organisatorische und persönliche Maßnahmen. Der Arbeitsschutz wird nach Wirksamkeit geordnet. Betriebe sollen vorrangig Möglichkeiten der oberen Hierarchieebene ergreifen, also Substitution.

Leistungen der Unfallversicherung

Nach einem Arbeitsunfall, einer Berufskrankheit oder auch bei einer drohenden Berufskrankheit und somit auch bei Versicherten, bei denen das Parkinson-Syndrom als Berufskrankheit bzw. „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt wurde, sichert die gesetzliche Unfallversicherung - sofern noch vorhanden - bestehende Beschäftigungsverhältnisse mit allen geeigneten Mitteln. Hierzu erbringen die Unfallversicherungsträger primär Leistungen der medizinischen Rehabilitation und, wo dies nicht ausreicht, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Umschulungen).

Parallel dazu werden bei Bedarf Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbstständigen Lebens bereitgestellt. Ebenso erbringt die gesetzliche Unfallversicherung ergänzende Leistungen, um den Erfolg der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe zu erreichen und zu sichern (Reisekosten, Kraftfahrzeughilfe, Hilfsmittel, Wohnungshilfe).

Die Leistungen der Unfallversicherung können darüber hinaus je nach Schwere der Erkrankung auch Geldleistungen an Versicherte (z. B. Lohnersatzleistungen und Rentenleistungen) sowie - im Todesfall - Hinterbliebenenleistungen (z. B. Witwen-/Witwer- und Waisenrenten) umfassen.

Für Versicherte, die infolge der Parkinsonerkrankung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe bedürfen, wird Pflegegeld gezahlt oder Haus- bzw. Heimpflege gewährt.

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Kritik und Herausforderungen

Martin Empl, Vorstandsvorsitzender des Arbeitgeberverbands für die Land- & Forstwirtschaft in Bayern e.V. sowie der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), übte Kritik an den geltenden Regeln für die Anerkennung von Parkinson als landwirtschaftliche Berufskrankheit. Manche Kriterien seien praxisfern oder zu unspezifisch. Konkret nannte Empl die Vorgabe, dass Betroffene nachweisen müssten, Pflanzenschutzmitteln während der vergangenen Jahre mindestens 100 Tage ausgesetzt gewesen zu sein.

Solidarprinzip und Beitragserhöhungen

Durch die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit sind die Beiträge für Landwirte um 20 Prozent erhöht worden. Zwölf Prozent gehen auf die erwarteten Kosten durch Parkinson-Patienten zurück. Gegen diese Beitragssteigerung regt sich Protest. So erklärte die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft e.V. (AbL), Parkinson als Berufskrankheit anzuerkennen, sei richtig. Allerdings sei es unfair, die "Kosten dafür auf alle Bäuerinnen und Bauern umzulegen". Reine Grünlandbetriebe und ganz besonders Bio-Betriebe müssten damit Kosten tragen, die sie nicht verursacht hätten. Hier müsse das Verursacherprinzip gelten "und die Hersteller der Pflanzenschutzmittel oder die Zulassungsbehörden von der Berufsgenossenschaft zur Kasse gebeten werden".

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