Die Parkinson-Krankheit ist eine chronisch fortschreitende neurologische Erkrankung, die sich durch eine Vielzahl von motorischen und nicht-motorischen Symptomen äußert. Zu den häufigsten motorischen Symptomen gehören Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), Rigor (Muskelsteifheit) und Tremor (Zittern). Ein besonders beeinträchtigendes Symptom, das vor allem im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auftritt, sind Gangblockaden, auch Freezing genannt. Diese plötzlichen, unvorhersehbaren Bewegungsblockaden können die Mobilität der Betroffenen stark einschränken und das Sturzrisiko erhöhen.
Tiefe Hirnstimulation (THS) als etablierte Therapie
Die tiefe Hirnstimulation (THS) hat sich in den letzten Jahren als eine wirksame Therapie zur Behandlung der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit etabliert. Bei diesem Verfahren werden Elektroden in bestimmte Hirnareale implantiert, um die Aktivität dieser Regionen zu modulieren. Bisher wurde bei der THS meist nur ein Zielgebiet im Gehirn stimuliert, der Nucleus subthalamicus (STN).
Kombinierte THS: Ein neuer Ansatz zur Behandlung von Gangblockaden
Tübinger Neurowissenschaftlern ist es nun gelungen, ein kombiniertes Verfahren zu entwickeln, das zwei Hirnareale gleichzeitig stimuliert. Diese kombinierte Therapie scheint ein wesentliches Problem der Parkinsonbehandlung zu lösen: Sie verbesserte in einer Studie die sonst kaum kontrollierbaren Gangblockaden der teilnehmenden Patienten.
Studiendesign und Ergebnisse
In die Studie der Tübinger Hirnforscher Dr. med. Daniel Weiss und Professor Dr. med. Rejko Krüger waren 12 Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom eingeschlossen. Unter häuslichen Alltagsbedingungen verglichen die Experten bei den Teilnehmern, für jeweils drei Wochen, beide THS-Verfahren. „Dieser ausreichend lange Zeitraum ist wichtig, damit sich Gehirn und Körper an die neue Einstellung gewöhnen und man sicher ausschließen kann, dass vorherige Einstellungen das Gangbild beeinflusst haben könnten“, erklärt Krüger.
Die kombinierte Stimulation wurde von den Patienten gut vertragen und konnte sicher eingesetzt werden. Die in ihrer Mobilität stark beeinträchtigten Parkinsonkranken erzielten durch die kombinierte Hirnstimulation eine Besserung der Gangblockade um zirka 40 Prozent im Vergleich zur bisherigen bestmöglichen Therapie. Auch die Lebensqualität war nach drei Wochen durch die gesteigerte Mobilität bereits leicht verbessert.
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Die Rolle der Substantia nigra pars reticulata (SNr)
Bei der herkömmlichen THS ist das Zielgebiet der Nucleus subthalamicus (STN). Diese Hirnregion ist Teil der komplexen motorischen Steuerung von zielgerichteten Bewegungen. Die kombinierte THS stimuliert zusätzlich die Substantia nigra pars reticulata (SNr). Sie ist eine kleine Nervenzell-Struktur, die an das untere Ende des STN angrenzt. „Dieser Teil eines Kernkomplexes im Mittelhirn scheint stärker mit Gang und Gleichgewicht in Verbindung zu stehen als der STN. Diese SNr ist bei Parkinson-patienten nämlich überaktiv und wirkt dadurch vermutlich übermäßig hemmend auf Gang und Gleichgewicht“, erläutert Krüger die Gründe für die Auswahl des zusätzlichen anatomischen Zielpunktes.
Weitere Therapieansätze und Forschungsergebnisse
Neben der tiefen Hirnstimulation gibt es eine Vielzahl weiterer Therapieansätze zur Behandlung der Parkinson-Krankheit. Dazu gehören:
- Medikamentöse Therapie: Die medikamentöse Therapie basiert im Prinzip auf drei Säulen. Die Säule eins ist die medikamentöse Therapie. Wir nennen es auch oft Standardtherapie , das heißt, in Form von Tabletten oder manchmal auch Pflaster. Hier stehen uns verschiedene Medikamente zur Verfügung. Der Goldstandard ist L-Dopa und L-Dopa wird dann in Dopamin umgewandelt. Die zweite Substanzgruppe, die wir haben, sind die Dopaminagonisten. Da werden die sogenannten Dopaminrezeptoren im Gehirn stimuliert und so die Wirkung von Dopamin nachgeahmt. Die dritte Substanzgruppe, die eben schon in der Frühphase eingesetzt wird, sind die sogenannten MAO-B-Hemmer. In weiteren, etwas fortgeschritteneren, Stadien haben wir dann noch mehr Medikamente. Einerseits gibt es dann L-Dopa jetzt nicht nur in einer Standardformulierung, sondern auch als Retardpräparat, was etwas länger wirkt, vor allem auch am Abend eingenommen werden kann. Oder ein lösliches L-Dopa, was eben etwas schneller wirkt, dafür kürzer, was vor allem in der Früh, wenn starke Parkinsonsymptome bestehen, manchmal hilfreich ist. Dann gibt es noch andere Enzym-Abbauhemmer, die sogenannten COMT-Hemmer, die eingenommen werden können, um den Wirkspiegel sozusagen etwas zu glätten und Schwankungen etwas abzuflachen.
- Beübende Verfahren: Die zweite Säule sind beübende Verfahren, also Physiotherapie , Ergotherapie , Logopädie .
- Physiotherapie: Die Physiotherapie spielt eine große Rolle, und zwar in allen Stadien der Parkinson-Krankheit. Früher einmal hat man gedacht, das ist etwas, was für die sehr fortgeschrittenen Krankheitsstadien vor allem eine Rolle spielt. Das spielt aber in jedem Krankheitsstadium eine Rolle. Im Prinzip soll die Bewegung verbessert werden, es sollen Bewegungsabläufe normaler werden. Parkinson ist oft dadurch charakterisiert, dass die Bewegungen sehr klein, sehr langsam sind, nicht mehr automatisch ablaufen. Und diese speziellen Programme, die dann für den Parkinson gemacht wurden, zielen genau auf das ab. In fortgeschritteneren Parkinsonstadien spielt die Physiotherapie dann auch eine Rolle, weil wir hier oft Symptome haben, wie zum Beispiel Freezing, also diese Bewegungsblockaden mit Stürzen, manchmal eine sehr gebeugte Körperhaltung und diese Symptome dann oft wenig auf Medikamente ansprechen. Das heißt, auch hier hat dann die Physiotherapie ganz einen großen Stellenwert und sollte regelmäßig gemacht werden.
- Ergotherapie: Als Parkinsonpatienten, als Parkinsonpatient leiden Sie eventuell unter Problemen im Alltag, in verschiedensten Situationen. Und bei der Bewältigung von verschiedenen Alltagssituationen, um das zu erleichtern, spielt die Ergotherapie eine große Rolle. Also hier geht es zum Beispiel um Geschicklichkeitstrainings, um Training der Feinmotorik, aber auch zum Beispiel um Gedächtnisübungen, Übungen zur Verbesserung der Aufmerksamkeit. Oft wird mit Hilfsmitteln gearbeitet, also zum Beispiel, wenn jemand einen ausgeprägten Tremor hat, gibt es verschiedene Hilfsmittel, um beim Essen usw. sich leichter zu tun. Oder auch wenn die Beweglichkeit stark eingeschränkt ist, wie man sich zum Beispiel leichter tut, wieder Socken selbst anzuziehen.
- Logopädie: Die Logopädie ist die Wissenschaft und die Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Erfolgen tut durch die Logopädie, durch speziell geschultes Personal und ist vor allem für Parkinson Patientinnen und Patienten sehr zu empfehlen, da im Lauf der Erkrankung sehr häufig die Stimme leiser und auch in der Sprachmelodie abgeflachter wird. Dies beeinträchtigt mitunter die Kommunikation, so dass der Patient oder die Patientin auch schwer verständlich ist und sich sozial zurückzieht.
- Sport und Bewegung: Was ich allen meinen Patientinnen und Patienten immer sage: Es ist relativ egal, was man macht, was körperliche Bewegung betrifft. Man sollte aber wirklich das machen, was einem Spaß macht. Es gibt mittlerweile Daten, dass körperliche Betätigung, regelmäßige körperliche Betätigung etwas bringt, sowohl was die Linderung der Symptome, aber auch den Krankheitsverlauf vielleicht sogar betrifft. Und die Empfehlung von unserer Seite ist dann immer dreimal pro Woche je 20 Minuten sanftes Ausdauer- und sanftes Krafttraining. Und ob man da jetzt schwimmen geht. Walken geht mit Walkingstöcken, Fahrrad fährt, tanzen geht. Im Prinzip soll man sich etwas suchen, was einem Spaß macht.
Aktuelle Forschungsergebnisse
- Identifizierung gestörter Netzwerke im Gehirn: Ein internationales Team um Prof. Andreas Horn und Dr. Ningfei Li hat eine Landkarte gestörter Netzwerke im Gehirn erstellt, die für verschiedene neurologische und neuropsychiatrische Erkrankungen verantwortlich sind. Die Erkenntnisse sind bereits ersten Patient:innen zugutegekommen. Durch Feinabstimmung und eine präzise Platzierung der Elektroden ließen sich unter anderem die Symptome schwerer, behandlungsresistenter Zwangsstörungen lindern.
- Ursachenforschung von Gangblockaden: Tübinger Forschende konnten mittels Messung von Nervenzellaktivität aus tiefen Hirnstimulationselektroden zeigen, was bei Patienten mit Parkinson während des Gang-Freezings im Gehirn passiert. Die Erkenntnisse offenbaren präzise Erkenntnisse über die Fehlsteuerung von Hirnaktivität vor und während des Freezings und eröffnen neue Konzepte für eine therapeutische Anwendung.
- Wirkungsweise der tiefen Hirnstimulation: US-Neurologen haben eine mögliche Erklärung für die Wirkungsweise der tiefen Hirnstimulation gefunden. Ihre Beobachtungen zeigen, dass die elektrischen Impulse, die an die Basalganglien abgegeben werden, eine Blockade im motorischen Cortex lösen, zu der es infolge der Erkrankung kommt.
- Entwicklung eines Systems zur Erkennung von Bewegungsblockaden: Eine Absolventin der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) entwickelte in Ihrer Masterarbeit ein eigenes System zur Erkennung und Klassifizierung von Bewegungsblockaden bei Parkinson Patienten. In einem neuen geplanten Forschungsprojekt an der Fakultät Physikalische Technik / Informatik der WHZ, will Weichenhain eine Studie an Parkinson Patienten durchführen und die Detektion der Freezing-Episoden weiterentwickeln. Es sollen geeignete Reize gefunden werden, welche die Patienten aus ihren Bewegungsblockaden befreien können.
Rigor: Muskelsteifheit bei Parkinson
Der Rigor zählt, neben der Akinese und dem Tremor, zu den häufigsten motorischen Symptomen bei Morbus Parkinson und somit zu den sogenannten Parkinson-Trias. Ähnlich wie auch die Spastik beschreibt der Begriff den Kontrollverlust über ganze Muskelgruppen. Insbesondere im Anfangsstadium sind sie oft schwer voneinander abzugrenzen. Die Symptome des Rigors können auch als „Muskelsteifheit“ zusammengefasst werden. Die Anspannung von Streck- und Beugemuskeln der Gliedmaßen ist dauerhaft erhöht. Dadurch, dass diese beiden Gegenspieler gleichzeitig angespannt sind, wird die Ausführung von Bewegungen deutlich erschwert, was die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit von Betroffenen stark einschränken kann. Typischerweise äußert sich der Rigor durch Missempfindungen und Schmerzen infolge von - durch die dauerhaft angespannten Muskeln - eingeklemmten Nerven. Charakteristisch ist, dass die Symptome bei passiven Bewegungen zunehmen, also dann, wenn zum Beispiel ein Arm oder Bein des Betroffenen durch den Arzt oder die Ärztin ohne eigenes Zutun der Patientinnen und Patienten bewegt wird.
Ein wesentlicher Unterschied zur Spastik ist, dass beim Rigor der spürbare Widerstand durch die erhöhte Muskelanspannung unabhängig von der Geschwindigkeit der Bewegungsausführung besteht. Bei der Spastik nimmt die Muskelsteifheit erst mit der Geschwindigkeit einer Bewegung zu, wodurch sich die betroffenen Gliedmaßen immer schwerer bewegen lassen. Rigor ist also eine Muskelsteifheit, die unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit auftritt und sowohl bei langsamen als auch schnellen Bewegungen auftreten kann.
Behandlung von Rigor
Entscheidend für die Behandlung ist, dass die eigentliche Ursache identifiziert wird. Denn der Rigor kann auch bei anderen Erkrankungen als Morbus Parkinson auftreten. Zwar ist er nicht heilbar, jedoch kann eine zielgerichtete Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung die Symptome lindern. Neben Physio- und Ergotherapie können auch Medikamente zur Behandlung von Rigor und Spastik beitragen. Eine mögliche Behandlungsmethode ist das Injizieren von Botulinumtoxin, da es bei beiden Erkrankungen eine schnelle Wirkung zeigt und die Muskelanspannung reduziert.
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Bei der Physiotherapie werden Bewegungen großräumig und schwungvoll durchgeführt, um die Beweglichkeit zu erhalten oder zu verbessern. Dehnungsübungen vorab sind dabei wichtig. Eine weitere Möglichkeit der Physiotherapie ist die Vibrationstherapie, die auch zu Hause durchgeführt werden kann. Die Ergotherapie kann helfen, den Umgang mit Hilfsmitteln zu erlernen und somit die Selbstständigkeit zu erhalten. Auch eine medikamentöse Behandlung kann in Erwägung gezogen werden, um die Intensität des Rigors zu verringern und die Lebensqualität zu steigern. Wenn der Rigor eine Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten ist, sollten diese unter ärztlicher Begleitung abgesetzt werden.
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