Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Morbus Parkinson oder Schüttellähmung, ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die hauptsächlich ältere Menschen betrifft. Sie ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Weltweit hat sich die Zahl der Parkinson-Patienten von 2,5 Millionen im Jahr 1990 auf etwa 6,1 Millionen im Jahr 2016 erhöht. Allein in Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen. Obwohl die Erkrankung beide Geschlechter betrifft, gibt es deutliche Unterschiede in Bezug auf Häufigkeit, Symptomatik, Risikofaktoren und Krankheitsverlauf zwischen Männern und Frauen.
Häufigkeit: Männer sind häufiger betroffen
Männer erkranken anderthalbmal häufiger an Parkinson als Frauen. Eine Auswertung verschiedener Studien konnte dies belegen. Männer tragen demnach ein 1,5-mal höheres Risiko als Frauen, Parkinson zu entwickeln.
Die Ursachen für diese geschlechtsspezifische Prävalenz sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird spekuliert, dass das männliche Geschlecht selbst ein Risikofaktor sein könnte. Eine mögliche Erklärung ist eine genetische Anfälligkeit, die auf dem X-Chromosom verankert ist, von dem Männer nur eine Kopie besitzen. Es ist auch denkbar, dass Männer häufiger mit Gefahren konfrontiert sind, die mit Parkinson in Verbindung gebracht werden, wie beispielsweise giftige Chemikalien oder Kopfverletzungen.
Symptomatik: Unterschiede in motorischen und nicht-motorischen Beschwerden
Die Parkinsonerkrankung verläuft bei Männern und Frauen unterschiedlich. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein. Insgesamt manifestieren sich motorische Symptome bei Frauen später als bei Männern. Der sogenannte Tremor ist bei ihnen häufiger das erste eindeutige Symptom und geht oftmals mit Stürzen und Schmerzen einher. Männer haben dagegen oft stärkere Probleme, was die Körperhaltung angeht.
Auch bei den nicht-motorischen Symptomen gibt es Unterschiede. Unspezifische Beschwerden wie Depression, Verstopfung oder starkes Schwitzen sind bei Frauen häufiger und stärker ausgeprägt. Männer zeigen hingegen deutlichere Einschränkungen in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten.
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Eine slowenische Arbeitsgruppe hat Daten zu den neurophysiologischen Grundlagen dieser Unterschiede präsentiert. Demnach zeigen Männer und Frauen teilweise andere Symptome, die sich wiederum zu unterschiedlichen Zeitpunkten manifestieren.
Parkinsonsymptome nach Geschlecht:
- Häufiger bei Frauen:
- Tremor
- Posturale Instabilität mit Sturzneigung
- Gastrointestinale Funktionsstörungen wie Dysphagie
- Schmerzen
- Störungen des räumlichen Sehens
- Fatigue, Angst, Depression
- Häufiger bei Männern:
- Freezing
- Kamptokormie
- Übermäßiger Speichelfluss
- Leichte kognitive Beeinträchtigungen
- Störungen der Exekutivfunktionen
Risikofaktoren: Genetische und biologische Einflüsse
Nicht nur die Symptome sind bei Morbus Parkinson abhängig vom Geschlecht: Wie Wissenschaftler herausfanden, unterscheidet sich offenbar auch der Einfluss bestimmter genetischer und biologischer Risikofaktoren bei Männern und Frauen.
Die Parkinsongefahr scheint bei Frauen mit hohen Harnsäurekonzentrationen im Blutserum zu wachsen, bei Männern dagegen mit niedrigen Werten. Cholesterinlevel über 180 mg/dl wirken sich bei Männern, nicht aber bei Frauen protektiv aus. Zu wenig Bewegung schadet Frauen.
Krankheitsverlauf: Hirnatrophie und Östrogene
Eine internationale Studie mit fast 700 Teilnehmenden zeigt: Frauen mit einer Vorstufe der Parkinson-Krankheit weisen trotz ähnlicher klinischer Ausprägung weniger Hirnatrophie auf als Männer. Die isolierte REM-Schlaf-Verhaltensstörung (iRBD) ist das zuverlässigste Frühwarnzeichen für neurodegenerative Erkrankungen, die durch die Ansammlung toxischer Proteine im Gehirn verursacht werden. Mehr als 70 Prozent der Betroffenen entwickeln letztendlich Parkinson, Lewy-Body-Demenz oder, seltener, Multisystematrophie.
Die Analyse ergab, dass weniger betroffene Hirnregionen bei Frauen eine erhöhte Expression von Genen aufweisen, die mit der Östrogenfunktion im Gehirn assoziiert sind, insbesondere der Gene ESRRG und ESRRA, die östrogenassoziierte Hormonrezeptoren produzieren. Das ESRRG-Gen erwies sich als besonders relevant, da es im Gehirn stärker exprimiert wird als in anderen Körpergeweben. Die Ergebnisse fügen sich in bestehende Befunde ein, die belegen, dass Frauen mit neurodegenerativen Erkrankungen von einem gewissen Schutz des Gehirns profitieren, möglicherweise durch die Wirkung von Östrogenen und die damit verbundenen Energieprozesse.
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Die Wissenschaftler haben unter anderem die Geschlechtshormone in Verdacht. Denn diese Botenstoffe wirken im gesamten Gehirn und könnten somit auch die Entstehung und das Fortschreiten der neurodegenerativen Erkrankung beeinflussen. Vor allem Östrogene scheinen in diesem Zusammenhang eine Rolle zu spielen. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Estradiol im Gehirn die Synthese und Freisetzung von Dopamin steigert. Darüber hinaus wirken Östrogene antientzündlich und könnten somit die Neuroinflammation als pathophysiologischen Faktor abschwächen.
Therapie: Geschlechtsspezifische Ansätze notwendig
In puncto Therapie zeigen sich ebenfalls Differenzen. So scheint männliches Geschlecht vor den häufig unter einer Langzeittherapie mit L-Dopa auftretenden Dyskinesien eher zu schützen. Ebenso wirkt bei ihm die tiefe Hirnstimulation günstiger auf eine Kamptokormie, die unwillkürliche Beugung des Rumpfes nach vorne. Interessanterweise beschreiben Frauen unter der Behandlung eine größere Verbesserung der Lebensqualität.
Neuroleptika, die vor allem bei Parkinsondemenz zum Einsatz kommen, werden vermehrt Männern verschrieben - vermutlich, weil sie im Krankheitsverlauf eher aggressive Verhaltensweisen entwickeln. Im Behandlungssetting fällt auf, dass Frauen seltener an multimodalen Programmen mit Physio-, Ergo- und logopädischer Therapie teilnehmen. Auch scheinen sie im Alltag seltener Unterstützung zu erfahren, etwa von der Familie oder Freunden. Als Folge davon beurteilen Frauen ihre Lebensqualität im körperlich-funktionellen und im sozial-emotionalen Bereich womöglich als schlechter.
Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen legen nahe, dass wir dringend personalisierte und geschlechtsspezifische Ansätze in der Parkinson-Therapie brauchen. Die zusammengetragenen Befunde machen deutlich, dass bei parkinsonkranken Männern und Frauen individuelle Behandlungsansätze notwendig sind, um für beide Geschlechter eine optimale Therapie zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, ob Therapien mit selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren wie Tamoxifen und Raloxifen den Erkrankten helfen.
Fazit
Die Parkinson-Krankheit manifestiert sich bei Männern und Frauen unterschiedlich. Männer sind häufiger betroffen, während Frauen von einem gewissen Schutz durch Östrogene profitieren könnten. Die Symptomatik, Risikofaktoren und der Krankheitsverlauf variieren ebenfalls zwischen den Geschlechtern. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, das Geschlecht als biologische Variable in klinischen Untersuchungen zu berücksichtigen und personalisierte, geschlechtsspezifische Therapieansätze zu entwickeln, um eine optimale Versorgung von Parkinson-Patienten zu gewährleisten.
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Es ist wichtig, dass in Zukunft mehr in die Erforschung der Rolle des Geschlechts bei Parkinson investiert wird - und sich dies eines Tages in besseren Therapien für Männer und Frauen niederschlägt.
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