Einleitung
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem durch den Verlust von Dopamin produzierenden Zellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, den Dopaminmangel auszugleichen und die Symptome zu lindern. Allerdings können einige Parkinson-Medikamente, insbesondere Dopaminagonisten, unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, darunter Impulskontrollstörungen wie Spielsucht, Kaufrausch, Essattacken und Hypersexualität. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Parkinson-Medikamenten, insbesondere Dopaminagonisten, und dem Auftreten von Sexsucht als einer der möglichen Nebenwirkungen.
Was sind Dopaminagonisten?
Dopaminagonisten sind Medikamente, die im Gehirn an Dopaminrezeptoren binden und diese aktivieren. Sie imitieren die Wirkung von Dopamin und können so den Dopaminmangel bei Parkinson ausgleichen. Häufig verschriebene Dopaminagonisten sind Pramipexol, Ropinirol, Pergolid, Cabergolin und Bromocriptin.
Der Zusammenhang zwischen Dopaminagonisten und Impulskontrollstörungen
Studien haben gezeigt, dass Dopaminagonisten das Risiko für Impulskontrollstörungen erhöhen können. Eine Studie von Daniel Weintraub von der Universität Pennsylvania ergab, dass über 17 % der mit Dopaminagonisten behandelten Parkinson-Patienten Zwangsstörungen wie Spielsucht, Kaufrausch, Essattacken und gesteigerte Libido entwickelten. Einige Patienten litten sogar unter mehreren Zwangsstörungen gleichzeitig.
Es wird vermutet, dass Dopaminagonisten das Belohnungssystem im Gehirn beeinflussen. Valerie Voon vom National Institute of Health in Bethesda vermutet, dass Dopamin das Lernverhalten mancher Patienten beeinflussen kann. In Glücksspielsituationen lernen diese Patienten schneller aus Erfolgssituationen, während Misserfolge sich weniger gut einprägen. Hirntomografische Studien haben eine verstärkte Gehirnaktivität im ventralen Striatum bei Patienten mit Suchtpotenzial gezeigt.
Alex Pine vom Wellcome Trust Center for Neuroimaging in London kommt zu dem Schluss, dass Dopaminagonisten die Impulsivität fördern und die Entscheidungsfindung beeinflussen können. Parkinson-Patienten mit Suchtpotenzial bevorzugen demnach eine sofortige Belohnung, selbst wenn sie klein ist, während die Aussicht auf eine später noch größere Belohnung unwichtig wird.
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Sexsucht als Nebenwirkung von Dopaminagonisten
Sexsucht, auch Hypersexualität genannt, ist eine der möglichen Impulskontrollstörungen, die bei der Einnahme von Dopaminagonisten auftreten können. Betroffene verspüren ein zwanghaftes Verlangen nach sexuellen Aktivitäten, das ihr Leben und ihre Beziehungen beeinträchtigen kann.
Ein Bericht des NETZWERK beschreibt, dass vor allem die nicht-ergolinen Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol) stark libidosteigernd wirken und bis zur Hypersexualität führen können. Boehringer Ingelheim führt sogar eine klinische Studie zur Wirkung von Pramipexol auf das Sexualverhalten von Parkinson-Patienten durch.
Individuelle Unterschiede und Risikofaktoren
Nicht jeder Patient, der Dopaminagonisten einnimmt, entwickelt eine Impulskontrollstörung. Es wird vermutet, dass eine genetische Veranlagung eine Rolle spielen kann. Christoph Eisenegger von der Universität Zürich forscht an der Rolle des Dopaminrezeptors D4 bei Impulskontrollstörungen.
Auch das Alter und das Geschlecht können eine Rolle spielen. Statistisch gesehen gibt es keine Geschlechtsunterschiede bei der Entwicklung von Zwangsstörungen, aber Frauen neigen weniger zu Sexsucht. Bei ihnen dominieren eher Essattacken und Kaufrausch. Jüngere Männer, die bereits vor der Parkinson-Erkrankung eine impulsive Persönlichkeit hatten, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko.
Wichtigkeit der Aufklärung und Überwachung
Es ist wichtig, dass Patienten und ihre Angehörigen über die möglichen Nebenwirkungen von Dopaminagonisten aufgeklärt werden. Ärzte sollten Patienten regelmäßig auf Anzeichen von Impulskontrollstörungen überwachen und bei Bedarf die Dosis reduzieren oder das Medikament absetzen.
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Wolfgang Becker-Brüser, Chefredakteur des pharmakritischen Arznei-Telegramms, betont, dass nicht nur die Parkinson-Kranken selbst, sondern auch deren Angehörige unbedingt über diese Risiken zu informieren sind. Denn während unerwünschte Wirkungen wie Hautausschlag, Haarausfall oder Gelbsucht normalerweise rasch auf eine Arzneitherapie zurückgeführt würden, sei zu befürchten, dass dies bei ungewöhnlichen Verhaltensweisen nicht getan werde.
Alternativen und Behandlungsoptionen
Wenn ein Patient unter Sexsucht oder anderen Impulskontrollstörungen leidet, gibt es verschiedene Behandlungsoptionen. Eine Möglichkeit ist die Reduktion oder das Absetzen des Dopaminagonisten. In einigen Fällen kann auch ein Wechsel zu einem anderen Medikament helfen.
Zusätzlich können psychotherapeutische Maßnahmen wie Verhaltenstherapie oder Suchttherapie eingesetzt werden, um den Patienten zu helfen, ihre Impulse zu kontrollieren und ein normales Leben zu führen.
Fallbeispiele
Ein 68-jähriger Sportlehrer wurde angeklagt, in zwei Pflegeheimen Frauen sexuell belästigt zu haben. Er litt an der Parkinson-Krankheit und musste deshalb Tabletten einnehmen. Der Fall offenbarte das Dilemma, in das die moderne Medizin geraten kann. Denn diese Nebenwirkungen bei Parkinson-Medikamenten sind bekannt: Die Impulskontrolle sinkt, die Libido steigt.
Reinhard Pietsch verzockte 50.000 Euro und gab an, dass ein Parkinson-Medikament bei ihm Spielsucht und Sexsucht ausgelöst habe. Erst bei der fünften Therapie sei der Arzt drauf gekommen, dass es an den Pillen liegen könnte, die er seit 2003 schluckte: Cabergolin.
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Dr. Markus Himmelsberger entwickelte unter der Einnahme von Pramipexol Hypersexualität, Spielsucht und eine Manie mit psychotischen Symptomen. Seine Frau berichtete von einem „Psychoterror”, der sie über mehrere Jahre begleitet habe.
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