Parkinson-Plus-Erkrankungen: Definition, Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie

Im Gegensatz zum idiopathischen Parkinson-Syndrom oder Morbus Parkinson sind die atypischen Parkinson-Syndrome (APS) seltene Erkrankungen. Diese Gruppe umfasst die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), das kortikobasale Syndrom (CBS) und die Demenz mit Lewy-Körperchen (LBD). Wie der Morbus Parkinson sind die APS neurodegenerative Erkrankungen. Je nach zugrunde liegenden neuropathologischen Veränderungen unterscheidet man zwischen Synukleinopathien (MSA, LBD, bestimmte Formen des CBS) und Tauopathien (PSP, bestimmte Formen des CBS).

Charakteristisch für APS sind ein schleichender Beginn im mittleren Lebensalter und eine kontinuierliche Zunahme der Symptomatik im Krankheitsverlauf. Im Vergleich zu Morbus Parkinson verlaufen APS in der Regel schwerer und schneller. Zudem sprechen sie schlechter auf die für Morbus Parkinson üblichen Medikamente an.

Definition und Abgrenzung

Parkinson-Plus-Syndrome, auch atypische Parkinson-Syndrome (APS) genannt, sind eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die Symptome des Parkinson-Syndroms aufweisen, aber sich in ihrem Verlauf, ihren Ursachen und ihrer Reaktion auf Medikamente von der klassischen Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson) unterscheiden. Es ist wichtig, diese von der Parkinson-Krankheit im engeren Sinne (Morbus Parkinson) abzugrenzen, bei der es zu Veränderungen im Nervensystem kommt und Nervenzellen, die den wichtigen Botenstoff Dopamin produzieren, frühzeitig absterben.

Ursachen und Pathophysiologie

Die genauen Ursachen der Parkinson-Plus-Syndrome sind noch nicht vollständig geklärt. Im Gegensatz zum idiopathischen Parkinson-Syndrom, bei dem hauptsächlich Dopamin produzierende Neuronen in der Substantia nigra betroffen sind, weisen APS oft eine breitere Schädigung verschiedener Hirnregionen auf.

Man unterscheidet je nach zugrunde liegenden neuropathologischen Veränderungen zwischen Synukleinopathien und Tauopathien:

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  • Synukleinopathien: Hierzu gehören die Multisystematrophie (MSA) und die Demenz mit Lewy-Körperchen (LBD), sowie bestimmte Formen des kortikobasalen Syndroms (CBS). Bei diesen Erkrankungen kommt es zur Ablagerung von Alpha-Synuklein in Nervenzellen und Gliazellen.
  • Tauopathien: Hierzu gehören die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) sowie bestimmte Formen des kortikobasalen Syndroms (CBS). Bei diesen Erkrankungen kommt es zur Ablagerung von Tau-Protein in Nervenzellen und Gliazellen.

Symptome

Die Symptome der Parkinson-Plus-Syndrome sind vielfältig und können je nach Erkrankung variieren. Einige häufige Symptome sind:

  • Motorische Symptome:
    • Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungen)
    • Rigor (Muskelsteifheit)
    • Tremor (Zittern), oft nicht so ausgeprägt wie bei Morbus Parkinson
    • Posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen, Sturzneigung)
    • Dysarthrie (Sprechstörungen)
    • Dysphagie (Schluckstörungen)
  • Nicht-motorische Symptome:
    • Autonome Funktionsstörungen (z.B. orthostatische Hypotonie, Blasen- und Darmfunktionsstörungen, sexuelle Dysfunktion)
    • Kognitive Beeinträchtigungen (z.B. Demenz, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisprobleme)
    • Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Depressionen, Angstzustände, Halluzinationen)
    • Schlafstörungen (z.B. REM-Schlaf-Verhaltensstörung)
    • Augenbewegungsstörungen (z.B. vertikale Blickparese bei PSP)

Spezifische Symptome einzelner APS:

  • Multisystematrophie (MSA): Ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensystems (z.B. Harninkontinenz, erektile Dysfunktion, orthostatische Hypotonie), Kleinhirnsymptome (z.B. Ataxie). Man unterscheidet den Parkinson-Typ (MSA-P) und den cerebellären Typ (MSA-C).
  • Progressive supranukleäre Blickparese (PSP): Vertikale Blickparese, posturale Instabilität mit Sturzneigung, Dysarthrie, Dysphagie, kognitive Störungen. Es gibt verschiedene Prädominanztypen, die sich in ihren Symptomen und ihrem Verlauf unterscheiden.
  • Kortikobasales Syndrom (CBS): Apraxie, kortikale Sensibilitätsstörungen, Alien-limb-Phänomen, Rigor, Dystonie, Myoklonus.
  • Demenz mit Lewy-Körperchen (LBD): Parkinson-Symptome, REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wiederkehrende optische Halluzinationen, Schwankungen der Aufmerksamkeit und Wachheit, Demenz.

Diagnose

Die Diagnose von Parkinson-Plus-Syndromen kann schwierig sein, insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung. Es ist wichtig, einen erfahrenen Neurologen aufzusuchen, der sich mit Bewegungsstörungen auskennt.

Die Diagnose basiert auf:

  • Anamnese: Erhebung der Krankheitsgeschichte und der aktuellen Symptome
  • Neurologische Untersuchung: Beurteilung der motorischen und nicht-motorischen Funktionen
  • Zusätzliche Untersuchungen:
    • Nervenwasseruntersuchung: Kann bei der Differenzialdiagnose helfen.
    • Kernspintomographie (MRT): Zum Ausschluss anderer Ursachen und zur Beurteilung von Hirnstrukturen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2021 hat ergeben, dass spezifische MRT-Indikatoren der Parkinson-Krankheit, mittels Hochfeld-MRT und fortgeschrittenen MRT-Sequenzen identifiziert, eine verfeinerte strukturelle Bildanalyse und konsekutive diagnostische Evaluation ermöglichen.
    • Kardiovaskuläre Funktionstests (Kipptischuntersuchung): Zum Nachweis einer orthostatischen Hypotonie.
    • Da-TSCAN® (123J-Dat-Scan): Nuklearmedizinische Untersuchung zur Bestimmung der Dichte von Dopamintransportern im Gehirn. Diese sind bei allen neurodegenerativen Formen des Parkinson-Syndroms vermindert.
    • 18F FDG PET: Positronenemissionstomographie zur Darstellung des Gehirnstoffwechsels. In von neurodegenerativen Prozessen betroffenen Bereichen ist oft schon früh der Zuckerstoffwechsel reduziert.
    • MIBG-Szintigraphie: Nuklearmedizinische Untersuchung zur Visualisierung der Aufnahme und Speicherung von Katecholaminen in postganglionären kardialen Neuronen. Kann zur Differenzierung der MSA von Morbus Parkinson eingesetzt werden.
    • Neuropsychologische Tests: Zur Beurteilung der kognitiven Funktionen.
    • PANDA-Test (Parkinson Neuropsychometric Dementia Assessment): Ein Test, der extra für Menschen mit Parkinson entwickelt wurde und die Aufmerksamkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wortfindung testet.

Therapie

Die Therapie der Parkinson-Plus-Syndrome ist symptomatisch, da es derzeit keine kurative Behandlung gibt. Ziel ist es, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

  • Medikamentöse Therapie:
    • Levodopa: Kann bei einigen APS (z.B. LBD) eine gewisse Besserung der motorischen Symptome bewirken, ist aber oft weniger wirksam als bei Morbus Parkinson.
    • Dopaminagonisten: Können ebenfalls zur Behandlung der motorischen Symptome eingesetzt werden.
    • Andere Medikamente: Je nach Symptomatik können weitere Medikamente eingesetzt werden, z.B. Antidepressiva, Antidementiva, Medikamente gegen autonome Funktionsstörungen.
  • Nicht-medikamentöse Therapie:
    • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft und Koordination.
    • Ergotherapie: Zur Erhaltung und Verbesserung der Alltagsfunktionen. Ergotherapeutinnen beraten Betroffene auch in Bezug auf ihr Wohn- und Arbeitsumfeld und überdenken zusammen mit den Patientinnen tägliche Abläufe neu. Dazu gehört es etwa, Stolperfallen wie Teppiche und Schwellen zu entfernen und Haltegriffe im Bad, bei der Toilette oder vor Türen anzubringen.
    • Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
    • Neuropsychologische Therapie: Bei kognitiven Beeinträchtigungen.
    • Psychotherapie: Bei Depressionen und anderen psychischen Problemen.
    • Tiefe Hirnstimulation (THS): In bestimmten Fällen kann die THS bei PSP oder MSA in Betracht gezogen werden, obwohl die Ergebnisse oft weniger erfolgreich sind als bei Morbus Parkinson. Hierbei regt man drei ausgewählte Hirnregionen über Elektroden an. Dazu kommt ein Schrittmacher, der unter die Haut implantiert wird und den der Patient oder die Patientin von außen steuern kann.
  • Weitere Maßnahmen:
    • Hilfsmittel: Z.B. Rollatoren, Gehstöcke, spezielle Essbestecke.
    • Anpassung des Wohnumfelds: Zur Vermeidung von Stürzen und zur Erleichterung der Alltagsaktivitäten.
    • Unterstützung durch Angehörige und Pflegekräfte: Die Betreuung von Menschen mit APS ist oft sehr anspruchsvoll und erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen.

Leben mit Parkinson-Plus-Syndromen

Parkinson-Plus-Syndrome sind chronische, fortschreitende Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinträchtigen können. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und sich professionelle Hilfe zu suchen.

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Folgende Aspekte sind dabei besonders wichtig:

  • Akzeptanz der Erkrankung: Es ist wichtig, die Diagnose zu akzeptieren und sich realistische Ziele zu setzen.
  • Selbsthilfe: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.
  • Unterstützung durch Angehörige und Freunde: Die Unterstützung durch das soziale Umfeld ist von großer Bedeutung.
  • Professionelle Beratung: Eine umfassende Beratung durch Ärzte, Therapeuten und Sozialarbeiter kann helfen, die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.
  • Frühzeitige Planung: Es ist ratsam, sich frühzeitig mit Fragen der Pflege, der finanziellen Absicherung und der Patientenverfügung auseinanderzusetzen.

Forschung

Die Forschung im Bereich der Parkinson-Plus-Syndrome ist sehr aktiv. Es werden ständig neue Erkenntnisse über die Ursachen, die Diagnose und die Therapie dieser Erkrankungen gewonnen. Eine aktuelle Studie mit dem Titel „Neue therapeutische Ziele bei der Parkinson-Krankheit“ von Autor Dr. Schwarz, S. T., Afzal, M., Morgan, P. S., Bajaj, N., Gowland, P. A., & Auer, D. P. (2021). MRI Signs of Parkinson’s Disease and Atypical Parkinsonism. Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren, [DOI: 10.1055/a-1460-8795]. Zech, M., Boesch, S., Maier, E. M., Borggraefe, I., Vill, K., Laccone, F., … & Winkelmann, J. (2017). New Genes Causing Hereditary Parkinson’s Disease or Parkinsonism. Current Neurology and Neuroscience Reports, 17(9), 66. [DOI: 10.1007/s11910-017-0780-8]. National Institute on Aging. (n.d.). Parkinson’s Disease. Mayo Clinic. (n.d.). Parkinson’s disease - Symptoms and causes. Parkinson’s Foundation. (n.d.). Startseite. Cleveland Clinic. (n.d.). Parkinson’s Disease: An Overview. American Association of Neurological Surgeons. (n.d.). Parkinson’s Disease. MedlinePlus. (n.d.). Parkinson’s Disease.

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