Schluckbeschwerden, auch Dysphagie genannt, sind ein häufiges und oft übersehenes Symptom bei Parkinson-Patienten. Sie können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, zu Mangelernährung, Dehydration und sogar lebensbedrohlichen Lungenentzündungen führen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind daher entscheidend, um die Schluckfunktion zu erhalten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Was sind Schluckbeschwerden bei Parkinson?
Schlucken ist ein komplexer Vorgang, an dem über 50 Muskeln und fünf Hirnnerven beteiligt sind. Bei Parkinson können die für das Schlucken verantwortlichen Muskeln und Nerven beeinträchtigt werden, was zu Schwierigkeiten beim Transport von Nahrung und Flüssigkeit vom Mund in den Magen führt. Dies kann in jeder Phase des Schluckaktes auftreten, von der Vorbereitung der Nahrung im Mund bis zum Transport durch die Speiseröhre.
Julia Hirschwald, eine staatlich anerkannte Logopädin, betont, dass Schluckstörungen bei Parkinson die Freude am Essen und Trinken mindern und die Lebensqualität insgesamt beeinträchtigen. Betroffene ziehen sich nicht selten zurück, und wenn sie aufgrund von Schluckproblemen weniger essen oder bestimmte Nahrungsmittel und Konsistenzen weglassen, kann dies zu Flüssigkeitsmangel und Mangelernährung führen und den Allgemeinzustand verschlechtern.
Ursachen von Schluckbeschwerden bei Parkinson
Bei Parkinson-Patienten gehen in einer bestimmten Hirnregion Nervenzellen unter, was zu einem Mangel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn führt. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der für die Weiterleitung von Nervenreizen benötigt wird. Fehlt dieser Botenstoff, kommt es zu einem "Wackelkontakt" oder "Leitungsschaden", der die für Parkinson typischen motorischen Symptome wie Zittern, reduzierte Beweglichkeit und steife Muskeln verursacht. Diese motorischen Einschränkungen können auch die Gesichts-, Mund-, Schlund- und Kehlkopfmuskulatur betreffen und dadurch die Bewegungsabläufe beim Schlucken verändern.
Symptome von Schluckbeschwerden bei Parkinson
Oft fallen Schluckstörungen zunächst nicht auf, da die Selbstwahrnehmung der Betroffenen krankheitsbedingt verringert ist. Viele halten Schluckstörungen auch für altersbedingt und "normal". Es ist daher wichtig, auf mögliche Anzeichen zu achten und diese aktiv anzusprechen.
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Zu den häufigsten Symptomen von Schluckbeschwerden bei Parkinson gehören:
- Räuspern, Husten oder eine belegte, feuchte Stimme während oder nach dem Trinken und Essen
- Schwierigkeiten beim Kauen der Nahrung
- Nahrung bleibt im Hals stecken
- Schwankende Wirksamkeit oral eingenommener Parkinson-Medikamente
- Wiederholte Lungenentzündungen
- Ungewollte Gewichtsabnahme über mehrere Monate hinweg
- Geringes Körpergewicht
- Vermehrtes Verschlucken an Speichel und Nahrungsmitteln
- Verlängerte Essenszeiten
- Vermeidung bestimmter Speisen oder Konsistenzen
- Speichelfluss oder Austreten von Nahrung aus dem Mund
- Gurgelnde Stimme oder brodelnde Atemgeräusche
Diagnose von Schluckbeschwerden bei Parkinson
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um die Schluckfunktion zu erhalten und Komplikationen zu vermeiden. Wer Auffälligkeiten beobachtet, sollte das unverzüglich und aktiv ansprechen. Julia Hirschwald empfiehlt, einen Verdacht auf eine Schluckstörung im Arzttermin unverzüglich zu äußern. Wer in logopädischer Behandlung ist, kann das Thema auch dort ansprechen.
Die Diagnose von Schluckbeschwerden bei Parkinson umfasst in der Regel eine Kombination aus:
- Anamnese: Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt oder Logopäden über die Krankheitsgeschichte und die aktuellen Beschwerden. Auch Angaben von Angehörigen sind hier wichtig.
- Klinische Schluckuntersuchung (KSU): Eine Untersuchung der am Schlucken beteiligten Organe (Lippen, Kiefer, Wangen, Zunge, Gaumensegel, Kehlkopf) und der Funktionsfähigkeit des Schluckablaufs anhand unterschiedlicher Konsistenzen.
- Apparative Diagnostik: In manchen Fällen sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Ursache und den Schweregrad der Schluckstörung genauer zu beurteilen. Dazu gehören:
- Flexible Endoskopische Evaluation des Schluckens (FEES): Ein Endoskop wird durch die Nase in den Rachen eingeführt, um den Schluckvorgang direkt zu beobachten.
- Videofluoroskopie (VFSS): Eine Röntgenuntersuchung, bei der der Schluckvorgang in Echtzeit beobachtet wird, während der Patient bariumhaltige Nahrungsmittel und Flüssigkeiten schluckt.
- Manometrie: Eine Messung der Druckverhältnisse in der Speiseröhre während des Schluckens.
Behandlung von Schluckbeschwerden bei Parkinson
Die Behandlung von Schluckbeschwerden bei Parkinson zielt darauf ab, die Schluckfunktion zu verbessern, das Risiko von Komplikationen zu verringern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Die Therapie sollte individuell auf die Bedürfnisse und den Schweregrad der Schluckstörung des Patienten abgestimmt sein.
Zu den wichtigsten Behandlungsansätzen gehören:
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- Logopädie: Eine logopädische Therapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Schluckbeschwerden bei Parkinson. Ziel ist es, die am Schlucken beteiligten Muskeln zu stärken, die Koordination zu verbessern und sichere Schlucktechniken zu erlernen. Julia Hirschwald betont, dass die Übungen in der Schlucktherapie sorgfältig ausgewählt werden sollten, da anstelle einer Muskelschwäche auch eine Koordinationsstörung der schluckrelevanten Strukturen vorliegen kann.
- LSVT LOUD®: Eine spezielle Sprech- und Stimmtherapie, die Studien zufolge das Schlucken bei Parkinson positiv beeinflussen kann.
- EMST (Expiratory Muscle Strength Training): Ein Training mit einem Gerät, das einem Asthma-Inhalator ähnelt und die Ausatemmuskulatur stärkt.
- Anpassung der Medikamente: In manchen Fällen kann es hilfreich sein, die Parkinson-Medikamente anzupassen, um die Schluckfunktion zu verbessern. Levodopa, ein bewährter Wirkstoff zur Therapie des Parkinsonsyndroms, kann Schluckstörungen auch bei schwer betroffenen Patienten im fortgeschrittenen Stadium lindern.
- Anpassung der Konsistenz von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten: Die Konsistenz von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten kann angepasst werden, um das Schlucken zu erleichtern und das Risiko des Verschluckens zu verringern. Dies kann durch Andicken von Flüssigkeiten oder Pürieren von fester Nahrung erfolgen.
- Schlucktechniken: Bestimmte Schlucktechniken können helfen, das Schlucken sicherer und effizienter zu gestalten. Dazu gehören beispielsweise das Kinn zur Brust neigen beim Schlucken (Kinn- tuck-Manöver) oder das supraglottische Schlucken.
- Ernährungstherapie: Eine Ernährungstherapie kann helfen, Mangelernährung und Dehydration vorzubeugen. Die Ernährung sollte ausgewogen und auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sein. In schweren Fällen kann eine Ernährung über eine Sonde (PEG-Sonde) erforderlich sein.
- Medikamentöse Therapie: Medikamente können eingesetzt werden, um den Speichelfluss zu reduzieren oder die Wachheit und den Antrieb zu verbessern.
- Pharyngeale Elektrostimulation (PES): Eine innovative Behandlungsmethode, bei der elektrische Stimulationen im Rachenraum eingesetzt werden, um die Schluckmuskulatur zu aktivieren und die Schluckfunktion zu verbessern.
Tipps für den Alltag mit Schluckbeschwerden
Neben der professionellen Therapie gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die Parkinson-Patienten selbst ergreifen können, um ihre Schluckbeschwerden zu lindern und das Essen und Trinken sicherer zu gestalten:
- Aufrechte Körperhaltung: Sitzen Sie beim Essen aufrecht und halten Sie Ihren Kopf gerade.
- Konzentration auf das Essen: Vermeiden Sie Ablenkungen wie Fernsehen oder Gespräche während des Essens.
- Kleine Bissen: Nehmen Sie kleine Bissen und kauen Sie die Nahrung gründlich.
- Langsames Essen: Essen Sie langsam und lassen Sie sich Zeit.
- Trinken zwischen den Bissen: Trinken Sie zwischen den Bissen, um die Nahrung zu befeuchten und das Schlucken zu erleichtern.
- Vermeiden Sie bestimmte Nahrungsmittel: Vermeiden Sie Nahrungsmittel, die schwer zu kauen oder zu schlucken sind, wie z.B. trockenes Brot, zähes Fleisch oder klebrige Süßigkeiten.
- Feuchte Kost bevorzugen: Nehmen Sie eher "feuchte Kost" zu sich (z. B. Suppen, Soßen, Joghurt).
- Salziges und Säurehaltiges: Salziges fördert dünnflüssigen Speichel, Säurehaltiges regt die Speichelproduktion an.
- Süßigkeiten und Milchprodukte meiden: Süßigkeiten, Milch und Milchcremes (außer Joghurt oder Sauermilch) eher vermeiden, da sie dicken, schleimigen Speichel fördern.
- Schlucken üben: Üben Sie bewusstes Schlucken, auch wenn Sie weder essen noch trinken.
- Schluckwecker: Trainieren Sie 2x täglich mit dem "Schluck-Wecker": Stellen Sie sich alle zwei Minuten über einen Zeitraum von 30 Minuten einen Wecker und schlucken Sie bei jedem Klingeln Ihren Speichel.
- Mundhygiene: Achten Sie auf eine gute Mundhygiene, um Infektionen vorzubeugen.
- Regelmäßige Kontrollen: Lassen Sie Ihre Schluckfunktion regelmäßig von einem Logopäden oder Arzt überprüfen.
Die Rolle der Logopädie
Die Logopädie spielt bei der Behandlung von Parkinsonpatienten eine bedeutsame Rolle. Denn Schluckbeschwerden und Schwierigkeiten beim Sprechen sind Symptomatiken, unter denen Parkinsonpatienten häufig leiden. Und die sich durch eine gezielte logopädische Behandlung lindern lassen. Die bei der Parkinson-Erkrankung auftretenden Bewegungseinschränkungen können auch die Gesichts-, Mund-, Schlund- und Kehlkopfmuskulatur betreffen und dadurch die Bewegungsabläufe beim Schlucken und Sprechen verändern. So ist zum Beispiel aufgrund der Schluckstörungen häufig Speichelfluss zu beobachten. Das Kauen dauert oft länger, es verbleiben Nahrungsreste im Mund oder Rachen. Die Schluckbeschwerden bewirken, dass Parkinson-Erkrankte die Nahrungsaufnahme als beschwerlich empfinden. Häufig essen Betroffene nicht mehr gerne in Gesellschaft - ein wichtiger Bereich der Geselligkeit entfällt. Sind die Schluckbeschwerden stark ausgeprägt, kann die ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit, Nahrung, aber auch mit Medikamenten gefährdet sein.
Schluckbeschwerden müssen zunächst diagnostisch genau abgeklärt werden, um Art und Schweregrad gut zu erfassen. Unter Umständen ist eine apparative Zusatzdiagnostik notwendig. Die Logopädie hält eine ganze Reihe an Tipps und einfache Übungen bereit, um die Schluckbeschwerden bei Parkinson zu lindern. Gezielte Übungen können die Bewegungsabläufe verbessern. Neben den Schluckstörungen sind Heiserkeit sowie leises und undeutlicher werdendes Sprechen typische Symptome bei Parkinsonpatienten. Außerdem beschleunigt sich das Sprechtempo typischerweise. Durch zu schnelles, leises und undeutliches Sprechen („Nuscheln“) ist die Verständlichkeit eingeschränkt. Gesprächspartner fragen vermehrt nach. Betroffene beschreiben häufig auch Wortfindungsschwierigkeiten und eine Verlangsamung. In Gesprächen, vor allem in Gruppen, ergeben sich in der Folge Schwierigkeiten, zu Wort zu kommen. Ist die Verständlichkeit des Sprechens beeinträchtigt oder liegen ausgeprägte Wortfindungsprobleme vor, können Verunsicherung und eine Rückzugstendenz aus sozialen Kontakten folgen. Neben den Schluckbeschwerden behandeln Logopäden auch die Schwierigkeiten beim Sprechen. Denn durch regelmäßiges Training können Stimme und Sprechen aber auch die Wortfindung von Parkinson-Betroffenen in vielen Fällen so verbessert werden, dass die Verständlichkeit wieder gewährleistet ist und die Betroffenen mehr Selbstsicherheit und Sprechfreude verspüren.
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