Eine Lähmung kann den Alltag erheblich beeinträchtigen und die Selbstständigkeit einschränken. In solchen Fällen kann ein Pflegegrad eine wichtige Unterstützung darstellen. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für einen Pflegegrad bei Lähmung, insbesondere Pflegegrad 5, und die damit verbundenen Leistungen.
Was ist ein Pflegegrad?
Ein Pflegegrad beschreibt, wie pflegebedürftig eine Person ist. Dabei legen bestimmte Kriterien die Höhe der Bedürftigkeit in fünf Gruppen (Pflegegrad 1 bis 5) fest. Ein Gutachter ordnet die betroffene Person entsprechend ein. Seit der Pflegereform 2017 wird nicht mehr der zeitliche Aufwand für die Pflegeleistungen berechnet, sondern der Grad der Selbstständigkeit der betroffenen Person. Körperliche, geistliche und kognitive Beeinträchtigungen werden berücksichtigt.
Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 5 erhalten Versicherte mit einer anerkannten „schwersten Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung“. Dies bedeutet, dass die betroffene Person in nahezu allen Alltagsbereichen Hilfe benötigt.
Voraussetzungen für Pflegegrad 5:
- Eine Pflegebegutachtung muss mindestens 90 Punkte nach dem „Neuen Begutachtungsassessment“ (NBA) ergeben.
- Es liegt eine „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung“ vor.
- Personen, die beide Beine und beide Arme nicht richtig verwenden können, erhalten automatisch Pflegegrad 5 (besondere Bedarfskonstellation).
Die Pflegebegutachtung (NBA):
Das NBA beurteilt das Maß der Selbstständigkeit einer Person anhand von sechs unterschiedlich gewichteten Themenfeldern:
- Mobilität: Wie selbstständig bewegt sich der Begutachtete fort?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller im Alltag örtlich und zeitlich orientieren?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Betroffene Hilfe wegen psychischer Probleme wie aggressivem oder ängstlichen Verhalten?
- Weitere Module, die die Selbstständigkeit erfassen.
- Weitere Module, die die Selbstständigkeit erfassen.
- Weitere Module, die die Selbstständigkeit erfassen.
Jedes der sechs Module umfasst bis zu 16 feste Kriterien, die im Gutachten einzeln beurteilt werden. Die individuelle Bewertung jedes Kriteriums ergibt zusammen eine Punktzahl für jedes Modul. Die Punktzahlen der Module werden gewichtet addiert und ergeben so die Gesamtpunktzahl.
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Leistungen bei Pflegegrad 5
Mit Pflegegrad 5 stehen Ihnen unter den jeweiligen Voraussetzungen alle Pflegeleistungen in vollem Umfang zur Verfügung. Im Vergleich zu niedrigeren Pflegegraden haben Sie jetzt höhere Ansprüche beim Pflegegeld, den Pflegesachleistungen, der Tages- und Nachtpflege sowie bei den Leistungen für die stationäre Pflege, also das Pflegeheim.
Häusliche Pflege:
- Pflegegeld: 990 Euro pro Monat (zur freien Verfügung, keine Kostennachweise erforderlich, aber vierteljährlicher Beratungseinsatz nach Paragraf 37.3 notwendig).
- Pflegesachleistungen: 2.299 Euro pro Monat (zur Finanzierung professioneller Pflegekräfte).
- Kombinationsleistung: Möglichkeit, Pflegegeld und Pflegesachleistungen anteilig in Anspruch zu nehmen.
- Verhinderungspflege: Finanzierung einer stundenweisen oder tageweisen Vertretung bei Urlaub oder Krankheit der Pflegeperson (bis zu 3.539 Euro pro Jahr, gemeinsamer Jahresbetrag für Kurzzeit- und Verhinderungspflege).
- Entlastungsbetrag: 131 Euro pro Monat für unterschiedliche Entlastungs- und Betreuungsmaßnahmen.
- Tages- & Nachtpflege: 2.085 Euro pro Monat für die teilstationäre Pflege nur tagsüber oder nur nachts.
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Zuschüsse für ein barrierearmes Wohnumfeld.
- Pflegeberatung: Kostenlose Pflegeberatung nach Paragraf 7a.
- Pflegekurse für Pflegende: Praktisches Pflegewissen vom Ankleiden über den Transfer bis zur Körperpflege.
- Pflegeunterstützungsgeld: Fortzahlung des Lohns oder Gehalts für Pflegende in akuten Pflegenotfällen.
Stationäre Pflege:
- Stationäre Pflege: Die Pflegeversicherung stellt bei Pflegegrad 5 pro Monat 2.096 Euro für die stationäre Pflege. Für Ihren Eigenanteil ist das jedoch nicht ausschlaggebend, denn der ist vom Pflegegrad unabhängig immer gleich hoch. Die Pflegeheimkosten für Sie setzen sich zusammen aus dem Eigenanteil an den Pflegekosten sowie den Kosten für Unterkunft & Verpflegung (Hotelkosten) und den Kosten für Erhalt und Entwicklung der Einrichtung (Investitionskosten).
Weitere Leistungen:
- Entlastungsbetrag: 131 Euro pro Monat stehen zur Verfügung für unterschiedliche Entlastungs- und Betreuungsmaßnahmen.
- Sozialversicherungsbeiträge für Pflegende: Die Pflegeversicherung übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen Sozialversicherungsbeiträge für Pflegende. Die Bedingungen für die Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung unterscheiden sich.
- Wohngruppenzuschuss: Die Pflegeversicherung unterstützt in Wohngruppen lebende Personen mit einem Zuschlag.
- Hilfsmittel: Nach § 40 Abs. 2 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI) erstattet Ihnen die Pflegekasse jeden Monat bis zu 42 Euro für Hilfsmittel wie Betteinlagen, Desinfektionsmittel, Mundschutz oder Einmalhandschuhe. Diese Hilfsmittel sind zum Verbrauch bestimmt.
Pflege bei Lähmung: Besonderheiten
Eine Lähmung erschwert den Alltag pflegebedürftiger Personen. Nicht nur mit physischen, sondern auch mit psychischen Auswirkungen ist umzugehen. Pflegepersonen haben deshalb die wichtige Aufgabe, die Lähmung in die Pflege miteinzubeziehen.
Aspekte der Pflege bei Lähmung:
- Akzeptanz: Aufbauen einer Akzeptanz für die gelähmten Extremitäten oder die gelähmte Körperhälfte.
- Körpergefühl: Förderung des Körpergefühls auf der betroffenen Seite.
- Anpassung der Wohnumgebung: Individuelle Anpassung der Wohnumgebung an die Lähmung des Betroffenen.
- Unterstützung im Alltag: Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags.
Antragstellung und Widerspruch
Antragstellung:
- Antrag stellen: Einen Pflegegrad (bis 2016: Pflegestufen) beantragen Sie per Anruf oder mit einem formlosen Brief an Ihre zuständige Pflegekasse (die Pflegekassen sind der Krankenversicherung angegliedert).
- Begutachtung: Ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kommt dann zu Ihnen nach Hause, um den Pflegegrad des Versicherten zu ermitteln.
- Bescheid: Nach der Pflegebegutachtung vergehen in der Regel ein bis zwei Wochen, bis Sie über die Pflegekasse einen Brief über die vorgenommene Einstufung erhalten.
Widerspruch:
Glauben Sie, dass der MDK Ihnen einen falschen Pflegegrad zugewiesen hat? Dann können Sie innerhalb von vier Wochen Widerspruch gegen die Einstufung einlegen und eine erneute Begutachtung fordern! Schicken Sie den Widerspruch direkt an den MDK. Sollte sich der Zustand des Pflegebedürftigen verschlechtern, so dass umfassendere Pflegeleistungen erforderlich werden, können Sie einen höheren Pflegegrad beantragen. Auch hierzu reicht ein formloser Antrag aus.
Widerspruch einlegen?
Es kann vorkommen, dass der „Antrag auf Pflegegrad“ abgelehnt wird. Für viele Menschen ist das ein großes und vor allem finanzielles Problem. Die gute Nachricht: Sie können dagegen vorgehen und einen Widerspruch einreichen. Hierbei ist schnelles Handeln gefragt. Bei der Pflegekasse muss innerhalb von einen Monat eine schriftliche Reaktion erfolgen. Bevor Sie dies tun, sollten Sie den Bescheid genau prüfen. Fragen Sie sich, ob der erfasste Zustand der bedürftigen Person richtig dargestellt wurde. Der Gutachter nimmt eine Momentaufnahme auf. War die Person an dem Tag der Prüfung fitter als an anderen Tagen? Wenn ja, schreiben Sie sich auf, was anderes war, um Argumente zu finden, die einen Widerspruch gerechtfertigten. Sie können auch ein Pflegetagebuch führen, indem der Zustand genau erfasst wird. Hilfreich ist es einen vorhandenen Pflegedienst um Rat zu fragen. Auch kann der behandelnde Arzt über medizinische Dokumente verfügen, die nützlich sein könnten. Den Widerspruch verfassen Sie schriftlich und reichen ihn bei der Pflegeversicherung ein. Zunächst reicht ein formales Schreiben ohne Begründungen. Sie erwähnen, dass Sie mit dem Bescheid nicht einverstanden sind und ihn widersprechen. Die Pflegekasse wird mit Ihnen in Kontakt treten, um den Sachverhalt aufzuklären. Meist wird eine Wiederholungsbegutachtung durchgeführt, wobei der Gutachter erneut die einzelnen Kriterien testet. In der Einschätzung können formale Fehler wie zum Beispiel eine fehlende Unterschrift vorliegen. Lassen Sie im Idealfall das Gutachten von einem Experten gegenlesen. Pflegestellen in Ihrer Nähe bieten hierbei eine gute Anlaufstelle. Diese füllen regelmäßig Anträge aus, sodass sie Fehler, die zu einer Ablehnung führen, erkennen können.
Pflegegrad erhöhen:
Wenn Sie merken, dass sich die Situation verschlechtert, kann eine Höherstufung erfolgen. Diese müssen Sie ebenfalls bei der Pflegekasse beantragen. Sie erhalten im Gegenzug ein Formular, den „Antrag auf Höherstufung“. Es kann sein, dass ein Gutachter eine Wiederholungsprüfung durchführen muss. Sind alle Angaben korrekt und der Gutachter stellt ebenfalls eine Höherstufung fest, wird der neue Pflegegrad zugeteilt.
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Kann ein Pflegegrad rückwirkend beantragt werden?
Der Pflegegrad kann nicht rückwirkend beantragt werden. Der Grund: Es ist für einen Gutachter sehr schwierig zu ermitteln, seit wann Sie körperlich oder geistig beeinträchtigt sind. Der Zeitpunkt des Starts der Pflegebedürftigkeit ist nicht eindeutig festzustellen. Ein rückwirkender Anspruch gibt es deshalb nicht. Das Pflegegeld wir somit erst nach der Genehmigung ausgezahlt.
Fallbeispiele
Herr Müller:
Herr Müller war lange Zeit fit und aktiv, doch vor fünf Jahren hatte er einen schweren Unfall. Sein Rückenmark wurde stark beschädigt und er ist seitdem querschnittsgelähmt. Bei ihm sind Beine und Arme betroffen. Beim Waschen, An- und Ausziehen, dem Toilettengang sowie dem Zubereiten von Mahlzeiten ist er vollständig auf die Hilfe von Pflegekräften angewiesen. Im Modul „Selbstversorgung“ erhält er 37 Punkte. Zudem macht ihm seine Lähmung psychisch schwer zu schaffen. Er leidet mehrmals die Woche unter Antriebslosigkeit und Ängsten. Seine Medikamente stellen Pflegekräfte für Herrn Müller bereit. Sein Blutdruck wird täglich gemessen, um seinen Zustand im Auge zu behalten. Im Modul „Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Belastungen“ erhält er 8 Punkte. Herr Müller bekommt häufig Besuch im Pflegeheim. Er hat jedoch ein Problem mit seiner eigenen Situation und lehnt den Kontakt zu anderen Heimbewohnern ab. Insgesamt kommt die Pflegebegutachtung auf einen Wert von 92,5 gewichteten Punkten.
Frau Schreiber:
Bei der 60-jährigen Luise Schreiber wurde vor kurzem Morbus Parkinson diagnostiziert. Bislang reichte ihr die Unterstützung ihrer Tochter. Zwar kann Frau Schreiber ihren eigenen Körper noch bewegen, aber mit Fortschreiten der Krankheit wird das für sie immer schwerer. Nach Überprüfung des Antrags wird Frau Schreiber ein Pflegegrad 3 bescheinigt (55 Punkte). Sie bekommt nun täglich Unterstützung durch einen Pflegedienst, der ihr beim Aufstehen, der Körperpflege und dem Kochen hilft.
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