Die Diagnose Demenz wirft viele Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Handlungsfähigkeit und der notwendigen Vorkehrungen für die Zukunft. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für die Beantragung einer Pflegschaft (rechtliche Betreuung) bei Demenz, die relevanten rechtlichen Grundlagen und gibt einen Überblick über wichtige Aspekte wie Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und die Wahrung der Selbstbestimmung.
Rechtslage bei Demenz: Selbstbestimmung und Schutz
Die Rechtslage bei Demenz ist komplex, da die Diagnose nicht automatisch mit Geschäftsunfähigkeit gleichzusetzen ist. Im Vordergrund steht der Erhalt der Selbstständigkeit der betroffenen Person, solange dies möglich ist.
Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung: Vorausschauende Regelungen
Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen sind entscheidende Instrumente, um im Vorfeld festzulegen, wer im Falle einer Demenzerkrankung Entscheidungen treffen soll. Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person im Voraus regeln, wer sie im Falle einer Krankheit oder eines Unfalls vertreten soll. Anders als ein gesetzlicher Betreuer ist der durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte dem Betreuungsgericht gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Eine Vorsorgevollmacht bei bestehender Demenz auszustellen, ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, solange die Person noch geschäftsfähig ist.
In einer Betreuungsverfügung kann eine Person benannt werden, die im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit als Betreuer eingesetzt werden soll. Die Betreuungsverfügung tritt nicht direkt nach dem Notfall ein. Das zuständige Betreuungsgericht muss erst darüber entscheiden, wer die rechtliche Betreuung übernimmt, und somit rechtliche Vertretungsmacht erlangt. Das Gericht prüft dann, ob die Bestellung eines Betreuers erforderlich und die vorgeschlagene Person geeignet ist. Im Unterschied zur Vorsorgevollmacht, steht die Betreuung unter gerichtlicher Aufsicht. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass man für die Erstellung einer Betreuungsverfügung nicht unbedingt eine volle Geschäftsfähigkeit benötigt. In einer Betreuungsverfügung kann auch festgehalten werden, wer keinesfalls für eine Betreuung in Betracht gezogen werden soll. Zusätzlich können Wünsche geäußert werden, die ein gesetzlicher Betreuer berücksichtigen soll.
Gesetzliche Betreuung: Wenn keine Vorsorgedokumente vorliegen
Fehlen diese Vorsorgedokumente, ordnet das Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung an, die sich an den Bedürfnissen der betroffenen Person orientiert. Die Auswahl des Betreuers erfolgt im Interesse des Betroffenen und berücksichtigt in der Regel die Wünsche der Angehörigen. Ziel der rechtlichen Betreuung bei Demenz ist es, die Selbstbestimmung und Lebensqualität der Betroffenen so weit wie möglich zu erhalten und gleichzeitig ihren Schutz und ihre Fürsorge zu gewährleisten.
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Weitere rechtliche Grundlagen: Wahlrecht, Straßenverkehr und Bankgeschäfte
Weitere gesetzliche Grundlagen betreffen das Wahlrecht, den Straßenverkehr und Bankgeschäfte. Da das Wählen ein grundlegendes Bürgerrecht darstellt, bleibt das Wahlrecht auch bei einer Demenzerkrankung bestehen. Es kann nicht auf andere Personen übertragen werden. Während Menschen mit Demenz eine Begleitung in die Wahlkabine mitnehmen dürfen, ist diese ausschließlich zur technischen Unterstützung zulässig. Solange Demenzerkrankte voll geschäftsfähig sind, können sie frei über ihr Geld verfügen und alle Bankgeschäfte selbstständig erledigen. Sobald die Geschäftsfähigkeit aufgrund der Demenz nicht mehr gegeben ist, wird in der Regel ein rechtlicher Betreuer bestellt. Dieser regelt die finanziellen Angelegenheiten im Sinne des Betroffenen. Bei fortgeschrittener Demenz kann der Führerschein von der Straßenverkehrsbehörde nach Anlage 4a der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) entzogen werden. Ärzte sind in diesem Fall von ihrer Schweigepflicht entbunden und haben das Recht, die Behörde auf die jeweilige Demenzsituation hinzuweisen.
Geschäftsunfähigkeit bei Demenz: Ein rechtlicher Begriff
Geschäftsunfähigkeit ist ein rechtlicher Begriff, der beschreibt, dass eine Person aufgrund ihres geistigen Zustands oder ihres Alters nicht in der Lage ist, rechtlich bindende Verträge oder Geschäfte selbstständig abzuschließen. In Deutschland ist dies im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Geschäfte, die von geschäftsunfähigen Personen getätigt werden, sind grundsätzlich nichtig. Demenzerkrankte können geschäftsfähig sein, solange ihre kognitiven Einschränkungen nicht so schwerwiegend sind, dass sie ihre Fähigkeit, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen, verlieren. Sobald die Demenzerkrankung zu einem Punkt fortschreitet, an dem die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu verstehen und vernünftige Entscheidungen zu treffen, gilt sie als geschäftsunfähig.
Schutz durch Rechtsregelungen: Einwilligungsvorbehalt
Wird die Geschäftsunfähigkeit einer Person gerichtlich festgestellt, so sind alle von ihr abgeschlossenen Geschäfte rechtsunwirksam. Es kann jedoch ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, der im Betreuerausweis vermerkt wird. Das erleichtert die Überprüfung und Anfechtung von Rechtsgeschäften und dient dem Schutz des Betroffenen, indem sichergestellt wird, dass alle wichtigen Entscheidungen unter Aufsicht und mit Zustimmung des Betreuers getroffen werden. Ein Richter kann beispielsweise bestimmen, dass Geschäfte ab einem gewissen Betrag nur durch oder mit nachträglicher Genehmigung des gesetzlichen Vertreters rechtswirksam sind. Ohne diese Zustimmung sind die Geschäfte dann ungültig. Diese Regelung, bekannt als Einwilligungsvorbehalt, bezieht sich jedoch nur auf die Bereiche, in denen die Betreuer aktiv sind.
Antrag auf rechtliche Betreuung: Voraussetzungen und Verfahren
Liegt für einen Demenzerkrankten keine Verfügung oder Vollmacht vor, sollte beim zuständigen Betreuungsgericht ein Antrag auf rechtliche Betreuung gestellt werden. Um die gesetzliche Betreuung für eine demenzerkrankte Person zu beantragen, muss ein formeller Antrag beim zuständigen Betreuungsgericht eingereicht werden, wobei ein ärztliches Attest oder Gutachten über den Gesundheitszustand der Person beigefügt werden sollte. Diesen Antrag kann jeder stellen, der ein berechtigtes Interesse hat - zum Beispiel Angehörige, Ärzte oder in bestimmten Fällen auch der Betroffene selbst. Das Gericht prüft dann, ob und in welchem Umfang eine Betreuung notwendig ist, wobei ärztliche Gutachten eine wichtige Rolle spielen. Für Angehörige ist und bleibt es schwierig zu klären, wann eine gesetzliche Betreuung unumgänglich wird. Das in Paragraf 1814 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankerte Prinzip der Erforderlichkeit besagt, dass eine Betreuung nicht erforderlich ist, wenn der Betroffene durch andere Hilfen, zum Beispiel durch Angehörige, Bekannte oder soziale Dienste, ausreichend unterstützt wird. Im Umkehrschluss bedeutet das: Eine rechtliche Betreuung wird nur dann eingerichtet, wenn andere Unterstützungsmaßnahmen nicht ausreichen oder keine Vorsorgevollmacht vorliegt.
Erforderlichkeit der Betreuung: Subsidiaritätsgrundsatz
Die Betreuung nach dem BGB ist somit subsidiär (nachrangig). Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso durch andere Hilfsangebote besorgt werden können (§ 1814 Abs. 3 Satz 2 BGB). Weiter ist Voraussetzung, dass die Angelegenheiten, die für die betroffene Person besorgt werden müssen, nicht durch andere Hilfen, die ohne gesetzlichen Vertreter möglich sind, gleich gut erledigt werden können. Andere Hilfen können z.B. Familienangehörige, Nachbarschaftshilfe oder soziale Dienste sein, sowie von der betroffenen Person bevollmächtigte Dritte. Die Betreuung steht an letzter Stelle der möglichen Hilfen. So sind z.B. ambulante Hilfen bzw. Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen kann usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die Betreuerbestellung. Hier wird es im Normalfall auf ganz praktische Hilfen ankommen (z.B.
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Aufgaben und Pflichten des Betreuers
Ein gesetzlicher Betreuer wird vom Betreuungsgericht eingesetzt und wird bevorzugt aus den Kreisen der Familie gewählt. Unabhängig davon, wer als gesetzlicher Betreuer bestimmt wird, gilt stets der Grundsatz, dass in jedem Bereich im Sinne des Demenzerkrankten gehandelt werden muss. Grundsätzlich ist ein gesetzlicher Betreuer dem Gericht rechenschaftspflichtig. Das heißt, dass die Aktivitäten dem Betreuungsgericht gegenüber offengelegt werden müssen. Verstößt ein Betreuer gegen seine Pflichten, indem er zum Beispiel finanzielle Mittel missbraucht, so wird er dafür haftbar gemacht. Dies dient dem Schutz des Betroffenen und stellt sicher, dass die Betreuung verantwortungsvoll und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben geführt wird. Viele wichtige Entscheidungen, die ein Betreuer für Angehörige trifft, bedürfen der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen, die weitreichende Folgen für den Betreuten haben können. Bei diesen Entscheidungen muss der Betreuer vorab die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen. Handelt er ohne diese Genehmigung, sind seine Handlungen in der Regel unwirksam.
Gesetzliche Betreuung durch Familienangehörige
Die gesetzliche Betreuung durch Familienangehörige ist ein wichtiges Thema im deutschen Betreuungsrecht. Um Betreuer für Angehörige zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Das Betreuungsgericht hat die Aufgabe, die Eignung des potenziellen Betreuers zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt einzelfallbezogen und berücksichtigt sowohl die persönliche als auch die fachliche Eignung. Bei der Eignungsprüfung werden auch Erkenntnisse aus der Vergangenheit des potenziellen Betreuers berücksichtigt. Familienangehörige, insbesondere Ehepartner, Eltern und Kinder, werden oft als bevorzugte Kandidaten für die gesetzliche Betreuung angesehen.
Selbstbestimmung trotz Demenz: EinBalanceakt
Im Umgang mit Demenzerkrankten ist es wichtig, ihren aktuellen Willen zu verstehen und die Selbstbestimmung trotz Demenz zu respektieren. Selbst wenn die Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist, sollten die Wünsche und Bedürfnisse erfasst werden. Dies kann beispielsweise durch Körpersprache, Mimik oder Verhaltensänderungen geschehen. Menschen mit Demenz sind oft noch lange in der Lage, in bestimmten Lebensbereichen eigene Entscheidungen zu treffen. Solange sich der Betroffene damit nicht selbst schadet, ist seine Entscheidung zu respektieren. Reagiert er nicht darauf, kann auch der Hausarzt oder der Sozialdienst zurate gezogen werden. Für Pflegende und Angehörige ist es wichtig, die eigenen Ansichten und Werte von denen des Erkrankten zu unterscheiden. Wenn dabei eine Entscheidung für eine Person zu schwer ist, kann es sinnvoll sein, sie im Team zu treffen. Dieses Team kann aus unabhängigen Personen und dem nahen Umfeld des Betroffenen bestehen.
Recht auf Verwahrlosung und Grenzen der Selbstbestimmung
Das Recht auf Verwahrlosung ist eine Frage der Selbstbestimmung. Der Demenzerkrankte hat ein Recht auf Verwahrlosung und kann bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, wie er Hygiene und Ordnung in seinem eigenen Leben handhabt. Allerdings gibt es Grenzen, insbesondere wenn die Gesundheit oder Sicherheit der Person ernsthaft gefährdet ist. Das Recht auf Selbstbestimmung, auch im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen, ist ein grundlegendes Menschenrecht und wird in Deutschland durch Artikel 2 des Grundgesetzes geschützt. Demnach hat jeder grundsätzlich das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese von anderen als unkonventionell oder schädlich betrachtet werden. Allerdings gibt es Grenzen, insbesondere wenn die Gesundheit oder Sicherheit der Person ernsthaft gefährdet ist.
Patientenverfügung: Wichtig im späteren Stadium
Die Patientenverfügung ist ein Vorsorgedokument, das im späteren Stadium einer Demenzerkrankung sehr wichtig werden kann. Die Demenz beeinträchtigt mit der Zeit die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen und eigene Wünsche zu äußern. In späteren Stadien der Erkrankung können Betroffene oft nicht mehr klar kommunizieren, welche medizinischen Behandlungen sie wünschen oder ablehnen.
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Autofahren, Bankgeschäfte und Wahlrecht: Spezifische Aspekte
Das Thema Autofahren im Zusammenhang mit Demenz ist anspruchsvoll und muss äußerst sensibel angegangen werden. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, erleben im Laufe der Zeit Veränderungen in ihrer Wahrnehmung und kognitiven Fähigkeiten. Für viele von ihnen ist das Autofahren ein wichtiger Bestandteil ihrer Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Während Angehörige und Fachleute die Sicherheit im Blick haben, empfinden die Betroffenen jedoch möglicherweise, dass ihre Unabhängigkeit eingeschränkt wird. Trotzdem ist sicher, dass das Autofahren bei fortgeschrittener Demenz nicht mehr möglich sein wird. Die Betroffenen werden diesen Zeitpunkt allerdings nicht richtig wahrnehmen können. Auch der gesetzliche Betreuer kann beim zuständigen Amtsgericht anregen, dass der Betroffene vermutlich fahruntauglich ist und der Sachverhalt in jedem Fall überprüft werden sollte.
Bankgeschäfte für Demenzerkrankte dürfen übernommen werden, wenn eine rechtliche Betreuung durch das Gericht eingerichtet wurde oder wenn eine gültige Vorsorgevollmacht vorliegt, die die Verwaltung finanzieller Angelegenheiten einschließt. Eine Vorsorgevollmacht reicht in den meisten Fällen nicht aus, um Bankgeschäfte im Namen einer anderen Person durchzuführen. Viele Banken verlangen eine gesonderte Vollmacht oder spezifische Formulare für ihre Transaktionen. Es ist daher ratsam, sich direkt mit der betreffenden Bank in Verbindung zu setzen, um die notwendigen Unterlagen für die Abwicklung von Bankgeschäften im Rahmen einer Vorsorgevollmacht zu erhalten.
Da das Wählen ein grundlegendes Bürgerrecht darstellt, bleibt das Wahlrecht auch bei einer Demenzerkrankung bestehen. Eine Person darf den demenzerkrankten Menschen bis in die Wahlkabine begleiten und nur technisch unterstützen.
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